Saartalk Lafontaine: „Die SPD wird weiter absacken“

Wie der Fraktionschef der Saar-Linken und Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) über Rot-Rot, Martin Schulz und Investitionen denken.

Linksfraktions-Chef Oskar Lafontaine (links) und Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) im Gespräch mit SR-Chefredakteur Norbert Klein und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst. Foto: Oliver Dietze

Linksfraktions-Chef Oskar Lafontaine (links) und Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) im Gespräch mit SR-Chefredakteur Norbert Klein und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Der Saartalk ist ein gemeinsames Format von Saarländischem Rundfunk und Saarbrücker Zeitung. Diesmal stellten sich Wirtschaftsministerin und Vize-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) und Oskar Lafontaine, Fraktionsvorsitzender der Linken im Landtag, den Fragen von SR-Chefredakteur Norbert Klein und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst. SZ-Redakteur Johannes Schleuning hat das Gespräch in Auszügen dokumentiert.

Herbst: Bei der Landtagswahl erhielt Rot-Rot eine klare Absage. Weshalb ist Rot-Rot bei den Wählern so wenig beliebt?

LAFONTAINE Rot-Rot hat hier mehr Stimmen als die CDU, da wäre die CDU also noch unbeliebter. (…) Frau Kraft in NRW hat Rot-Rot immer ausgeschlossen. (…) Ich kann nur sagen, mit dieser Strategie landet die SPD immer in der großen Koalition - und wird weiter absacken. Ich sage das mal ganz klar als ehemaliger SPD-Vorsitzender.

Klein: Welche Kernbotschaft von Martin Schulz haben die Medien übersehen?

REHLINGER Ich glaube, dass er vor allem zwei große Themen gesetzt hat. Das ist, das Thema soziale Gerechtigkeit nochmal in den Fokus zu rücken . . .

Klein: Nicht sonderlich originell für einen Sozialdemokraten, oder sehe ich das falsch?

REHLINGER Ja, aber es ist ihm gelungen, es deutlich prominenter zu platzieren als dies in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Und das Zweite ist das Thema Respekt. Was man nicht unterschätzen soll, dass die Menschen sich in ihrer Lebensleistung verstanden und respektiert fühlen. Das allein ist noch nicht ausreichend, aber ich finde, es ist ein kluger und sehr sinnvoller Einstieg. Da drunter müssen natürlich jetzt auch Themen geliefert werden. Aber es ist nun mal in einer Partei so, dass dafür Parteitage erstmal tagen müssen, damit das Programm geschrieben wird. Es ist alles ein Stück weit auf der Zeitachse verschoben (…), und dann wird das kommen. (…) Ich glaube aber, dass man nicht Gefahr laufen sollte zu glauben, dass soziale Gerechtigkeit ausschließlich über Umverteilung organisiert wird, sondern auch das Thema Leistungsgerechtigkeit hat dort seinen Ursprung sowie das Thema Bildungsgerechtigkeit. (…)

Herbst: Trotzdem scheint doch irgendetwas zu fehlen bei Martin Schulz?

LAFONTAINE Aus meiner Sicht hätte er Außenminister werden müssen. Er hätte jetzt die Bühne der Welt. (…) Wie hat Brandt beispielsweise seinen ersten Wahlsieg erreicht? Weil er ein renommierter Außenminister war. Der Posten ist einer, mit dem fast alle an Ansehen gewonnen haben. Gerade jetzt, wo die Europafrage so virulent ist, wo das Verhältnis zu Russland so virulent ist, wo sich das Verhältnis zu den USA destabilisiert, könnte er als Außenminister enorm punkten. Ich halte das für einen gravierenden strategischen Fehler. (…)

Klein: Was ist ihre Hauptkritik am neuen Koalitionsvertrag von CDU und SPD?

LAFONTAINE Die Hauptkritik ist nicht das Vertragswerk, sondern dass das finanzielle Problem des Landes nicht gelöst ist. (…) Warum hat der Seehofer bei den Bund-Länder-Finanzverhandlungen über eine Milliarde gekriegt? Wo Bayern doch ohnehin mit Geld gesegnet ist. (…) Und dieser Fehler der Landesregierung führt zu einem weiteren Jahrzehnt der Unterfinanzierung. (…) Das Land fällt weiter zurück.

Herbst: Dass erst ab 2020 wieder richtig investiert werden soll, kommt bei vielen Wählern nicht so an - nach dem Motto: Wieder drei verschenkte Jahre in diesem Land.

REHLINGER Nein, es gibt eine Vielzahl von Regierungsprojekten, die auch unmittelbar umgesetzt werden. (…) Der Eindruck, der hier versucht wird zu erwecken, dass vor dem Jahr 2020 in diesem Land nichts passiert, ist gänzlich falsch.

Zum Thema:

Anke Rehlinger (41) ist Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr und stellvertretende Ministerpräsidentin. Zuvor war sie Ministerin der Justiz und Ministerin für Umwelt und Verbraucherschutz. Zur Landtagswahl im März trat sie als Spitzenkandidatin für das Amt der Ministerpräsidentin an, erreichte mit der Saar-SPD aber nur 29,6 Prozent. Oskar Lafontaine (73) ist Fraktionschef der Linken im Landtag. Er war von 1985 bis 1998 SPD-Ministerpräsident und von 1995 bis 1999 SPD-Chef. Im März 1999 legte er alle politischen Ämter nieder. 2005 wechselte er zur neu gegründeten WASG, die später in der Linkspartei aufging.

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