Walz Wanderschaft fordert den ganzen Mann

Pachten · Zimmermann Mathias Loyo aus Dillingen verabschiedet sich für zwei Jahre und einen Tag zur Ausbildungsreise.

 Bei der Verabschiedungszeremonie für den Dillinger Zimmermann Mathias Loyo vor seinem Start zur Walz: Mathias Loyo (dritter von links) mit den Zunftbrüdern Sigmund Siegmund, David Lorentz, David Schiedendeck, Manuel Stein und Marco Müller.

Bei der Verabschiedungszeremonie für den Dillinger Zimmermann Mathias Loyo vor seinem Start zur Walz: Mathias Loyo (dritter von links) mit den Zunftbrüdern Sigmund Siegmund, David Lorentz, David Schiedendeck, Manuel Stein und Marco Müller.

Foto: Rolf Ruppenthal

Zimmerleute sind harte Gesellen. Ihr Beruf erfordert Physis und einen wachen Geist. Aber sie haben viel Herz unter ihrer harten Schale. Dazu pflegen sie ihre Traditionen, zum Teil schon seit Jahrhunderten. Auch Mathias Loyo (23) aus Dillingen schätzt diese Werte und geht deshalb auf die Walz – ganz so wie es die handwerkliche Zunft fordert. Am Freitagabend wurde er feierlich verabschiedet – beim Pachtener „Kult-Wirt Oskar“ .

Und da Mathias ein sehr geselliger Typ ist, der von vielen geschätzt wird, kamen viele Freunde und Bekannte. Standesgemäßer Höhepunkt des Abends bildete das Anpassen des Ohrrings, das „Ohrloch-Nageln“, so wie es seit Jahrhunderten bei den Zimmerleuten gepflegt wird. Zimmerleute sind eben harte Gesellen – in vielerlei Hinsicht. Marco Müller (23) aus Marburg und David Schiedendick (25) aus Roth in Franken – beide schon lange auf der Walz – waren eigens nach Dillingen gekommen, um ihren Zunftbruder „unter die Fittiche“ zu nehmen. „Schlitzohr, aufs Wort festnageln, das sind Begriffe die aus diesen Ritualen hervorgegangen sind“, erklärt Marco Müller, der Mathias Loyo die nächsten Wochen begleiten wird. „Wir alle leben noch, und keinem ist bis jetzt das Ohr abgefallen“, versichert David Schiedendick. Und auch Mathias Loyo ließ dieses Ritual in stoischer Ruhe über sich ergehen.

„Jesus war auch ein Zimmermann, war ebenfalls zu Fuß unterwegs und konnte sogar über Wasser gehen, – wir nicht“, führte er weiter aus. „Wir müssen dafür arbeiten“, erklärt der weitgereiste Zimmermanngeselle weiter.

„Fürs Vorwärtskommen und Übernachten dürfen wir kein Geld ausgeben“, nennt Marco Müller weitere Vorgaben für die Walz. „Alles alte Traditionen, seit über 850 Jahren, und deshalb auch Weltkulturerbe“, betont David Schiedendick und weist darauf hin, dass die Wanderschaft kein Zuckerschlecken ist und den ganzen Mann im Zimmermann erfordert. Die letzte Nacht durfte Mathias Loyo auch nicht mehr im eigenen Bett verbringen.

Zimmerleute, die auf die Walz gehen, müssen unverheiratet und unter 30 sein. Sie dürfen keine Kinder haben, nicht vorbestraft sein und dürfen keine Schulden haben, sind weitere Bedingungen. „Und trinkfest sollen sie sein“, flachst David Schiedendick. Zimmerleute auf der Walz sind im Berufsstand hoch angesehen. Sie sind in ganz Deutschland, ja sogar auf der ganzen Welt, herzlich willkommen, wenn sie bei einem Betrieb anklopfen, um sich mit ihrer Arbeit für eine bestimmte Zeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen. „Die deutschen Standards sind hoch und einzigartig auf der Welt“, versichert Marco Müller, „und deshalb sind wir mit unserem Können auch fast überall willkommen.“

„Manchmal ist es aber auch hart und durchaus entbehrungsreich“, erzählt Marco Müller weiter, „aber dafür kann man einzigartige Erfahrungen machen, die einen für das ganze Leben prägen. Als Junge geht man los, als Mann kehrt man heim, weltoffen und berufserfahren“, erklärt er abschließend. Ein Zimmermann darf übrigens auch kein Handy mitnehmen. „Anrufen darf er, aber ein Mobiltelefon geht gar nicht“, ergänzt David Schiedendick.

Mathias Loyo wird bei seiner Wanderschaft Tagebuch führen, alle Erlebnisse schriftlich festhalten. Ein „Wanderbuch“ ist ohnehin vorgeschrieben. Hier müssen sich alle Dienstherrn „von unterwegs“ eintragen.

Wohin der Weg einen Zimmermann auf der Walz führt, ist ungewiss. „Man geht einfach drauf los, auf gut Glück ins Blaue“, erklärt Marco Müller, den seine Wanderung schon durch die ganze Welt geführt hat. Mathias Loyo will in zwei Jahren und einem Tag wieder zurück in der Heimat sein. „Das Lokal ist bereits fest gebucht“, versicherte Wirt Oskar, der in einer feurigen Rede auf einem Stuhl stehend den „Wandergesellen“ in aller Form und übersprühender Herzlichkeit verabschiedete.

Neben der Familie, Freunden, Berufskollegen und vielen Bekannten waren auch die Pachtener Fußballer und der Musikverein Pachten gekommen, um Mathias Loyo eine gute und erfolgreiche Wanderschaft zu wünschen.

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