Serie „Saartalk“ „Wir werden nicht mehr gut regiert“

Saarbrücken · Sportlerin Laura Müller, Verleger Charly Lehnert und Schriftsteller Alfred Gulden über das Saarland, den LSVS-Skandal und Oskar Lafontaine.

  Der Saartalk im Studio 2 des SR: Schriftsteller Alfred Gulden, Sportlerin Laura Müller, Verleger Charly Lehnert, SR-Chefredakteur Norbert Klein und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst (v.l.).  

Der Saartalk im Studio 2 des SR: Schriftsteller Alfred Gulden, Sportlerin Laura Müller, Verleger Charly Lehnert, SR-Chefredakteur Norbert Klein und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst (v.l.).  

Foto: BeckerBredel

Der Saartalk ist ein gemeinsames Format von SR und SZ. Diesmal stellten sich die Spitzenathletin Laura Müller, der Schriftsteller Alfred Gulden und der Verleger Charly Lehnert den Fragen der Chefredakteure Norbert Klein (SR) und Peter Stefan Herbst (SZ). Tobias Keßler hat das Gespräch in Auszügen dokumentiert.

HERBST Laura Müller, Sie reisen zu unzähligen internationalen Wettkämpfen, nach Brasilien, Südafrika, demnächst nach Japan und Katar. Was vermissen Sie besonders, wenn Sie nicht im Saarland sind?
MÜLLER Dass man sich selbst Essen kocht. Das Hotelessen wird irgendwann sehr einseitig für mich, und dann vermisse ich, selbst am Herd zu stehen und mir etwas zu kochen – und ich vermisse natürlich meine Familie.

KLEIN Herr Gulden, Sie leben mal im mondänen München, mal in Wallerfangen – wie passt das zusammen?

GULDEN Das passt schon seit über 50 Jahren gut zusammen, nicht nur weil meine Frau Münchnerin ist, sondern weil ich das von Anfang an gebraucht habe: Identität und Distanz – weg zu sein. Man kann kann dann mit einem fremden Blick hierher gucken oder von hier dorthin gucken. Ich habe immer eine Sehnsucht: Wenn ich in München im Biergarten sitze,  denke ich, dass ich jetzt gerne auf dem Balkon in Wallerfangen sitzen und auf die Alte Saar schauen würde. Deswegen sagt meine Frau auch immer, dass ich nie zufrieden bin.

KLEIN Herr Lehnert, Sie geben die Zeitschrift „Nemmeh dehemm“ heraus, für Saarländer, die nicht mehr im Saarland leben. Welche Botschaften liefern Sie da?

LEHNERT Ich sag es offen – am Anfang war „Nemmeh dehemm“ auch ein Promotion-Organ zur Bewerbung meiner Bücher. (...) Aber die Zeitschrift hat mir auch Verbindungen geschaffen zu Exil-Saarländern, wodurch ich viele Erfahrungen sammeln konnte zum Thema Heimat. (...) Nur wenige Exil-Saarländer träumen von der alten Heimat, denn sie haben eine neue Heimat gefunden. (...) Heimat ist ja nicht ein Ort. Ich hatte immer schon einen zweiten Standort gehabt, hatte einen Fuß außerhalb des Tellerrandes.

HERBST Bei Ihnen, Herr Gulden, gingen der Blick und die Reisen über den Tellerrand hinaus in die USA. Hat sich Ihr Verhältnis zu dem Land verändert, seit Donald Trump Präsident ist?

GULDEN  Ich habe damals eine Wette verloren, weil ich dachte – wie viele – dass Trump niemals Präsident werden könne. (...) Als er gewählt wurde, habe ich einen Satz gehört, den ich nie vergessen werde: Amerika, das sind nicht die großen Städte im Osten und im Westen, sondern das große Land dazwischen – und das kennen wir ja gar nicht.

KLEIN Frau Müller, Sie sind ja sehr oft in den USA – spürt man da eine Veränderung der Atmosphäre? Ist das überhaupt ein Thema unter Sportlern?

MÜLLER  Das ist natürlich ein Thema, weil wir auch politisch interessiert sind. Aber wir äußern uns nicht zur Politik, weil das nicht unser Themengebiet ist. Ich finde schon, dass sich das Land verändert hat. Als Trump an die Regierung kam, war erstmal jeder geschockt. Die Stimmungslage ist angespannter als früher.

GULDEN Ich finde, das Sport und Politik ungeheuer viel miteinader zu tun haben. Denken Sie an die Fußball-WM in Russland, denken Sie an den nächsten Ort der Olympiade. Sport und Politik haben eine viel zu unheilvolle Hochzeit geschlossen, das sollte man nicht vergessen.

HERBST Wie haben Sie, Frau Müller, denn den Finanzskandal um den Landessportverband für das Saarland (LSVS) erlebt?

MÜLLER Das hat mich natürlich sehr verunsichert. Man hat ja viel gelesen und auch gehört, dass es viel Unzufriedenheit gab und dass Leute entlassen wurden, die man selbst kannte. Aber man hat sich mit uns zusammengesetzt und nochmal die Lage erklärt, auch mit dem neuen LSVS-Präsidium, und da wurden uns schon einige Ängste genommen. Der Verband machte uns klar, dass er uns hier halten und uns gute Möglichkeiten bieten will. Das hat mir damals geholfen.

HERBST Herr Lehnert, was gefällt Ihnen heute an der aktuellen Landespolitik, was gefällt Ihnen nicht?

LEHNERT Ich finde, wir werden nicht mehr gut regiert. (...) Bis 1999 wurden wir von Saarbrücken aus regiert, danach vom Land aus. Die ganze regionalkulturelle Landschaft wurde geprägt in der Zeit vor 1999. Theaterfestivals, das Filmfestival, die Restaurierung des Saarbrücker Schlosses, die ganze kulturelle Landschaft wurde geprägt in der Ära von Oskar Lafontaine. Man muss nicht mit allem einverstanden sein, aber es gehört zu Lafontaines  Lebensleistung. In der Zeit danach vermisse ich die Entwicklung von Visionen, es werden keine kulturellen Impulse gesetzt – da sind wir im Saarland ärmer geworden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort