Frauenwahlrecht „Wir wurden lange genug untergebuttert“

Saarlouis · Selbstverständlich – aber das war es nicht immer. Daran erinnern sich Frauen, wenn sie nach der Einführung des Wahlrechtes für Frauen vor genau 100 Jahren gefragt werden.

 „Tapfere Frauen“: Rita Gotto-Becker

„Tapfere Frauen“: Rita Gotto-Becker

Foto: TIna Leistenschneider/Tina Leistenschneider

Heute vor 100 Jahren durften Frauen in Deutschland erstmals wählen. Einen Monat später, am 19. Februar 1919, hielt die SPD-Politikerin Marie Juchacz als erste Frau im Reichstag eine Rede. Sie befasste sich auch mit dem Frauenwahlrecht. „Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit“, sagte sie dazu. Wie denken Frauen heute über das Frauenwahlrecht? Die SZ hat in der Saarlouiser Fußgängerzone nachgefragt.
Die Auffassung von Juchacz teilt Hiltrud Federspiel aus Eppelborn. „Ich bin stolz auf uns Frauen, dass wir das geschafft haben“, sagt die 73-Jährige. Sie selbst erfuhr innerhalb ihrer Familie Ablehnung, einen Beruf zu lernen. „Sie sagten: Frauen brauchen nicht zu lernen, du heiratest und bekommst Kinder“, erinnert sie sich. Mit Begeisterung nimmt sie Aktionen für Frauen wahr. „Das gab es bei uns damals nicht“, erzählt sie. Von ihrem Wahlrecht macht sie Gebrauch: „Ich schätze dieses Gefühl sehr, etwas bewirken zu können“, sagt Federspiel, die selbst lange Jahre politisch engagiert war. „Wir Frauen müssen zusammenhalten“, fordert sie.
Ihren Worten schließt sich Evelyn Müller aus Wadgassen an. Die 84-Jährige findet es „ganz fantastisch“, dass Frauen wählen dürfen. Wieso? „Weil Frauen doch auch ein Recht haben mitzusprechen“, sagt sie. „Wir wurden lange genug untergebuttert“. Dabei erinnert sie sich an einen Vorfall in ihrer Familie, bei der der Ehemann seiner Frau untersagte, ihr Geschäft weiterzuführen. „So war das damals. Frauen durften nicht ohne die Einwilligung ihrer Männer arbeiten“, weiß Müller. Auch ihr Vater habe ihr damals vorgeschrieben, welche Partei sie wählen soll. „Dagegen habe ich mich gewehrt. Ich war alt genug, das selbst zu entscheiden“, berichtet die Rentnerin, die „natürlich“ zur Wahl geht. „Ich gehe sogar zur Europawahl.“
Heidi Klein aus Ensdorf findet es „sehr gut“, dass Frauen ihre Stimme abgeben können. Für sie ist es selbstverständlich zu wählen. Diesen Sinn, für ihre Rechte als Frau einzutreten, erhielt Klein von ihrer Mutter. „Ich wurde so erzogen und habe das auch an meine Kinder weitergegeben“, sagt sie. „Das kann man sich gar nicht mehr vorstellen, dass Frauen vor 100 Jahren noch gar nicht wählen durften“, sagt Liselotte Luxemburger. Die 71-Jährige aus Friedrichweiler erinnert sich noch an die Zeit, in der Männer über Frauen bestimmt haben und nimmt den Wandel positiv wahr.
Die 30- jährige Svenja Mattig aus Schwalbach meint: „Es ist ein Witz, dass wir Männer fragen mussten, ob wir wählen dürfen“. Dass es bis zur Einführung des Wahlrechts so lange dauerte, findet die 15-jährige Sophie Haffner aus Saarlouis traurig. „Das hätte es viel früher geben müssen“.
Rita Gotto-Becker aus Merzig sieht das Frauenwahlrecht als einen Teil der Freiheit an. „Das waren tapfere Frauen, die sich dafür eingesetzt haben“, sagt sie. Von der Frauenquote hält die 69-Jährige aber nichts.
Ihr Stimmrecht nutzen Yasmin Eichler, 35, und ihre Mutter Monika Schneider, 55, aus Lebach ebenfalls. „Das muss auch so bleiben“, sagt Schneider. Was ihr Sorge bereitet, sind Menschen anderer Kulturkreise, die ihr bisweilen das Gefühl geben, sie sei als Frau nichts wert. Sie befürchtet, dass sich dadurch das Bild der Frau hier wieder ändern könne. „Wir bewegen uns doch nach vorne und nicht zurück“.

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