Visums-Streit Christen-Mädchen harrt weiter in Syrien aus

Saarbrücken · Das Schicksal der Tochter einer assyrischen Familie, die im Saarland lebt, ist weiter ungewiss. Die Deutsche Botschaft verweigert ihr das Visum.

 Issa Soud (51) mit Sohn Peter Soud (10) und Mutter Sayde Youbi (40) bangen um die 15-jährige Georgina Tahhan in Syrien.

Issa Soud (51) mit Sohn Peter Soud (10) und Mutter Sayde Youbi (40) bangen um die 15-jährige Georgina Tahhan in Syrien.

Foto: Dietmar Klostermann

Immer noch harrt das 15-jährige Christen-Mädchen Georgina Tahhan in einer Kirche in Syriens Hauptstadt Damaskus aus. Vor Weihnachten hatte die SZ über ihr Schicksal berichtet. Und viele Saarländer meldeten sich bei ihrer Mutter Sayde Youbi in Saarbrücken und boten ihre Hilfe an. Denn Georgina Tahhan wurde im April 2017 kurz vor der Ausreise der Familie über Beirut nach Deutschland völlig überraschend für alle Beteiligten kein Ausreise-Vísum von der deutschen Botschaft im Libanon erteilt.

„So etwas habe ich bisher noch nicht erlebt“, sagt der Saarlouiser Anwalt Heinz-Peter Nobert, der die Interessen von Sayde Youbi und Georgina Tahhan vertritt. Denn inzwischen hat die Familie ein Schreiben der deutschen Botschaft in Beirut, in dem Georgina ein Visum verweigert wird. In dem Schreiben, das der SZ vorliegt, bezieht sich die Botschaft bei der Ablehnung des Visumsgesuchs auf das Rechtssystem des syrischen Staates. „Der Vater hat nach syrischem Recht die Vormundschaft über die minderjährigen Kinder und die väterliche Gewalt, die Mutter dagegen nur das Recht, dem Kind die ihm erforderliche mütterliche Sorge zu geben (Hadanah)“, schreibt die Botschaft. Diese Hadanah dauere bis zum siebten oder neunten Geburtstag des Kindes, je nach Religionsrichtung. „Nach diesem Zeitpunkt hat die Mutter kein Recht mehr an den Kindern, insbesondere auch kein Aufenthaltsbestimmungsrecht“, so die Botschaft.

Sayde Youbi ist nach eigener Aussage bereits von ihrem Ex-Mann getrennt, seit die kleine Georgina ein Baby war. „Georgina hat ihren leiblichen Vater nie gesehen. Sie sieht meinen Mann Issa Soud als ihren Vater an“, sagt Sayde Youbi beim Treffen mit der SZ. Sie kämpft mit den Tränen. Die kleine Familie gehört zu den assyrischen Christen, die im jetzigen Krieg besonders grausam verfolgt werden. Sayde Youbi, Issa Soud und der gemeinsame achtjährige Sohn Peter Soud konnten im April ins Saarland kommen, Georgina Tahhan lebt unter prekären Verhältnissen in der Kirche in Damaskus. Ihr leiblicher Vater hat schriftlich ihrer Ausreise zugestimmt, wie Sayde Youbi sagt. Doch das zählt für die deutsche Botschaft nicht.

Charli Kanoun, der Chef der Assyrischen Kulturgemeinde in Saarlouis, kämpft seit Monaten darum, dass die Familie wieder vereint wird. „Das Saar-Innenministerium sagt, dass es keinen Einfluss auf die Botschaft in Beirut habe“, erklärt Kanoun. Erst hatte das Saar-Ausländeramt noch mitgeteilt, dass es nur eines Bürgen bedürfe, der den Lebensunterhalt von Georgina im Saarland trage, etwa die Krankenversicherung und die Essensversorgung. Da hatten auch viele Saarländer ihre Hilfe angeboten. Doch jetzt werde der Ball zwischen Ausländeramt und Botschaft in Beirut hin- und hergespielt, beklagt Kanoun. Er habe jetzt die Landtagsabgeordneten Petra Berg (SPD) und Marc Speicher (CDU) um Hilfe in der Sache gebeten.

Anwalt Nobert hat inzwischen bei der deutschen Botschaft in Beirut Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid in Sachen Visum für Georgina eingelegt. Das syrische Recht sei nicht maßgebend, so Nobert. Schließlich sei Georginas Mutter schon verheiratet mit Issa Soud, seit Georgina ein Baby war. Georgina sei von Issa und Sayde betreut, erzogen und versorgt worden. Auch das Argument der Botschaft, Sayde Youbi habe kein Sorgerecht nach syrischem Gesetz, verstoße gegen den so genannten „ordre public“. Ein deutsches Familiengericht würde das Sorgerecht klar der Mutter zusprechen. Zudem liege eine besondere Härte vor, da Georgina auf den Schutz durch ihre Eltern angewiesen sei.

Die kleine Familie, die in Saarbrücken lebt und nichts für Georgina tun kann, ist verzweifelt. Charli Kanoun sagt: „Es kann nicht wahr sein, dass die Familie am Ende vor Verzweiflung wieder nach Syrien gehen muss, nur weil die deutsche Botschaft sich hinter Assads Recht verschanzt.“

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