Fußball Ein Abend großer Gefühle

Theley/Oberthal · WM-Endspiel blieb auf beiden Seiten spannend bis zum Schluss

 Ajmo Hrvatska „Let’s go Croatia!“. Im Hause Loncar waren die Kroaten voller Vorfreude auf das Endspiel.

Ajmo Hrvatska „Let’s go Croatia!“. Im Hause Loncar waren die Kroaten voller Vorfreude auf das Endspiel.

Foto: Frank Faber

Frankreich gewinnt 4:2 gegen Kroatien und ist nach 1998 zum zweiten Mal Fußball-Weltmeister. Die SZ hat sich je eine Halbzeit des Endspiels mit der kroatischen Familie Loncar in Theley und der französischen Familie Darde in Oberthal angesehen.

Als der argentinische Unparteiische Nestor Pitana um 18.53 Uhr das Endspiel abpfeift, genießt dies Joel Darde ohne große Emotionen und Gesten. Von Jubelgesängen und Luftsprüngen ist er weit entfernt, bei ihm dominiert nüchterner Realismus. „Nach den ersten Spielen konnte man schon sehen, dass es in die richtige Richtung gehen kann“, sagt der Franzose. Im Jahre 1987 war als Soldat nach St. Wendel gekommen.

Zwei Stunden zuvor fiebern der kroatische Fußballtrainer Marco Loncar und sein Sohn Mario in Theley dem Anpfiff entgegen. Die Erfolge ihrer Landsmänner gegen Nigeria und Argentinien haben sie live bei der WM in Russland miterlebt. Auch der ehemalige Völklinger Oberligakicker Andelo Szentric brennt. Kein Wunder, Torwart Danijel Subasic und Verteidiger Sime Vrsaljko kennt er noch aus der gemeinsamen Jugendzeit bei NK Zadar. „Es ist überragend und krass, was die Mannschaft bisher gemacht hat“, sagt Szentric. Für die kroatischen Kicker, so Mario Loncar, sei es das Spiel ihres Lebens. „Alle haben ein großes Herz, viel Leidenschaft und die Mannschaft zeichnet ein Wir-Gefühl aus, das früheren Mannschaften oft gefehlt hat“, charakterisiert sein Vater Marco das Team von Trainer-Nobody Zlatko Dalic.

Kroatien findet gleich gut ins Spiel und der Franzose Antoine Griezmann fällt ohne gegnerische Berührung um. „Das war nie ein Freistoß, Schauspiel, Schwalbe“, moniert Marco Loncar die falsche Entscheidung von Schiedsrichter Pitana. Brutal. Der anschließende Freistoß von Griezmann verlängert Mario Mandzukic zum 0:1 in den eigenen Kasten. „Warum gibt bei so etwas kein Videobeweis?“, hadert Marco Loncar. Zehn Minuten später gehen die Kroaten richtig ab, als Ivan Perisic den 1:1-Ausgleich erzielt. Doch dann gibt’s den Videobeweis: Perisic hat den Ball an die Hand bekommen. „Keine Absicht, kein Elfmeter“, meint Andelo Szentric. Alles Zittern und Bangen ist umsonst, der Argentinier malt mit den Händen das ominöse Viereck und zeigt zum Entsetzen der Kroaten auf den Punkt. „Niemals ein Elfmeter“, hadert Marco Loncar, sein Sohn Mario ist sich nicht so sicher. Aber Griezmann, der zum 2:1 für Frankreich trifft.

„Dreimal hat Griezmann den Ball Richtung Tor geschossen, zweimal liegt er drin“, beklagt Andelo Szentric kopfschüttelnd. Kroatien sei die engagierte Mannschaft, so Marco Loncar, liege aber völlig unverdient wie unglücklich zur Halbzeit mit 1:2 hinten. „Hauptsache wir führen, aber Fußball ist manchmal unfair“, teilt der aus französischen Region Bourgogne stammende Joel Darde in Oberthal die Ansicht der Kroaten. Kurios. Synchron mit den vier Flitzern im Moskauer Stadion, tauchen plötzlich in Dardes´ Wohnstube drei Hunde vor dem Bildschirm auf. Hausherr Joel hält ständig via Facebook Kontakt zu Bekannten und Verwandten in seinem Heimatland. „Wenn etwas Großes kommt, dann bleibt in Frankreich alles stehen“, vergleicht er das WM-Ereignis mit der für die Franzosen so typischen Streikkultur. Und auch endlich sei „Allez les Bleus“ zu sehen, weil der Favorit nach der Halbzeit nun besser spiele. Paul Pogba erzielt das 3:1.

 Sie hatten allen Grund zur Freude: Joel, Tina und Amandine Darde (von links) haben der französischen Mannschaft die Daumen gedrückt.

Sie hatten allen Grund zur Freude: Joel, Tina und Amandine Darde (von links) haben der französischen Mannschaft die Daumen gedrückt.

Foto: Frank Faber
 Der WM-Pokal gehört den Franzosen .

Der WM-Pokal gehört den Franzosen .

Foto: dpa/Martin Meissner

„Jetzt haben wir nach den fragwürdigen, auch ein reguläres Tor geschossen“, stellt Joel Darde fest. Nach dem 4:1 von Kylian Mbappe ist ihm das Ergebnis zu hoch. „Ich würde mich freuen, wenn Kroatien noch ein Tor schießen würde“, sagt er fair. Torwart Hugo Lloris erhört seinen Wunsch, patzt, und Mandzukic verkürzt zum 2:4. „Das war die Rückgabe für das geschenkte Tor zum 0:1“, freut sich Joel Darde, auf dessen Laptop schon zwanzig Minuten vor Schluss erste Glückwünsche zum WM-Titel eingehen. Seine Ehefrau Tina meint: „Ist nur schade, denn in der ersten Halbzeit hat Frankreich nicht gut gespielt“. Aber egal, die pragmatisch spielende Grande Nation hat sich in Russland den zweiten Stern abgeholt und das kleine Land Kroatien feiert ausgelassen die Vizeweltmeisterschaft.

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