Erster Weltkrieg Erinnerung an einen toten Musketier

Schmelz · Eine Familie in Schmelz hebt seit 100 Jahren die persönlichen Gegenstände eines Familienmitgliedes auf, das im Ersten Weltkrieg gefallen ist.

 Ilse und Georg Quinten halten mit persönlichen Gegenständen und Fotos von Alois Erbel bis heute die Erinnerung an ihn wach. Erbel kam vor 100 Jahren im Krieg in Frankreich ums Leben.

Ilse und Georg Quinten halten mit persönlichen Gegenständen und Fotos von Alois Erbel bis heute die Erinnerung an ihn wach. Erbel kam vor 100 Jahren im Krieg in Frankreich ums Leben.

Foto: Dieter Lorig

Es war die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts: Vor 100 Jahren tobten in Frankreich die letzten großen Schlachten des Ersten Weltkriegs. Zirka 20 Millionen Menschen starben im ersten industriell geführten Massenkrieg der Menschheit. Einer davon war Alois Erbel, ein 20-jähriger Bergmann, der in Außen wohnte.

Dessen Nichte, die heute 94-jährige Ilse Quinten, und deren Neffe Georg Quinten (51) halten die Erinnerung an das vor 100 Jahren in Frankreich gefallene Familienmitglied weiterhin aufrecht. In Kartons bewahren sie persönliche Gegenstände auf, die Alois Erbel an der Front bis zu seinem Tod nutzte. „Das waren unter anderem eine Geldbörse, Seifendose, Haarbürste, Rasier­utensilien, ein Nagelschneideset, Nähzeug, Küchenmesser sowie Lederschnallen, Uniformknöpfe und eine Pfefferdose“, sagte Ilse Quinten. Aber auch kuriose Gegenstände, wie eine englische Seifendose, ein Kartoffelschäler und kleine Holzwerkzeuge, gehörten zum Inventar des Gefallenen. „Vor allem für einzelne Handwerkszeuge konnte ich bis jetzt nicht klären, wozu sie damals benötigt wurden“, erzählt Georg Quinten. Der im Speditionsbereich bei der Dillinger Hütte Beschäftigte Schmelzer interessiert sich sehr für Geschichte. Sein Interesse hierfür wurde in den 1980er-Jahren geweckt.

Damals übergab ihm seine Großmutter eine Kiste, in der sich die Reste der persönlichen Gegenstände von Alois Erbel befanden. „Halte die Sachen in Ehren“, habe ihm seine Oma damals ans Herz gelegt. „Meine Großmutter Katherina Erbel, die 1968 verstarb, kam nie über den frühen Tod ihres Sohnes hinweg“, erzählt Ilse Quinten. Auch sie hütet bis heute viele Gegenstände, darunter einige Fotos, die an ihren im Ersten Weltkrieg gefallenen Onkel erinnern.

Der hatte sich mit 18 Jahren freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet und kam 1918 bei der Frühjahrsoffensive der Deutschen an der Marne ums Leben. Das kleine Tagebuch des gefallenen jungen Außener Mannes ist heute ebenfalls noch im Besitz seiner Familie. „Über den Kriegseinsatz steht da nicht viel drin, sondern mehr allgemeines Wissen über Pflanzen, Landwirtschaft und Liedtexte“, berichtet Ilse Quinten. Auch Briefe und Postkarten, die Alois Erbel von der Front an seinen Freund Johann Bernarding schickte, hat seine Familie aufgehoben. Darin macht Erbel seinem Kumpel immer wieder Mut durchzuhalten, verbunden mit der Hoffnung, sich bald wiederzusehen.

Dieser Wunsch erfüllte sich jedoch nicht. Auch Bernarding kam im Krieg ums Leben. Alois Erbel starb am 29. Mai 1918 bei Reims. Kurz danach erhielten seine Eltern, Katherina und Johann Erbel, einen Brief vom Militär, unter anderem mit folgendem Text: „. . .wir haben die traurige Pflicht, Sie davon in Kenntnis zu setzen, dass ihr lieber Sohn, Musketier Alois Erbel, in der großen Schlacht bei Reims den Heldentod für das Vaterland erlitten hat. Eine feindliche Maschinengewehrkugel traf ihn am Kopf . . . die Kompanie verliert einen tapferen und pflichtbewussten Soldaten, dessen Andenken wir stets in Ehren halten.“ Auch das posthum verliehene Eiserne Kreuz für Alois Erbel und die Übersendung eines „Trostbuches für Angehörige gefallener Helden“ konnten das Leid der zehnköpfigen Familie nicht lindern. „Krieg ist das Schlimmste, was die Menschen erleiden müssen“, betont Ilse Quinten.

 Eins der Fotos, die Ilse und Georg Quinten aufbewahren, zeigt Musketier Alois Erbel (mittlere Reihe, sitzend, Dritter von rechts) aus Außen mit seinen Kriegskameraden im Jahr 1918.

Eins der Fotos, die Ilse und Georg Quinten aufbewahren, zeigt Musketier Alois Erbel (mittlere Reihe, sitzend, Dritter von rechts) aus Außen mit seinen Kriegskameraden im Jahr 1918.

Foto: Dieter Lorig
 Alois Erbel meldete sich mit 18 Jahren zum Kriegsdienst.

Alois Erbel meldete sich mit 18 Jahren zum Kriegsdienst.

Foto: Dieter Lorig

Das Leid in ihrer Familie setzte sich 1923 fort. Damals wurde Willibrord Erbel, ein Bruder von Alois, am Tag seiner Gesellenprüfung von einem Auto überfahren und getötet. Alois Erbel ist auf einem Ehrenfriedhof bei Reims bestattet. „Wir haben uns vorgenommen, die Grabstelle in Frankreich zu besuchen“, sagen Ilse und Georg Quinten.

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