Interview mit Ulrich Commerçon „Wir verstehen uns persönlich prächtig“

Saarbrücken · Kultusminister Commerçon äußert sich zur Affäre Grewenig. Er hat schon einen neuen Kandidaten für die Völklinger Hütte im Auge.

 Kultusminister Ulrich Commerçon tritt dem Eindruck entgegen, Weltkulturerbe-Chef Grewenig sei „abgeschossen“ worden.

Kultusminister Ulrich Commerçon tritt dem Eindruck entgegen, Weltkulturerbe-Chef Grewenig sei „abgeschossen“ worden.

Foto: Iris Maria Maurer

Ende Juni verlässt Meinrad Maria Grewenig nach rund 20 Jahren den Posten des Generaldirektors der Völklinger Hütte. Geht er im Unfrieden? Kultusminister Ulrich Commerçon (SPD) tritt diesem Eindruck entschieden entgegen.

Geben Sie uns Auskunft über die Vorfälle, die aus dem Aufsichtsrat berichtet wurden?

COMMERÇON Dazu ist von mir mit Herrn Grewenig alles besprochen und das in sehr freundschaftlicher Atmosphäre. Ich werde das nicht öffentlich kommentieren.

Freundschaftlich? Sie verstehen, dass da eine Diskrepanz zu dem auftaucht, was recherchiert wurde?

COMMERÇON Nein, das verstehe ich nicht. Weil ich meine Aufgabe als Kulturminister wahrnehme und trenne von persönlichen Sympathien. Herr Grewenig und ich  sind seit eineinhalb Jahren Duzfreunde. Das wird von manchem kritisch gesehen. Wir verstehen uns persönlich prächtig. Ich habe aber einen Amtseid auf die Verfassung des Saarlandes geleistet und er verpflichtet mich, im Interesse des Landes nach vorne zu handeln.

Trotzdem entstand der Eindruck, Grewenig sei durch Indiskretion vorsätzlich abgeschossen worden.

COMMERÇON Der Eindruck ist völlig falsch. Es gab keinen Vorsatz, ihn „abzuschießen“. Es hat Gespräche gegeben, ob man sich für die Zukunft auf eine gemeinsame Basis verständigen kann. Dazu hat es keine Verständigung gegeben. Deshalb bleibt es dabei, was vertraglich vereinbart war. Sein Vertrag endet Ende Juni.

Woran scheiterte die Verständigung?

COMMERÇON  Es waren mehrere Themen. Verhandlungen  bestehen nie nur aus einer Dimension. Am Schluss war eindeutig, dass es in der Komplexität für die nächsten Jahre keine Basis dafür gibt, einen neuen Vertrag auszuhandeln.

Die Zerwürfnisse mit dem Aufsichtsrat,  die  Missbilligung – welche Rollen hat das gespielt? Diese Kritik an Grewenig als Geschäftsführer  wird in der Öffentlichkeit als Hauptgrund wahrgenommen, warum es mit ihm nicht weitergeht.

COMMERÇON  Das ist Spekulation. Die Wahrheit ist, es gab für die Zukunft keine gemeinsame Basis. Ich neige nicht dazu, in der Vergangenheit herumzuwühlen, sondern daran zu denken, was zukünftig gut für die Gesellschaft ist.

Heißt das, Herr Grewenig war jetzt nicht mehr der richtige Mann in dieser Position?

COMMERÇON  Ich bin der festen Überzeugung, dass der Kulturbereich vom Wechsel lebt, nicht nur personell, auch programmatisch.  Herr Grewenig ist fast 20 Jahre im Amt, das ist für eine  bedeutende Kulturinstitution eine enorm lange Zeit.

Sie haben Lust auf Neues in Völklingen? Herr Grewenig hat ja eine sehr festgefahrene Linie gehabt. Das heißt also jetzt: weniger Glitzer und Gold?

COMMERÇON Ja klar. Ich habe vor allem Lust, zu erfahren, welche neuen Impulse andere setzen können. Damit stelle ich nicht die Arbeit der Vergangenheit in Frage. Herr Grewenig hat sich enorme Verdienste um das Saarland erworben. Es ist ein guter Zeitpunkt, jetzt zu sehen, welche verschiedenen Konzepte es noch geben kann. Spannende Ausstellungen müssen nicht immer mit Gold zu tun haben. Wir werden in Völklingen zwei Dinge brauchen. Es muss weiterhin   große Ausstellungen als Publikumsmagneten geben, das ist tourismuspolitisch eine Notwendigkeit, aber auch, um den Ort ordentlich zu bespielen. Auch die Hütte als Ort der Arbeit  kann ein wichtiger zusätzlicher Impuls sein. Das ist in den letzten Jahren schon begonnen worden, sollte aber ausgebaut werden. Wir müssen das Weltkulturerbe auch dauerhaft erhalten. Man ist nie mit dem Sanieren fertig, das ist eine harte Daueraufgabe. Dabei müssen wir im Blick haben, dass es sich um ein Unesco-Weltkulturerbe handelt. Das ist eine große Verpflichtung. Ein weiterer Aspekt ist die Finanzierung.

... die 2020 in der bisherigen Form ausläuft, was die Bundesmittel angeht.

COMMERÇON Genau darum wird es auch gehen, den Bund nicht aus der Verantwortung zu lassen. Es wird Anschlussfinanzierungen geben müssen, die einer anderen zusätzlichen Begründung bedürfen, die wir auch werden liefern können. Und es könnte auch zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten geben.

Wie stellen Sie sich die Interimslösung vor?

COMMERÇON Ich habe mit dem Ministerpräsidenten und seiner Stellvertreterin vereinbart, dass wir eine Arbeitsgruppe  konstituieren, die sich ressortübergreifend überlegt, was konkret zum Stellenprofil gehört und was zur Weiter­entwicklung der Völklinger Hütte beiträgt.  Es gibt einen ersten Entwurf, den wir noch nicht veröffentlichen werden. Wir werden uns ein paar Wochen Zeit nehmen.

Wie sieht das Zeitfenster für die Übergangszeit aus? Wie lange können und wollen Sie überbrücken?

COMMERÇON Das Programm steht bis Mitte nächsten Jahres, mit einer Ausstellung, die Herr Grewenig noch kuratiert, und es gibt die Urban Art Biennale. Wir entwickeln aber auch noch verschiedene andere Dinge. Das Jahr 2019 werden wir nutzen können, um die Auflagen der Unesco-Aufsichtsbehörde ICOMOS zu erfüllen. Es bringt nichts, spannende Ausstellungen zu machen an einem Ort, der plötzlich den Welterbe-Status verlieren könnte. Das sehe ich zwar nicht als konkrete Bedrohung, aber wir müssen uns kümmern.  Man muss sich auch die Gesamtkonstellation in der Hütte anschauen. Vieles ist dort von Mitarbeitern mit auf den Weg gebracht worden, was von Herrn Grewenig vermarktet wurde. Mit diesen Mitarbeitern kann man ein gutes Programm 2020 entwickeln. Zu Beginn 2020 werden wir auch tatsächlich einen Nachfolger haben.

Wird es überhaupt einen erklärten Interimschef geben oder machen Sie das im Team?

COMMERÇON Wir machen das im Team. Wir brauchen für 2020 nur eine konkrete Planung aus den Ideen, die bereits vorliegen. Dann ist es nicht mehr die entscheidende Frage, ob jemand am 1.1.2020 oder am 1.6.2020 als Generaldirektor beginnen kann. Wir wollen jemanden finden, die oder der die bestmögliche Besetzung darstellt.

Haben Sie schon Kandidaten im Auge?

COMMERÇON Ja.

Die Ausschreibung erfolgt trotzdem?

COMMERÇON Man kann immer noch bessere Kandidaten finden als die, die man im Auge hat. Alles andere wäre fahrlässig.

Wann kommt die Ausschreibung?

COMMERÇON Ich nenne keinen Monat. Die Leute wissen, dass die Stelle frei wird.

Aber die Zahl derer, die das machen können, ist begrenzter als zum Beispiel im Theater.

COMMERÇON Das sehe ich anders. Es gibt, anders als bei Theaterintendanten, kein gesichertes Qualitätsprofil. Man wird zwangsläufig jemanden zum Generaldirektor machen, der noch nie eine Völklinger Hütte geleitet hat. Es gibt niemanden,  der sowas schon mal gemacht hat.  Auch Herr Grewenig war  zuvor kein Experte für die Hütte.

Wollen Sie in einem Teich fischen, den man üblicherweise nicht mit Industriekultur in Verbindung bringt? Ich denke da an Modelle wie bei der Berliner Volksbühne, die man dem Kunsthistoriker Dercon anvertraute – was allerdings schief ging. Sind solche unkonventionellen Lösungen im Gespräch?

COMMERÇON Es wird unkonventionelle Lösungen geben müssen, weil es keine Konventionen darüber gibt, wer Generaldirektor der Völklinger Hütte werden kann. Es gibt keine Gewohnheit. Deshalb ist die  Gruppe  viel größer  als gedacht.

Wie sieht die Vergütung aus? Wird der Vertrag deutlich abgespeckt?

COMMERÇON Einen Vertrag, wie Herr Grewenig ihn für sich ausgehandelt hatte, werde ich nicht aushandeln. Einen solchen Vertrag kann es nicht nochmal geben, das hat uns der Rechnungshof deutlich gesagt.

Wie sieht das Profil aus? Soll der Neue mehr Aufgaben übernehmen, als nur die Völklinger Hütte zu managen?

COMMERÇON Die Völklinger Hütte heißt Europäisches Zentrum für Industriekultur. Ich glaube nicht, dass Herr Grewenig bisher die Gelegenheit hatte, das programmatisch auszufüllen. Es wird sicher eine engere Verzahnung mit Aufgaben geben, die sonst noch in der Industriekultur vorhanden sind. Es gibt viele Bereiche, die mit gedacht werden müssen, auch grenzüberschreitend. Und Industriekultur  ist nicht nur Kohle und Stahl. Wir sind in der günstigen Situation, dass es insgesamt in der Industriekultur personelle Veränderungen geben wird, etwa auch bei der Industriekultur Saar GmbH. Es ist eine Zäsur, die wir nutzen.

Wenn Sie auf das zurückschauen, was mit Grewenig gelaufen ist, diesen Prozess der öffentlichen Scheidung ...

COMMERÇON Wir waren nicht verheiratet! Es war ein Vertrag, der vollumfänglich erfüllt wird  – von beiden Seiten.

Egal, wie Sie es nennen. Wenn Sie sich  anschauen, wie alles gelaufen ist in der Öffentlichkeit: Haben Sie alles richtig gemacht?

COMMERÇON Man macht nie alles richtig. Ich bin ein Mensch.

Was würden Sie anders machen?

COMMERÇON Ich hätte meinen Terminplan anders aufstellen und die Entscheidung früher finalisieren müssen.

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