Der Fall Markus Igel VdK will Behinderten-Assistenz vereinheitlichen

Saarbrücken/Trier · Nach der Sitzung des Landtags-Sozialausschusses gibt es keine Lösung im Streit um den Fall des Schwerstbehinderten Markus Igel.

 Zusammen mit 100 teils prominenten Unterstützern demonstrierte der schwerstbehinderte Markus Igel (vorne im Rollstuhl) am 24. Januar vor dem Landessozialamt für sein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben.

Zusammen mit 100 teils prominenten Unterstützern demonstrierte der schwerstbehinderte Markus Igel (vorne im Rollstuhl) am 24. Januar vor dem Landessozialamt für sein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Im Streit um die Bezahlung der Kosten für die Assistenzkräfte des schwerstbehinderten Tetraspastikers Markus Igel, 31, aus Bad Kreuznach hat die ebenfalls schwerstbehinderte Trierer Amtsrichterin Nancy Poser gestern dem saarländischen Landesamt für Soziales ein fehlendes Gesetzesverständnis vorgeworfen. „Es gibt definitiv keine Kostenbegrenzung“, sagte Poser der SZ. Igel zahlt derzeit 12 900 Euro an seine elf Assistenten, auf deren Hilfe der aus dem Saarland stammende, an Armen und Beinen gelähmte Mann 24 Stunden täglich angewiesen ist. Vom Landesamt für Soziales Saarland, dem Landkreis Neunkirchen und dem Medizinischen Dienst (MDK) bekommt er 7221 Euro für sein persönliches Budget, was auch vom Landessozialgericht in Mainz in einem Eilbeschluss im Dezember 2018 bestätigt wurde.

Ein Urteil im Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht Mainz steht seit viereinhalb Jahren aus, Igel hat gegen den Eilbeschluss aus Mainz Verfassungsklage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. „Weit kommen wir nicht mehr. Wir haben noch 20 000 Euro an Spendengeldern“, sagte Poser, die auch das Forum behinderter Juristinnen und Juristen vertritt. Igel befürchtet, dass er in ein Heim gehen muss, wenn er die Lücke zwischen den Behördenzahlungen und den Aufwendungen für seine Assistenten nicht mehr schließen kann. Poser sagte, sie kenne Hunderte Fälle in Deutschland, die mit persönlichem Budget ihre 24-Stunden-Assistenz bezahlen könnten. Sie selbst zähle dazu.

Armin Lang (SPD), Chef des mit 46 000 Mitgliedern größten Sozialverbandes im Saarland, des Vereins „Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Saarland“, kurz VdK, fordert jetzt ein bundesweites Konzept für Assistenzsysteme. Angesichts unterschiedlicher Herangehensweisen in den Ländern müsse mehr Rechtssicherheit geschaffen werden, sagte Lang der SZ. Entscheidend bei den Assistenzsystemen sei die Frage „Wer ist nachts da?“. „Wenn wir das hinbekommen, haben wir die Lösung“, so Lang. Er kündigte an, über den VdK-Bundesverband das Thema auf die bundesweite Tagesordnung setzen zu wollen. Das Dilemma im Sozialrecht sei das „Wirtschaftlichkeitsgebot“. Es gebe auch im Saarland Hunderte Fälle wie den von Igel, bei denen ein persönliches Budget für ein selbstbestimmtes Leben des Behinderten gelte. Aber die Frage sei, wo das Wunsch- und Wahlrecht seine Grenzen habe. Das bestätigte auch die Saar-VdK-Justiziarin Sandra Metzen, die von der „Kosten-Nutzen-Relation“ sprach, nach der die Träger entschieden.

Bereits heute treffen sich nach SZ-Informationen in Saarbrücken Igel und sein Anwalt mit dem Leiter des Landessozialamts, Stefan Funck, sowie Vertretern des Landkreises Neunkirchen. Zuvor hatte der Neunkircher Landrat Sören Meng (SPD) in einer Mitteilung betont, er könne sich aufgrund des Sozialdatenschutzes und der Persönlichkeitsrechte von Igel nicht weiter äußern. „Ich stelle allerdings fest, dass der Landkreis Neunkirchen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben im Bereich der Hilfe zur Pflege das Mögliche gewährt“, sagte Meng.

Nach Angaben des behindertenpolitischen Sprechers der Linksfraktion, Ralf Georgi, gab es gestern im Sozialausschuss des Landtags eine „hitzige Debatte“ zum Fall Igel. Danach sei Igels Schicksal weiter in der Schwebe geblieben. Der Sitzungsleiter und stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion, Hermann Scharf, sagte der SZ: „Wir können nicht über rechtliche Dinge hinweggehen.“ Einmütige Meinung im Ausschuss sei gewesen, dass jetzt dringend ein Urteil des Sozialgerichts Mainz gebraucht werde. Landtagsvizepräsidentin Isolde Ries (SPD) habe der Sache mit ihrer Äußerung „Ich schäme mich für dieses Land“ einen „Bärendienst“ erwiesen, betonte Scharf. Sebastian Thul, Sprecher der SPD-Fraktion für Behinderten- und Gleichstellungspolitik, bestätigte, dass Ries’ Verdikt „für Furore gesorgt“ habe. Der Fall Igel sei aber ein Konflikt wie er häufig vorkomme. Zudem seien Vertreter des Landesrechnungshofes im Ausschuss gewesen, die die Vorgehensweise der Saar-Behörden bestätigt hätten.

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