Nach tragischem Unfall bei Winterbach Veränderung, um zu verarbeiten

Winterbach · Nach dem tödlichen Unfall einer 17-Jährigen auf der L 133 bei Winterbach setzt sich ihre Familie für eine Verkehrsberuhigung ein.

 Auf der L 133 von Bliesen kommend kurz vor Winterbach, an der Kreuzung zum Gewerbegebiet. Hier ist es zu dem tragischen Unfall gekommen.

Auf der L 133 von Bliesen kommend kurz vor Winterbach, an der Kreuzung zum Gewerbegebiet. Hier ist es zu dem tragischen Unfall gekommen.

Foto: B&K/Bonenberger/

„Man kann es einfach nicht fassen und hat das Gefühl etwas tun zu müssen – sich ablenken“, sagt Dorothee Schaus-Hippchen. Ihre Tochter Emely ist vor drei Wochen bei einem Unfall auf der L 133 zwischen Winterbach und Bliesen ums Leben gekommen. Nicht weit von ihrem Zuhause entfernt. „Viele Jugendliche gehen auf dem Weg dort joggen. Sie fühlen sich sicher“, sagt Dorothee Schaus-Hippchen. Ihre Tochter ist beim Überqueren der Landstraße von einem Auto erfasst worden. „Für mich ist auch der Fahrer ein Opfer“, sagt die Mutter. Und ihr Sohn Mathias Schaus ergänzt. „Es geht nicht um Schuld. Es war ein Unfall.“ Es geht der Familie um Veränderung.

Als Freunde und Nachbarn der Familie nach dem Tod der 17-Jährigen Trost zusprechen, sei immer wieder ein Thema aufgekommen. „Es wurde über diese Stelle gesprochen“, erinnert sich Schaus-Hippchen. Der Unfall ereignete sich etwa auf Höhe eines angrenzenden Industriegebiets. Außerdem kreuzt hier ein Wanderweg die Straße, auf der Tempo 100 gilt. Aus den Gesprächen heraus ergab sich die Gewissheit: Es muss dort etwas geschehen. Aber was? „Ein Schild mit Tempolimit 50 alleine bringt nichts“, glaubt Mathias Schaus. „Es muss eine physische Verlangsamung eingebaut werden.“ Der Winterbacher Ortsvorsteher Gerhard Weiand sagte bereits gegenüber der SZ, dass er sich eine Querungshilfe mit einer Insel in der Mitte der Fahrbahn vorstellen könne, die breit genug für Spaziergänger und Fahrradfahrer sein müsse. Dies könnte sich auch die Familie gut vorstellen. Eva Valela, eine Verwandte und Nachbarin, erinnert an die vielen Senioren, die kurze Spazierwege bräuchten und zudem oftmals eine schlechtere Reaktionsfähigkeit hätten als jüngere Menschen.

All diese Gedanken bewegten Mathias Schaus dazu, kurz nach Emelys Beerdigung eine Online-Petition zu starten, die fordert, dass auf der Landstraße etwas geschieht, um sie sicherer zu machen. 4268 Unterschriften gibt es schon – und das innerhalb einer Woche. Hinzu kommen etwa 250 Personen, die die Papiervariante unterzeichnet haben. „Wenn sich die Freunde von Emely und unsere Nachbarn nicht so einbringen würden und unserer Familie so viel Unterstützung bieten würden, hätte ich persönlich nicht die Kraft gehabt, schon jetzt die Petition zu starten“, sagt Schaus.

Und es gibt bereits erste Veränderungen. Wie St. Wendels Landrat Udo Recktenwald (CDU) berichtet, wurde vor dem Kurvenbereich ein weiteres Gefahrenzeichen aufgestellt neben den schon bestehenden (Kreuzende Radfahrer, Unebenheit der Straße, Wildwechsel). „Die Hecke wurde geschnitten“, sagt Michael Hippchen. „Jetzt kann man in den Weg einsehen.“ Das sei vorher nicht der Fall gewesen. Diese ersten Schritte kommen laut Familie Hippchen gut an bei den Menschen in Winterbach.  Auch die Ortsvorsitzende der SPD Winterbach, Andrea Paliot, sei nach eigenen Angaben dankbar dafür, dass sich an der seit Jahren bekannten Gefahrenstelle endlich etwas bewege. „Ein Warnschild in dem Bereich ist richtig, aber bei weitem nicht ausreichend. Es muss endlich eine ordentliche Übergangsmöglichkeit über die Landstraße geschaffen werden. Die SPD fordert daher weiterhin ein umfassendes Verkehrsberuhigungskonzept.“

Landrat Recktenwald weist darauf hin, dass weitere bauliche Maßnahmen an und auf der Landstraße in der Zuständigkeit des Landesamtes für Straßenbau liegen. Hier müsse das Landesamt entscheiden, ob sich mit Blick auf die Verkehrssituation, das inzwischen angrenzende Wohngebiet und auch das Gewerbegebiet Handlungsbedarf ergibt, der diesen Einmündungsbereich entschärfen kann.

Rein statistisch betrachtet, gilt der Streckenabschnitt nicht als unfallträchtige Stelle. Dennoch macht Landrat Udo Recktenwald als Chef der Kreisverkehrsbehörde deutlich, dass er vor dem Hintergrund des tragischen Unfalls Handlungsbedarf sehe. „Über die Betroffenheit und das Mitgefühl für die Familie hinaus ist es notwendig, rasche und richtige Schritte in die Wege zu leiten, um die Gefahrenstelle zu entschärfen“, sagt Recktenwald. Bereits wenige Tage nach dem Unfall habe sich daher auch die Verkehrsunfallkommission mit Vertretern der Polizeiinspektion St. Wendel, des Landesamtes für Straßenbau, der Straßenverkehrsbehörde des Landkreises und der Ortspolizeibehörde der Stadt mit dem Unfall und möglichen Konsequenzen beschäftigt.

Nach Ansicht des Landrats sollte überlegt werden, die am Einmündungsbereich der L 133 ausgewiesene Querung des Rad- und Wanderweges in die geschlossene Ortschaft zu verlegen und dazu den vorhandenen Fußweg auf der Seite „Lämmergraben“ zu nutzen. Seitens der Stadt sollte der gegenüberliegende asphaltierte Wegabschnitt komplett gesperrt, einer weiteren Nutzung entzogen und durch Bepflanzung geschlossen werden. „Auch eine Geschwindigkeitsbegrenzung ist ungeachtet aller Statistiken eine zu diskutierende Option, wobei diese möglicherweise Sicherheit suggeriert und im Zweifel auch einen Unfall nicht verhindern kann“, sagt Recktenwald.

Es wird hingeschaut auf die Strecke zwischen Winterbach und Bliesen. „Man hat als Bürger jetzt das Gefühl, es passiert etwas. Aber es sollte nicht das einzigste bleiben“, sagt Eva Valela. Im Redaktionsgespräch macht Emelys Familie deutlich, dass es ihr nicht um Anprangern geht, sondern um Aufmerksamkeit für eine Gefahrenstelle. Das scheint erreicht. Wobei für Eva Valela ein fader Beigeschmack bleibt: „Warum ist nicht schon etwas verändert worden, nachdem 2007 ein Fußgänger beim Queren der Straße ums Leben kam?“

Auch Recktenwald bedauert, dass eine solche Stelle meist erst dann in den Blickpunkt rücke, wenn etwas passiert ist. Daher möchte er nun einen Schritt weiter gehen. Die Polizei werde gemeinsam mit dem Landkreis im gesamten Kreisgebiet untersuchen, ob es ähnlich gefährliche Übergänge für Rad- und Wanderwege gibt. Außerdem plane er eine generelle Bestandsaufnahme gefährlicher Stellen.

„Es geht darum, dass ihr Tod nicht umsonst war“, sagt Emelys Mutter leise.

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