Christliche Soziallehre Ältere im Job: Mehr Chance als Problem

DILLINGEn · Die Oswald-von-Nell-Breuning-Gedenkveranstaltung der KEB hat mit Forschungsergebnissen und Praxisbeispielen gezeigt, dass die Beschäftigung älterer Menschen in vielerlei Hinsicht vorteilhaft sein kann.

 Der Wirtschaftspsychologe Jürgen Deller (Universität Lüneburg) erläuterte in Dillingen die Auswirkungen des demografischen Wandels.

Der Wirtschaftspsychologe Jürgen Deller (Universität Lüneburg) erläuterte in Dillingen die Auswirkungen des demografischen Wandels.

Foto: Gerhard Alt/Gerhardf Alt

Die Lebenserwartung ist gestiegen, die Gesellschaft wird älter, und es kommen vergleichsweise wenig Kinder zur Welt. Dieser demografische Wandel bildet sich in den Unternehmen ab. Das muss kein Nachteil sein, sondern kann sich auszahlen und die Zufriedenheit älterer Beschäftigter fördern. In den Betrieben der Daimler AG ist dazu ein Programm aufgelegt worden, das bereits Erfolge zeigt. Somit konnte die „These“, wie der KEB-Vorsitzende Horst Ziegler bei der Begrüßung der rund 50 Gäste in der Stadthalle Dillingen den Titel „Mit Älteren geht’s besser!“ deutete, bestätigt werden. Die diesjährige Oswald-von-Nell-Breuning-Gedenkveranstaltung der Katholischen Erwachsenenbildung im Kreis Saarlouis widmete sich nämlich ausdrücklich den Chancen einer älter werdenden Gesellschaft für die Arbeitswelt. Gerade im Saarland, das laut Susanne Schwarz, Sozialdezernentin des Landkreises Saarlouis, im Bundesvergleich Schlusslicht bei der Beschäftigung von älteren Menschen sei, besteht dazu offenbar auch Anlass. In den letzten zehn Jahren sei das Alter aber „nicht mehr das überwiegend negativ besetzte Thema“.

Aus der Forschung berichtete der Wirtschaftspsychologie-Professor Jürgen Deller von der Universität Lüneburg. Er bestätigte: „Seit 180 Jahren steigt die Lebenserwartung nahezu linear, fast drei Monate pro Jahr.“

Die Erwerbstätigenzahlen seien so hoch wie nie zuvor, durch veränderte Studienordnungen beginne die Erwerbstätigkeit früher. Die Arbeitswelt brauche jedoch Veränderungen. „Viele Arbeitgeber sehen Ältere als weniger lernbereit, kreativ, flexibel und produktiv.“ Dies seien Vorurteile, wissenschaftliche Studien belegten, dass sie falsch seien.

Deller stellte klar: „Wir wissen, dass ältere Beschäftigte innovativ sind und sogar produktiver sein können als jüngere.“ Es komme nicht auf das Alter, sondern auf die Gestaltung von Arbeit an. In Befragungen hätten Menschen als Gründe für Erwerbstätigkeit im Rentenalter genannt: Spaß an der Arbeit, fit bleiben, Herausforderungen suchen, Wissen und Erfahrungen weitergeben. „Wie können wir diesen Menschen gerechter werden, ist die Frage, und damit sind wir auch nahe an dem Namensgeber dieser Veranstaltung, Nell-Breuning“, befand Deller. Dazu bedürfe es einer Organisationskultur mit altersdiversen Teams, offener Kommunikation und der Wertschätzung durch Führungskräfte.

Aus der betrieblichen Praxis bei der Daimler AG berichtete der Wirtschaftsjurist Torben Andrasch. Für 60 000 Mitarbeiter sei „weg von der Altersdefizithypothese“ ein Projekt mit dem Namen YES für „Englisch Young an Experienced together Successful“, eingerichtet worden, damit „Junge und Erfahrene gemeinsam erfolgreich“ seien.

Dazu gebe es Ausstellungen, Arbeitskreise, Teams und weitere Strategien, um nicht nur die verschiedenen Generationen besser zu integrieren, sondern durchaus auch Verbesserungen in den betrieblichen Abläufen bis hin zu besseren Produkten zu erreichen.

In der Diskussion äußerten mehrere Gäste Zweifel, ob wirklich viele Menschen länger arbeiten wollten. Deller meinte, dass dies je nach Beruf unterschiedlich sei. In Deutschland arbeiteten aber 1,5 Millionen Menschen mit Rentenbezug weiter. Skepsis, dass dies überhaupt möglich sei, räumte er aus: „Man kann auch Rente beziehen und weiter arbeiten.“ Am Schluss bemerkte Deller noch, dass schon viel erreicht worden sei, verbunden mit dem Hinweis: „Als das Rentenalter eingeführt wurde, von Bismarck, lag es bei 70 Jahren. Wer hat das erreicht? Fast niemand.“

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