Parkinson und Reiten „Das Pferd spricht die emotionale Ebene an“

Altforweiler · Eine Pilotstudie mit 20 Patienten in Altforweiler soll zeigen, welchen Nutzen eine Reittherapie bei Parkinson-Erkrankten haben kann.

 Parkinson Patient Michael Ost (Zweiter von rechts) zeigte keine Berührungsängste gegenüber der Stute Jara.

Parkinson Patient Michael Ost (Zweiter von rechts) zeigte keine Berührungsängste gegenüber der Stute Jara.

Foto: Carolin Merkel

Als Frank Michler nach etlichen Runden in der Reithalle des Vereins Ehrensache in Altforweiler endlich wieder festen Boden unter den Füßen hat, fahren seine Gefühle sichtlich Achterbahn. „Ganz schön hoch“, „Haben sie schon einmal auf so einem Pferd  gesessen?“, aber auch „Das ist herrlich warm, so ein Pferd“, kommen über seine Lippen. Und er bemerkt, dass sein Tremor wieder da ist. „Der war auf dem Pferd so gut wie weg, erst als ich mich vornüberbeugen sollte, kam er zurück“, erklärt er in Richtung Dr. Marcus Unger von der Universitätsklinik Homburg.

Er hat die Reitstunde auf der Stute Sue, die der 47 Jahre alte Parkinson-Patient gerade absolviert hat, sehr aufmerksam verfolgt. In den kommenden 16 Wochen will er mit insgesamt 20 Patienten, die ein leichtes bis mittleres Krankheitsbild aufweisen, anhand einer Pilotstudie aufzeigen, welchen Nutzen eine Reittherapie beim Krankheitsbild Parkinson haben kann.

Zum einen, erläutert Ungerer, werden Daten, wie etwa die Herzfrequenz-Variabilität, aber auch das Gleichgewicht untersucht, zum anderen sollen aber auch die Patienten an Hand von Fragebögen ihre Eindrücke ganz subjektiv bewerten. „Es nutzt mir nichts, wenn objektiv vielleicht eine Besserung eingetreten ist, der Patient davon aber nichts spürt“, sagt Ungerer. Um einen Vergleichswert zu erhalten, sind jeweils zehn Probanden für acht Wochen auf dem Pferderücken und weitere acht Wochen in einer Physiotherapiepraxis zu Gange.

Mitgefiebert haben bei der allerersten Einheit auf dem Pferd auch die Mitglieder des Vereins Jung & Parkinson, dessen Vorsitzender Frank Michler aus Saarlouis ist. Eher im Hintergrund beobachtet hat die ersten Eindrücke des Patienten Petra Jenal, Vorsitzende des Vereins Ehrensache, der seit einigen Jahren schon Reittherapien für behinderten Menschen anbietet. „Es klingt vielleicht ein wenig frech, aber ich bin absolut davon überzeugt, dass wir diesen Menschen durch die Reittherapie helfen können“, sagt sie. Zustande gekommen ist die Zusammenarbeit der beiden Vereine im Rahmen der Pilotstudie rein zufällig. „Ich war während der 200-Jahr Feier des Landkreises auf Stimmensuche für das Voting der Goldenen Bild der Frau. Da habe ich dem Verein Jung & Parkinson von unserer ehrenamtlichen Reittherapie erzählt und die erklärten, sie seien gerade auf der Suche nach einem geeigneten Partner“, erzählt Jenal.

Viel Hoffnung stecken jetzt die Patienten, die an der durch Dr. Ungerer betreuten Studie teilnehmen werden. „Ich habe mal als junges Mädchen auf dem Pferd gesessen. Ich habe schon großen Respekt davor, aber ich verspreche mir, ein besseres Gangbild und auch einen sicheren Halt beim Stehen“, erklärt Ulrike Rust. Die 50 Jahre alte Völklingerin ist seit dreieinhalb Jahren an Morbus Parkinson erkrankt und Mitglied im Verein Jung & Parkinson. Am Mittwochnachmittag hat sie nach der Reitstunde die Gelegenheit ebenfalls, wenn auch nur vom Boden aus, auf Tuchfühlung mit Sue zu gehen. Und dann passiert es, ein paar Tränen kullern ihr über die Wange. „Das ist absolut normal, auch das gehört zur Reittherapie dazu“, beruhigt sie Therapeutin Nadja Frey.

Gleich nebenan sucht Michael Ost aus Oberthal die Nähe zu Stute Jara. Auch er scheint sich zu entspannen, als er das Pferd berührt. „Pferde sind große, kraftvolle Tiere, sie zeigen ihre Zuneigung, sind ehrlich. Und sie spiegeln den Menschen. Die Reittherapie hat einen ganzheitlichen Ansatz, wir schulen die Körperwahrnehmung, können Ängste und Depressionen abbauen. Und das Pferd spricht die emotionale Ebene an“, erläutert Jenny Becker. Sie hat eine Zusatzausbildung zur Heilpraktikerin Psychotherapie und ist mit dem Krankheitsbild Parkinson vertraut. Daher wird sie in den kommenden Wochen mit den Probanden der Studie in der Halle des Vereins arbeiten – und wie alle, die diese Pilotstudie begleiten, sehr gespannt auf die Ergebnisse sein.

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