Bildung Informatik an Schulen eingedampft

Saarbrücken · Das Saarland versteht sich als „IT-Hotspot“. Doch an den Schulen wurde die Stundenzahl der Informatik-Grundkurse halbiert. Professoren, Lehrer und IT-Experten sehen das mit Sorge.

 Neuerdings können Schüler im Saarland Informatik zwar auch als Leistungskurs belegen, allerdings fürchten Kritiker, dass ein solcher Kurs nur an wenigen Schulen zustande kommen wird. Die Unterrichtsstunden der Informatik-Grundkurse werden hingegen reduziert.

Neuerdings können Schüler im Saarland Informatik zwar auch als Leistungskurs belegen, allerdings fürchten Kritiker, dass ein solcher Kurs nur an wenigen Schulen zustande kommen wird. Die Unterrichtsstunden der Informatik-Grundkurse werden hingegen reduziert.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Im Saarland ballt sich die IT-Kompetenz: Renommierte Forschungseinrichtungen wie das Cispa-Helmholtzzentrum für IT-Sicherheit, das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz und das Max-Planck-Institut für Informatik haben hier ihren Sitz. Die Landesregierung wirbt gerne mit dem Image als „IT-Hotspot“, erklärt das Land zum „Silicon Saarland“.

Gleichzeitig hat das Bildungsministerium die Unterrichtsstunden im Informatik-Grundkurs in der gymnasialen Oberstufe halbiert. Nach drei Jahren des Ringens einigte sich die große Koalition im April auf eine Reform der Oberstufe, die viel Gutes mit sich bringt. Vor allem haben die Schüler nun eine größere Auswahl. Allerdings: In der Informatik konnten sie bislang zwischen einem vier- und einem zweistündigen Grundkurs wählen. Ab diesem Schuljahr gibt es nur noch zweistündige Kurse.

„Das Ganze ist nicht nur peinlich, sondern absurd“, findet Timo Gros. Er ist Landesvorsitzender des Rings Christlich-Demokratischer Studenten und promoviert in Informatik. „Das Saarland will als IT-Standort wahrgenommen werden, torpediert sich durch die Oberstufenreform aber selbst.“ Gros ist nicht der Einzige, der die Neuerung kritisch sieht. Auch der Innovationsbeauftragte des Landes, Ammar Alkassar, ist der Ansicht: „Das passt nicht zusammen.“ Das Saarland wolle sich schließlich als Informatikland profilieren. „Es wäre wichtig, diesen Anspruch auch an den Schulen abzubilden.“ Selbst Frank Wagner, bildungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag, räumt ein, die Reform sei in diesem Punkt „nicht glücklich“ gelaufen.

Zwar kann Informatik neuerdings auch als Leistungskurs mit fünf Stunden pro Woche belegt werden. Allerdings bezweifeln Kritiker, dass der Leistungskurs an vielen Schulen zustande kommt. Gros schätzt, dass sich höchstens an drei Schulen genug Interessenten finden werden. „In der Summe verlieren die Schüler den Kontakt zur Informatik. Insofern ist der Leistungskurs nur ein bitterer Trostpreis.“ Gros ist überzeugt, dass sich künftig weniger Schüler im Saarland für ein Informatikstudium entscheiden werden.

Für das Studium braucht man Professor Sebastian Hack, Dekan der Fakultät für Mathematik und Informatik an der Universität des Saarlandes, zufolge prinzipiell keine Vorkenntnisse, aber: „Es wäre hilfreich, wenn eine breite Informatik-Grundbildung vorhanden wäre. Dann hätten die Studenten weniger Schwierigkeiten, und man könnte im Studium andere Schwerpunkte setzen.“ Auch Hack sieht die Stunden-Kürzung kritisch: Es gehe ja auch darum, die Schüler, und vor allem die Mädchen, für Informatik zu begeistern. „Mit mehr Unterrichtsstunden könnte man auch mehr Inhalte jenseits der Programmierung besprechen. Denn gerade im technischen Bereich sind es meist die Jungs, die Vorkenntnisse haben, was auf Mädchen oft abschreckend wirkt.“

Auch Stefan Strobel, Informatiklehrer am Gymnasium am Rotenbühl und Dozent für Fachdidaktik an der Uni, hat Zweifel, ob die Schüler in Zukunft noch genauso gut gerüstet in ein Informatikstudium starten können wie bisher: „Wir müssen abwarten, wie es läuft. Aber ich fürchte, wenn die Hälfte des Unterrichts gestrichen wird, kann man die Schüler nicht mehr so gut auf das Studium vorbereiten.“

Das Bildungsministerium erklärt, man sei an die Vorgaben der Kultusministerkonferenz für die Stundentafeln gebunden. Und die ließen eben nur noch zweistündige Informatik-Grundkurse zu. Die Kritiker plädieren dafür, die Informatik mit den Naturwissenschaften gleichzustellen und wenigstens drei- statt zweistündige Grundkurse anzubieten. Bislang steht die Informatik auf einer Stufe mit Fächern wie Kunst, Musik und Religion.

Professor Michael Backes, Gründungsdirektor des Cispa-Helmholtzzentrums, denkt in der Debatte schon einen Schritt weiter: „Nur die Oberstufe zu betrachten, wäre zu kurz gegriffen. Wir sollten in der heutigen Zeit mit all ihren Anforderungen und Chancen das große Ganze betrachten.“ Deswegen sei er für die Einführung eines Pflichtfachs „Computing“ ab der ersten Klasse.

Genau daran arbeitet die CDU-Fraktion laut ihrem bildungspolitischen Sprecher Frank Wagner derzeit gemeinsam mit dem Helmholtzzentrum „mit Hochdruck“: „Es ist wichtig, damit schon in der Grundschule zu beginnen, wie zum Beispiel in England.“ Je früher die Kinder den Umgang mit digitalen Technologien lernten, desto besser seien sie für ihr späteres Leben in der digitalen Welt gerüstet.

Der Innovationsbeauftragte Alkassar hält das für eine gute Idee, unabhängig davon, ob die Schüler später Informatik studieren möchten oder nicht: „Es geht nicht darum, den Umgang mit IT oder banales Programmieren zu lernen. Es geht um eine grundsätzliche Kulturmethodik, um abstraktes Denken. Das braucht man nicht nur für Informatik, sondern auch für andere Studiengänge.“

Beim SPD-geführten Bildungsministerium hält man von dem CDU-Vorstoß offenbar wenig. Ein Schulfach „Computing“ sei derzeit nicht vorgesehen, erklärt ein Sprecher. „Wir sehen den Umgang mit dem Computer und Medien vielmehr als Querschnittsaufgabe.“ Deshalb arbeite man gerade an einem Basiscurriculum Medienbildung, das im Frühjahr 2019 vorgestellt werden soll und einen „umfassenderen Ansatz als ,Computing’“ habe.

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