Manuel Stahl Vom kleinen Saarland ins große China

Saarbrücken · Warum sich ein ehemaliger Saarbrücker Student für ein Leben im Reich der Mitte entschieden hat.

 Peace: Manuel Stahl (unten rechts) mit seinen chinesischen Studenten und drei Besuchern aus Quierschied bei einem Restaurant-Besuch in Harbin.

Peace: Manuel Stahl (unten rechts) mit seinen chinesischen Studenten und drei Besuchern aus Quierschied bei einem Restaurant-Besuch in Harbin.

Foto: Stahl

Ob er jemals wieder ins Saarland zurückkommt, ist ungewiss. Der 34-jährige Deutschdozent Manuel Stahl lebt seit Anfang 2014 in China. Per E-Mail berichtet er der SZ, was er an seiner neuen Heimat schätzt und was er der Bundeskanzlerin, die gerade in der Nähe ist, raten würde.

Herr Stahl, wie hat es Sie vom kleinen Saarland in die chinesische Millionenstadt Harbin verschlagen?

STAHL Ich war nach einem Studienaufenthalt in Peking so fasziniert, dass ich unbedingt noch einmal dorthin wollte, um mir einen Einblick in das authentische Leben der Chinesen zu verschaffen. Also suchte ich im Internet nach offenen Stellen für Deutsche in China und stieß unverhofft auf eine Stelle als akademische Lehrkraft für Deutsch und Französisch als Fremdsprache in Harbin. Nach einem Blick auf die Landkarte stellte ich fest, dass diese Elf-Millionen-Stadt mitten in der chinesischen Mandschurei liegt. Welche Gelegenheit konnte mir einen authentischeren Einblick bieten?

Sie haben kurz nach Ihrer Ankunft den Youtube-Kanal „Saarland 2 China“ gegründet, wo Sie fast täglich Videos hochladen. Sind Sie eine Art Online-Saarland-Botschafter?

STAHL Ja, genau so könnte man das bezeichnen. Eine Art Online-Saarland-China-Botschafter. Inzwischen habe ich aber auch Zuschauer aus der ganzen Welt, denen ich China zeige, wie es wirklich ist. Ich versuche Vorurteile zwischen China und anderen Ländern abzubauen, seien es positive oder negative.

Die Aufrufe Ihres Channels sind bislang überschaubar. Woran liegt das?

STAHL „Saarland-2-China“ habe ich eingerichtet, nachdem ich den Sprung vom Saarland nach China wagte, daher auch die Bezeichnung. Obwohl ich schon so oft im Ausland war, war das kein einfacher Schritt: Zu viele Verwandte, Freunde und Bekannte waren plötzlich aus meinem Alltag verschwunden. Da muss man eine Brücke bauen und die Leute teilhaben lassen an seinem Leben. Der Kanal war ursprünglich also nur für nahe Bekannte gedacht.

Sie sind Leiter der Abteilung für deutsche Sprache an der Universität von Harbin. Beherrschen Ihre Studenten schon mehr Saar-Dialekt als nur das Wort Schwenker?

STAHL Oh ja! Bei „Heimweh“ wird direkt „die Flemm“ als Synonym notiert! Wer nach Lehrplan lernen muss, was österreichische Palatschinken sind, der muss auch lernen, was Dibbelabbes und Hoorische sind. Punkt aus!

Waren Ihre Schüler schon mal im Saarland?

STAHL Momentan haben wir nur einen Austausch mit München und Magdeburg, aber das Saarland steht auf der Liste.

Wie oft sind Sie noch hier?

STAHL Jedes Jahr im Winter für zwei Monate. Während meiner Studienzeit sind viele Bekanntschaften entstanden. Wenn ich heute ins Saarland komme, spüre ich immer noch das Gefühl von Heimat, wenn mir Dibbelabbes und Schwenker aufgetischt werden. Eine willkommene Abwechslung zur chinesischen Küche.

Was vermissen Sie in China?

STAHL Sprudel. Das gibt es hier nicht. Die Chinesen folgen leider dem amerikanischen Trend, mit Vorliebe zuckerhaltige Softdrinks zu konsumieren, worunter auch die Teekultur leidet. Natürlich fehlt mir auch die deutsche Ordnung im Straßenverkehr und der saarländische Wald. Ein Wald ohne Touristen und mit frischer Luft.

Was schätzen Sie dort?

STAHL Es wird nicht lange geplant. Es wird einfach gemacht. Den höflichen Umgang miteinander, die Entspanntheit. Man wird nicht wegen jeder Kleinigkeit dumm angeschaut. Obwohl China vielen wie ein streng diktatorischer Staat scheinen mag, hat man hier weniger gesellschaftliche Zwänge als in Deutschland.

Was halten Sie davon, dass Xi Jinping jetzt quasi Alleinherrscher auf Lebenszeit ist?

STAHL In Anbetracht dessen, dass unsere Kanzlerin, wie es aussieht, mindestens 17 Jahre als Regierungschefin Deutschlands tätig gewesen sein wird, ist es doch nicht abwegig, dass sich ein chinesischer Präsident auch mehr Regierungszeit wünscht. Obwohl auch in China Kritik hinter vorgehaltener Hand erlaubt ist, hört man nicht, dass die Chinesen unzufrieden seien mit Xi. Im Gegenteil.

Die Kanzlerin ist gerade auf China-Besuch. Worauf sollte Frau Merkel achten?

STAHL Merkel sollte aufpassen, dass sie nicht zu tief ins Schnapsglas schaut. Die Chinesen schenken bei Vertragsabschlüssen und Geschäftsessen gerne ihren für Ausländer fast ungenießbaren „Baijiu“ aus, durch dessen Genuss es dann schnell zu Freundschaft und  Vertragsabschluss kommt. Natürlich zugunsten der Chinesen.

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