Geschichte Trinksprüche hallten durch den Keller

Tholey · Archäologen finden Spuren eines Handwerkerkollegiums im Wareswald. Führungen jeden ersten Sonntag im Monat

 Blick auf den korbförmigen Kellerraum im Vicus Wareswald. Er stammt aus dem dritten Jahrhundert nach Christus.

Blick auf den korbförmigen Kellerraum im Vicus Wareswald. Er stammt aus dem dritten Jahrhundert nach Christus.

Foto: Klaus-Peter Henz/Terrex

Der Römer hebt seinen Becher und stößt mit seinen Freunden an. „Vivamus“, ruft er ihnen zu, „Wir leben.“ Oder frei übersetzt: „Hoch die Tassen“. Die kleine Gruppe von Handwerkern sitzt um das Jahr 260 nach Christus herum in einem gemütlichen Kellerraum der Siedlung an der Kreuzung zweier Römerstraßen. Jahrhunderte später, im Jahr 2018, sind die Reste dieser Siedlung als Vicus Wareswald bekannt, sie liegt an einem Feldweg zwischen Tholey und Oberthal.

Davon können die Römer damals nichts wissen. Dafür aber von den Preisen für Handelsware in Trier oder Metz, über die Nachfrage, Lieferschwierigkeiten, und und und. Und natürlich tauschen sie auch Nachrichten aus ihrer Siedlung aus. Schließlich wohnen hier mehrere Hundert Menschen. Reden macht durstig. Ein weiterer Römer hebt seinen Becher: „Bibite“, steht darauf: „Trinkt“. Was seine Kollegen gerne tun.

Ob sich diese Szenen im dritten Jahrhundert nach Christus so oder so ähnlich abgespielt haben, das bleibt der Phantasie überlassen. Sie könnten aber. Denn dass dieser im vergangenen Jahr im Wareswald ausgegrabene Kellerraum etwas Besonderes ist, dass er vermutlich von einem Handwerkskollegium für regelmäßige Treffen benutzt wurde, das ist für den Archäologen Klaus-Peter Henz klar. Die Römer damals pflegten wohl auch schon ihren Stammtisch. Dafür sprechen für den Terrex-Projektleiter Grabungen im Wareswald die Funde und Indizien, die er und seine Helfer beim Ausgraben des Kellerraumes gefunden haben.

Da ist zum Beispiel der außergewöhnliche Grundriss des Raumes. Er ist nämlich korbförmig. Zwei Ecken des Raumes sind abgerundet. Vier Nischen im Mauerwerk haben die Experten ausgegraben. Sie waren damals wohl mit Holz verkleidet, Öllämpchen brannten in ihnen, leuchteten das etwa 4,5 mal 4,5 Meter große Zimmer aus. „Der Kellerraum war sehr sorgfältig gemauert“, erläutert Henz beim Besuch vor Ort. „Ein solcher korbförmiger Grundriss ist relativ selten“, weiß der Archäologe. Welchen Nutzen das Zimmer gehabt hat? Das kann Henz nicht sagen: „Wahrscheinlich war das einfach eine Geschmacksfrage. Der Raum hat seinen Besitzern so gut gefallen.“

Zentimeter für Zentimeter haben die Mitarbeiter von Henz im vergangenen Jahr den Keller ausgegraben. In der untersten Schicht haben sie landwirtschaftliche Geräte aus Eisen gefunden, Harken zum Beispiel, oder einen Flachskamm. Diese Funde liegen mittlerweile in einem Salzbad in der Restaurierungswerkstatt des Landesdenkmalamtes im ehemaligen Bergwerk Reden in Schiffweiler. Nach und nach löst sich dadurch die Rostkruste ab.

Damit aber nicht genug. In dieser untersten Schicht entdeckten die Archäologen eine zugeschüttete Grube. Und daraus bargen sie die Reste von vier Trierern Spruchbechern. „Sie stammen aus der Zeit um etwa 260 bis 270 nach Christus“, weiß Henz. Zwei von ihnen tragen die schon erwähnten Trinksprüche „Vivamus“ und „Bibite“. Die Becher sind schön verziert und waren nicht für den täglichen Gebrauch gedacht. In der Grube lagen auch vier eiserne Tischglöckchen, die damals bei Trinkzeremoniellen genutzt wurden.

Alle diese Indizien sprechen dafür, dass dieser Raum damals von Handwerkern für ihren Stammtisch genutzt wurde. Allerdings nicht sehr lange. Auch das weiß Henz. Denn schon Ende des dritten Jahrhunderts haben die Besitzer den Keller verfüllt. Das zeigen Steinplatten, die in der oberen Bodenschicht direkt angrenzend an den Keller gefunden wurden und die über die Mauer reichten. Logischerweise kann es dann den Keller so nicht mehr gegeben haben.

Falschgeld gab es übrigens damals auch schon. Henz weist auf eine in der Grube gefundene Münze mit zu geringem Silberwert hin. Nicht die erste übrigens. Ob die damals ein Betrüger in Umlauf gebracht hat oder ob es eine in der Siedlung gehandelte und damit legale Münze war, das kann keiner mehr sagen. Vielleicht aber war sie Gesprächsstoff beim Stammtisch der Handwerker.

Die aktuelle Grabungssaison im Wareswald ist angelaufen. Projektleiter Henz wird dabei tatkräftig unterstützt von zehn Mitarbeitern, die bei der Wiaf angestellt sind. Erforscht wird diesen Sommer ein an den korbförmigen Keller angrenzender Raum.

Weiter gehen auch die Forschungsarbeiten am Mars-Tempel. Dort hat sich eine Delegation der Universität Georgia angesagt. Die Amerikaner werden dort im Juli graben.

 Zwei der vier Trinkbecher aus dem dritten Jahrhundert nach Christus. Sie lagen in einer Grube in einem korbförmigen Kellerraum.

Zwei der vier Trinkbecher aus dem dritten Jahrhundert nach Christus. Sie lagen in einer Grube in einem korbförmigen Kellerraum.

Foto: Klaus-Peter Henz/Terrex

Wer sich für den Vicus Wareswald interessiert, der kann bei einer Grabungsführung viel erfahren. Bis in den Oktober finden Führungen an jedem ersten Sonntag im Monat statt. Das Grabungsfest plant Terrex übrigens am Sonntag, 24. Juni.

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