Frauenhaus Es war und ist ein harter Kampf

Saarlouis · Der Förderverein Frauenhaus Saarlouis unterstützt seit mehr als 30 Jahren die letzte Zuflucht für Frauen in Not.

 Solche Willkommenstüten im Frauenhaus Saarlouis finanziert der Förderverein.

Solche Willkommenstüten im Frauenhaus Saarlouis finanziert der Förderverein.

Foto: Nicole Bastong

Glücklich machen kann manchmal schon ein Tee. Oder ein Stück Schokolade. Wer die aus seiner Willkommenstüte zieht, hat eine harte Zeit hinter sich, und einen großen Schritt – den ins Frauenhaus. Wer hier ankommt, meist mit Kindern und leeren Händen, ist geflohen, vor Schlägen, Beschimpfungen, Demütigungen, Drohungen, wurde gewürgt, getreten, eingesperrt, entwürdigt.

„Wir versuchen, für die Frauen wieder ein Stück Normalität zu erlangen. Ein bisschen Glück, das verlorenging oder das manche auch noch nie hatten“, sagt Hanne Beyer-Wagner. Seit 2012 leitet sie das Frauenhaus Saarlouis. „Diese finanzielle Unterstützung ermöglicht viele Dinge, die sonst nicht möglich wären. Ohne Förderverein würden wir hier einiges vermissen.“

Dass ein Frauenhaus einen eigenen Förderverein hat, ist „überhaupt nicht typisch“, erklärt Sabine Grünwald, die Vorsitzende des Fördervereins. Den gibt es seit 1985, gegründet wurde er vorrangig, um überhaupt ein Frauenhaus in Saarlouis auf den Weg zu bringen, erst später wandelte sich der Vereinszweck in die dauerhafte Unterstützung.

Mitglied im Verein sind satzungsgemäß nur Frauen. „Männer dürfen spenden, können aber nicht Mitglied werden“, erklärt Grünwald. Auf Spenden und Mitgliedsbeiträge (30 Euro im Jahr) ist der Verein angewiesen. Mit Veranstaltungen bessern die Frauen gelegentlich die Kasse auf, etwa mit dem Flohmarkt in der Fußgängerzone oder auf dem Weihnachtsmarkt in Saarlouis.

Dass man einmal um eine Zuflucht für Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt werden, kämpfen musste, kann man sich heute kaum vorstellen. „Das war ein harter Kampf“, erinnert sich Grünwald und lacht, „Lokalpolitiker jeder Coleur waren skeptisch: ,Saarlouis braucht doch kein Frauenhaus’, war der Tenor.“ Doch 1986 kam es dann, erinnert sich Grünwald, die sich wie etwa die Hälfte der 40 Vereinsmitglieder von Anfang an für das Frauenhaus engagiert – und es wurde sehr gebraucht.

Dass Gewalt gegen Frauen kein Großstadtproblem ist und in allen sozialen Schichten vorkommt, hat sich in über 30 Jahren nicht geändert. Die 16 Plätze im Frauenhaus Saarlouis, das für den ganzen Landkreis und den Kreis Merzig-Wadern zuständig ist, sind fast immer komplett belegt. „Jede Frau bekommt, mit ihren Kindern, ein eigenes Zimmer“, berichtet Beyer-Wagner. Zu 98 Prozent ist das Haus ausgelastet. Auch ein Notzimmer gibt es inzwischen: „Wenn alle anderen Frauenhäuser dicht sind, kann hier noch jemand unterkommen.“

Die meisten Bewohnerinnen kommen aus der nahen Umgebung. „Sie wollen hier bleiben, haben ihr Umfeld“, weiß Beyer-Wagner. Im vergangenen Jahr lebten im Frauenhaus Saarlouis 40 Frauen und 45 Kinder. Wie lange sie bleiben, ist sehr unterschiedlich, im Schnitt sind es 50 Tage. „Wir bieten erstmal Schutz und eine sichere Umgebung“, sagt die Leiterin. „Die Frauen entscheiden selbst, wann sie wieder gehen.“

Sich erholen, wieder einen Alltag finden, ist das oberste Ziel. „Meist ist das ganze Leben kaputt, durch Gewalt oder was auch immer“, weiß auch Ursula Trappe, Opferanwältin und Beisitzerin im Verein. „Man hat den Frauen jahrelang gesagt: ,Ohne mich bist du nichts!’ Wir müssen sie erstmal aufbauen.“ Migrantinnen mit wenig Sprachkenntnissen oder Frauen, die sich vor Angst nicht mehr alleine raustrauen, brauchen dabei mehr Unterstützung.

Die Frauen fliehen immer vor Gewalt, betont Beyer-Wagner: „Durch den Partner, durch die Söhne, seltener auch mal durch die Eltern.“ Sind sie im Frauenhaus untergekommen, werden sie meist nicht in Ruhe gelassen. Weil die Adresse geheim ist, stünden die Männer zwar nicht vor der Tür. „Aber der Terror kommt übers Handy“, berichtet die Leiterin. „Wir raten deshalb gleich am Anfang: Besorgt euch eine neue Sim-Karte – auch damit ihr nicht geortet werden könnt. Das gehört zu unseren Sicherheitsregeln.“

Etwa 60 Prozent derer, die im Frauenhaus Schutz suchen, sind Migrantinnen, „das ist gleichbleibend“, sagt Beyer-Wagner. Etliche hatten noch nie eigenes Geld. Die Mitarbeiter helfen unter anderem dabei, Arbeitslosen- und Kindergeld zu beantragen. Einen Eigenanteil von 17 Euro am Tag müssen die Frauen im Haus zahlen. „Bei manchen gibt es da Finanzierungslücken“, berichtet Beyer-Wagner, „EU-Bürger, Asylsuchende mit ungeklärtem Status, Studentinnen nehmen wir auf und versuchen, die finanzielle Situation zu klären.“

Der Förderverein unterstützt unter anderem mit den Willkommenspaketen: Taschen, gepackt mit einigen Lebensmitteln und Toilettenartikeln für die ersten Tage. Eine männliche Honorarkraft, die sich regelmäßig mit den Kindern im Haus beschäftigt, zahlt der Verein ebenfalls: „Um den Kindern auch ein positives Männerbild zu vermitteln“, ergänzt Grünwald. Zudem finanziert der Verein Freizeitaktivitäten für die Frauen und ihre Kinder: Mal einen gemeinsamen Ausflug, ein Besuch im Kino oder Schwimmbad. Wer Weihnachten im Frauenhaus verbringt, erhält ein kleines Geschenk. Zieht eine Frau aus, gibt es eine kleine Umzugshilfe von 60 Euro. Und nicht zuletzt kann der Förderverein individuell in Notlagen helfen: etwa beim Eigenanteil für die kaputte Brille, bei den Büchern für den Sprachkurs.

 Der Vorstand des Fördervereins Frauenhaus Saarlouis nahm im Januar den Bürgerpreis der SPD Saarlouis entgegen (v.l.): Käthe Schmitt, Ursula Trappe, Rita Lesch, Sabine Grünwald, Hella Arweiler, Marlies Reimringer, Sabina Hartnack, Hanne Beyer-Wagner und Oranna Fuchs. Es fehlt Marion Ernst. 

Der Vorstand des Fördervereins Frauenhaus Saarlouis nahm im Januar den Bürgerpreis der SPD Saarlouis entgegen (v.l.): Käthe Schmitt, Ursula Trappe, Rita Lesch, Sabine Grünwald, Hella Arweiler, Marlies Reimringer, Sabina Hartnack, Hanne Beyer-Wagner und Oranna Fuchs. Es fehlt Marion Ernst. 

Foto: Peter Engstler

„Wir geben tatkräftige Unterstützung für das Frauenhaus“, fasst Grünwald zusammen. Und die Förderer versuchen, das Thema Gewalt gegen Frauen immer wieder ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Denn der Kampf ist noch lange nicht zu Ende: „Wir brauchen ein gesellschaftliches Bewusstsein“, betont Grünwald, „Gewalt gegen Frauen, durch den Partner, ist kein Familienproblem oder eine ‚Beziehungstat’, es ist eine Straftat, keine Privatsache!“ Obwohl das Thema gesellschaftlich nach wie vor relevant ist, fehlt dem Verein allmählich der Nachwuchs: „Es ist schwierig, auf sich aufmerksam zu machen“, meint Kassenwartin Sabina Hartnack. „Gewalt gegen Frauen ist immer noch ein Tabuthema, mit dem sich viele erst beschäftigen, wenn sie selbst betroffen sind.“

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