CDU-Bundestagsabgeordnete tritt nicht noch einmal an Eine Frau auf Zack verlässt Berlin

Saarbrücken · Anette Hübinger (62) hatte in der CDU-Saar wichtige Ämter inne und holte sich in Saarbrücken sogar zweimal das Bundestags-Direktmanadat in einem traditionell „roten“ Wahlkreis. Jetzt hört sie auf.

 Die CDU-Bundestagsabgeordnete Anette Hübinger (CDU) am Ludwigsplatz in Saarbrücken.  Foto: Iris Maurer

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Anette Hübinger (CDU) am Ludwigsplatz in Saarbrücken. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maria Maurer

Streng genommen verdankt die CDU-Frau Anette Hübinger (62) dem Linken Oskar Lafontaine ihre Politkarriere. Denn als der – damals noch SPD-Vormann – Ministerpräsident wurde und die  CDU Saar nach 29 (!) Jahren erstmals auf die Oppositionsbank schickte, entschloss Hübinger sich, just dieser Verlierer-Partei beizutreten. Aber in die erste Reihe wollte die Juristin nie. Weil es ihr im „Backup“ außerordentlich gefiel, als persönliche Referentin des CDU-Bundestagsabgeordneten Werner Schreiber, damals  arbeitete sie in Bonn. Mittlerweile liegen zwölf eigene Berliner Parlamentsjahre hinter ihr. Eine Zeit, in der sie „funktionierte“, in einem „Hamsterrad“, so nennt sie das, samt Pendler-Ehe und langsam ausblutenden Sozialkontakten. Damit ist jetzt Schluss, Hübinger kandidiert nicht mehr. Weil sie Platz machen musste für den Landtagsabgeordneten Bernd Wegner? „Ich habe immer gesagt, dass ich im Bundestag nicht alt werden will und dass das meine letzte Periode wird. Das Parlament braucht neuen Zufluss, neues Denken.“

Durch die Berliner Distanz hat sich ihr Blick auf die Heimat allerdings nicht  verklärt, sondern eher touristisch eingefärbt und kritisch geschärft. Die gebürtige Neunkircherin erlebt das Straßenbild in Saarbrücken als recht schmuddelig: „Hier ist es dreckiger als in Berlin.“ Sie wünschte sich, die Saarländer würden einen sensibleren Blick für ein gepflegtes Umfeld entwickeln.

Trotz der frühen Bonner Einblicke in den Bundestags-Alltag konnte Hübinger, wie sie sagt, nicht ahnen,  was für eine Arbeitslawine auf sie zurollt. Da war sie bereits 50, hatte wegen ihres Sohnes lange pausiert. Heute sei in der Politik „alles viel komplexer und schneller geworden“. Hübinger berichtet davon, wie oft sie sich nach einem Zwölf-Stunden-Tag bei der Rückkehr in ihre Berliner  Wohnung in der Charlottenstraße bei einem schlechten Gewissen ertappte. „Zu Beginn war man total kaputt, aber dann gewöhnte man sich ans Pensum.“ Wir sitzen in ihrem eher nüchternen Wahlkreisbüro im Saarbrücker Garellyhaus. Hübinger ist eine agile Person, eine Frau auf Zack, und wenn sie ihre Arbeitswoche und Arbeitsmethodik  skizziert, tritt das Bild einer disziplinierten Hochleistungssportlerin vor das innere Auge. Da hat eine,  wie es scheint, hohe Ansprüche an sich und an die Demokratie. „Ich durchdenke gerne alles sehr gründlich“, sagt Hübinger, die in Berlin in Ausschüssen die Themen Entwicklungszusammenarbeit, Haushaltpolitik und Wissenschaft betreute. Besonders am Herzen liegt ihr die Gesundheitsforschung zu „armutsbedingten Krankheiten“. Klingt abstrakt? Antibiotika-Resistenzen gehen uns alle an. „Wenn man sich in Berlin Nischen sucht, kann man sehr viel erreichen“, sagt sie. Mit ethischen Fragen, etwa zur Sterbehilfe, habe sie sich aber immer besonders schwer getan. Hübingers Skepsis gegenüber Schnellschüssen ist wohl auch der Hauptgrund,  warum die CDU-Abgeordnete die „langen Linien“ in der Politik vermisst, Grundsatzdebatten zum Thema „Wie soll unsere Gesellschaft in 25 Jahren aussehen? Wie können wir den Wohlstand halten?“. Vermutlich erklärt ihre ausgeprägte Sachlichkeit auch, warum man Hübinger zu den Unauffälligen und Leisen im Polit-Betrieb zählt, obwohl sie im Vorstand des CDU-Kreisverbandes und im  CDU-Landesvorstand arbeitete und sogar spektakuläre Siege einfuhr. 2009  und 2013 holte sie  für die CDU im Bundestagswahlkreis Saarbrücken ein Direktmandat – gegen die als unschlagbar geltende Elke Ferner (SPD).

Und jetzt? „Kein Mandat, keine Funktion mehr“, sagt sie. „Ich bin wieder dort, wo ich startete,  im Ortsverband Schafbrücke, als Beisitzerin.“ Hübinger freut sich auf das, was lange zu kurz kam: Gartenarbeit und groß kochen. Ihr Mann, ein bestens beschäftigter Rechtsanwalt, mache sicher noch ein paar Jahre weiter, aber sie könne sich sehr gut selbst beschäftigen. „Trubel hatte ich genug in Berlin.“ Und eine seltene Chance, die sie nutzte:  „Ich konnte im Alter, in dem andere eher bremsen, nochmal eine große Persönlichkeitsentwicklung machen.“

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