Gesetzes-Initiative Hakenkreuz-Händler bleiben ungeschoren

Saarbrücken/Berlin · Die CDU/SPD-Landesregierung wollte 2017 den Hakenkreuz-Handel unter Strafe stellen lassen. Doch der Vorstoß liegt im Bundesrat auf Eis.

 Ein Orden mit Hakenkreuz (unter dem Adler) von den Olympischen Spielen 1936 in Berlin (links) und daneben Eiserne Kreuze. Auf Flohmärkten werden bis heute Nazi-Devotionalien verkauft.

Ein Orden mit Hakenkreuz (unter dem Adler) von den Olympischen Spielen 1936 in Berlin (links) und daneben Eiserne Kreuze. Auf Flohmärkten werden bis heute Nazi-Devotionalien verkauft.

Foto: picture alliance / Robert Newald/dpa Picture-Alliance / Robert Newald

Anfang März 2017 hat die damalige CDU-Ministerpräidentin Annegret Kramp-Karrenbauer einen Gesetzesantrag im Bundesrat eingebracht, um den bisher nicht unter Strafe stehenden Handel mit Hakenkreuz-Orden, so genanntem „Lagergeld“ aus NS-Konzentrationslagern und weiteren NS-Andenken künftig unter Strafe zu stellen.

Auslöser dieses Vorstoßes war der Handel des damaligen AfD-Landtagskandidaten Rudolf Müller gewesen. Das jetzige AfD-Landtagsmitglied Müller hatte in seinem damaligen Antiquitäten-Geschäft am St. Johanner Markt in Saarbrücken Hakenkreuz-Orden und „Lagergeld“ aus dem KZ Theresienstadt verkauft. Die Saarbrücker Staatsanwaltschaft hatte Ende Februar 2017, einen Monat vor der Landtagswahl, bei der die Saar-AfD mit drei Parlamentarieren erstmals in den Saar-Landtag einzog, die Ermittlungen gegen Müller wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen eingestellt. Er habe zwar in seinem Antiquitätengeschäft Orden mit Hakenkreuzen und Geldscheine aus der NS-Zeit verkauft, so die Staatsanwaltschaft damals. Er habe sich damit aber nicht strafbar gemacht.

Ein Verstoß sei nicht nachweisbar gewesen, weil der Beschuldigte die Orden mit den verbotenen Kennzeichnen nicht einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht, sondern nur einzelnen Personen verkauft habe. Auch habe er die NS-Symbole nicht öffentlich verwendet. „Die Darbietung gegenüber einzelnen Käufern“ genüge nicht, um straffällig zu werden. Zudem habe er die Orden in der Vitrine so gelagert, dass man das Hakenkreuz erst durch Umdrehen habe erkennen können. Dennoch hatte die damals von Frauke Petry geführte Bundes-AfD scharfe Kritik an Müllers Geschäftsgebaren geäußert und ihm den Parteiaustritt nahegelegt.

Im Gesetzesvorstoß der CDU/SPD-Landesregierung beim Bundesrat von März 2017 heißt es: „Besorgniserregend ist, dass sich für solche Gegenstände in den letzten Jahren ein florierender Markt entwickelt hat. Auf Auktionen, Flohmärkten sowie in Antiquitätengeschäften werden beispielsweise für Orden, Militaria und ähnliche Gegenstände mit Bezug zum Nationalsozialismus hohe Preise erzielt.“ Um dem Schutzzweck des Paragrafen 86a des Strafgesetzbuchs zu genügen, nämlich eine Wiederbelebung verfassungswidriger Organisationen und deren der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und der Völkerverständigung feindlich gesinnte Bestrebungen zu verhindern, müsse jeder Verharmlosung oder Verherrlichung von nationalsozialistischen Organisationen und deren Repräsentanten entgegengetreten werden, heißt es in der Begründung. „Es darf auf keinen Fall der Eindruck entstehen, dass eine Verhöhnung von Opfern der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft toleriert wird“, schreiben die Autoren der Saar-Staatskanzlei unzweideutig.

Schließlich begründe der öffentliche Handel mit sogenannten „NS-Devotionalien“ nicht nur die Gefahr einer Verherrlichung nationalsozialistischer Organisationen, sondern sei auch geeignet, die Würde der Opfer der national-sozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft zu verletzen, etwa wenn es um den Verkauf von Gegenständen gehe, die einen besonderen Bezug zu den Opfern des nationalsozialistischen Regimes und deren Leidensgeschichte aufwiesen. In diesem Zusammenhang sei der Handel mit sogenanntem „Lagergeld oder Ghettogeld“ zu nennen, das in einigen Konzentrationslagern an die KZ-Häftlinge ausgegeben wurde und das der Enteignung der Betroffenen sowie der Fluchtverhinderung diente. „Es erscheint nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch strafwürdig, wenn durch einen Handel mit entsprechenden Geldscheinen die damals hiermit verbundene Entwürdigung und Enteignung der Opfer des nationalsozialistischen Regimes heute kommerzialisiert wird“, so die damalige Kramp-Karrenbauer-Regierung.

Doch kurz nach der Landtagswahl 2017 scheint das Interesse an einer Strafverschärfung für die Hakenkreuzhändler bei der CDU/SPD-Landesregierung eingeschlafen zu sein. „Die Gesetzes-Initiative des Saarlandes ist tatsächlich damals immer wieder vom Rechtsausschuss vertagt worden. Zuletzt bis zum Wiederaufruf“, sagte Bundesrats-Pressesprecherin Beatrice Kleinert der SZ auf Anfrage. Das heiße, irgendein Bundesland müsse jetzt beantragen, dass die Vorlage des Saarlandes wieder auf die Tagesordnung des Rechtsausschusses des Bundesrats gesetzt werde. „Das ist noch nicht erfolgt“, sagte Kleinert. In der Regel sei es Aufgabe des Saarlandes, den Antrag auf Wiedervorlage zu stellen.

Eine Sprecherin der Saar-Staatskanzlei erklärte auf SZ-Anfrage, dass die Beratungen im Länderkreis noch nicht abgeschlossen seien.

Auf die abschließende Behandlung des Gesetzesvorstoßes, den Handel mit Nazi-Orden strafbar zu machen, wartet auch der neue Beauftragte für Jüdisches Leben im Saarland und gegen Antisemitismus, Professor Roland Rixecker (SPD). In einem Schreiben an den jüdischen Mitbürger Gilbert Kallenborn aus Dillingen, der mehrfach auf den seines Erachtens illegalen Hakenkreuz-Handel im Saarland aufmerksam gemacht und Rixecker deshalb angeschrieben hatte, machte der Antisemitismus-Beauftragte darauf aufmerksam, dass die Strafbarkeit bisher gesetzlich eng begrenzt sei.

Dabei geht der Handel mit Nazi-Abzeichen im Saarland ungebremst weiter. Zwar hat Müller sein Antiquitätengeschäft inzwischen geschlossen. Doch die Polizei in Saarlouis erreichte am 13. Januar 2019 eine Strafanzeige Kallenborns. Dieser hatte beobachtet, wie ein französischer Händler auf dem Flohmarkt vor dem Globus in Saarlouis Nazi-Orden anbot. Einer der neun ausliegenden Hakenkreuz-Orden sei nicht abgeklebt gewesen, stellte die Polizei fest.

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