Höhere Steuer für ältere Autos vorerst gestoppt Brüssel holt die CO-Keule rausElektronik soll Europas Autos sicherer und sauberer machen

Berlin. Im Internet gibt es bereits Rechner, mit denen jeder Autobesitzer ermitteln kann, wie hoch seine Kfz-Steuer künftig ist. Sie können vorerst unbeachtet bleiben. Denn die bekannt gewordenen Pläne für die Umstellung der Berechnungsbasis auf den Ausstoß von CO wurden gestern von Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU, Foto: dpa) gestoppt

Berlin. Im Internet gibt es bereits Rechner, mit denen jeder Autobesitzer ermitteln kann, wie hoch seine Kfz-Steuer künftig ist. Sie können vorerst unbeachtet bleiben. Denn die bekannt gewordenen Pläne für die Umstellung der Berechnungsbasis auf den Ausstoß von CO wurden gestern von Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU, Foto: dpa) gestoppt. Vor allem über die Behandlung von Altfahrzeugen herrscht Uneinigkeit in der Regierungskoalition. Kurioserweise war es das Wirtschaftsministerium selbst, das ursprünglich den Vorschlag gemacht hatte, Altfahrzeuge im Zuge der Reform stärker zu belasten. Das war auch sofort auf die Zustimmung der Automobilindustrie gestoßen, die ihr Neuwagengeschäft ankurbeln will. Doch CSU-Chef Erwin Huber, der im Herbst vor Landtagswahlen steht, hatte die Brisanz sofort erkannt. Die neue Kfz-Steuer dürfe keine Strafsteuer für die einfachen Leute werden, meinte er. "Niemand fährt doch zum Spaß ein älteres Auto". Flugs erklärte Glos, der Vorschlag sei nicht mit ihm abgestimmt. Gestern nun erhob sein Staatssekretär formell Einspruch gegen die Reformvorlage von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), in der die Altautos enthalten waren. Der Beschluss wurde von der Tagesordnung der Kabinettssitzung genommen. Am 18. Juni soll nun ein neuer Anlauf gemacht werden. Bis dahin sind wohl nicht nur neue Berechnungen, sondern auch grundlegende politische Klärungen notwendig. Einig ist sich die Koalition darin, dass große Stinker künftig mehr zahlen sollen als umweltschonende Autos. Damit soll das EU-Ziel eines durchschnittlichen CO-Ausstoßes von 120 bis 130 Gramm je Kilometer bis 2012 umgesetzt werden. Zu den Eckpunkten gehört auch, dass das Aufkommen der Steuer, die den Ländern zusteht, unter dem Strich gleich bleiben soll. Da es aber zugleich Anreize für die Anschaffung verbrauchsarmer Fahrzeuge geben soll, bis hin zum Nulltarif für Autos, die weniger als 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen, muss das Geld woanders hereinkommen. Eben von den Besitzern der Altfahrzeuge. Um 1,25 Euro je hundert Kubikzentimeter Hubraum sollte deren Steuer nach den ursprünglichen Plänen steigen. Doch davon wären 16 Millionen Altfahrzeuge der Schadstoffklassen Euro-2 und Euro-3 sofort betroffen gewesen, weitere 20 Millionen der Klasse Euro-4 ab 2011. Das war Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee und seinem Kollegen Sigmar Gabriel (beide SPD) von vornherein zu viel. Die Alternative aber, große Neufahrzeuge und Geländewagen (SUV) stärker als bisher vorgesehen zu belasten, wird von Autoindustrie und Wirtschaftsministerium abgelehnt. Neben der Kfz-Steuer wurden auch alle anderen Teile des zweiten Klimaschutz-Pakets der Bundesregierung auf den 18. Juni verschoben. Darunter die Energieeinsparverordnung und die Änderung der Lkw-Maut. Es gebe an etlichen Punkten noch Beratungsbedarf, so Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Brüssel. Die EU holt offenbar zu einem weiteren drastischeren Schlag gegen die Autobauer aus, der vor allem deutsche Hersteller belasten würde. Dem Umweltausschuss des Europäischen Parlaments wurden jetzt erstmals neue Änderungsvorschläge für die zukünftigen Abgasgrenzwerte ab 2020 übermittelt. Demnach sollen Neuwagen künftig noch höchstens 95 Gramm CO je gefahrenem Kilometer ausstoßen dürfen. Derzeit liegt der Schnitt aller Autos europaweit bei rund 160 Gramm. Schon die Senkung auf 120 Gramm bis 2012 ist heftig umstritten. Autor des neuen Vorstoßes ist der 59-jährige Europa-Abgeordnete Guido Sacconi, der dem Umweltgremium vorsitzt. Die Überlegungen des Italieners gelten in Brüssel deshalb als "Sprengsatz", weil Sacconi damit einen Grenzwert gewählt hat, den vor allem die Kleinwagen seiner Heimat mühelos schaffen würden, während sich die Hersteller größerer Fahrzeuge vor allem aus Deutschland damit schwer tun würden. "Die Industrie hat zwei Produktionszyklen Zeit, um Autos zu entwickeln, die diese Vorgaben einhalten", verteidigte er seinen Plan. Scharfe Kritik kam von den deutschen Parlamentariern. Der Vorsitzende der CDU-Gruppe im Straßburger Plenum, Werner Langen, erklärte: "Sacconi wird im Parlament keine Mehrheit finden." Die ist zwar tatsächlich fraglich, weil Sacconi nicht nur den Umweltausschuss auf seine Seite bringen müsste (was allerdings als nicht schwierig gilt), sondern auch den in dieser Frage wichtigeren Industrieausschuss, der von der CSU-Politikerin Ingrid Niebler geleitet wird. Allerdings haben die Deutschen dort erst vor wenigen Wochen eine empfindliche Niederlage einstecken müssen, als es um die geplante Trennung der Energieversorger von ihren Netzen ging. In Brüssel befürchtet man deshalb, dass der italienische Vorstoß nach einem ersten "Schock" doch "Kreise ziehen" und am Ende "mehrheitsfähig" werden könnte. drBrüssel. Lastwagen, die ungebremst in Staus rasen, Autos, die wegen übermüdeter Fahrer von der Straße abkommen - all das soll es künftig nicht mehr geben. Die EU-Kommission hat am Freitag ein bislang einzigartiges Sicherheits-Paket für Neufahrzeuge vorgelegt. Mit der Einführung soll spätestens in vier Jahren begonnen werden. Wichtigster Effekt: Die Zahl der Todesopfer auf Europas Straßen (etwa 25000) könnte um rund 5000 verringert werden. Außerdem verspricht sich Brüssel von neuen Technologien, die ebenfalls eingesetzt werden müssen, spürbare Senkungen der Schadstoffe. Wichtigste Maßnahme des Pakets von Industrie-Kommissar Günter Verheugen (SPD) ist der verpflichtende Einbau eines Schleuderschutzes (ESP). Ab 2012 muss er in allen neuen Lkw, ab 2014 in allen neu zugelassenen Pkw integriert werden. Dieses System soll dem Fahrer helfen, in kritischen Situationen die Kontrolle über das Fahrzeug zu behalten. 2013 dürfen schwere Lkw nur noch zugelassen werden, wenn sie über eine Anlage zur vorausschauenden Notbremsung sowie einen Spurhalteassistenten verfügen. So sollen Auffahrunfälle zumindest abgemildert, wenn nicht sogar ganz verhindert werden. Außerdem, so Verheugen, werde verhindert, dass die Laster zum Beispiel durch Unaufmerksamkeit des Fahrers aus der Spur kommen. Alle Pkw müssen schon ab 2009 ausnahmslos mit Antiblockiersystem ausgerüstet werden. Zusätzlich plant die Kommission, ab 2012 nur noch Reifen mit geringerem Rollwiderstand zuzulassen. Zusammen mit der dann ebenfalls vorgeschriebenen Überwachung des Reifendrucks in jedem Fahrzeug könne der Spritverbrauch um bis zu drei Prozent gesenkt und der Ausstoß des Klimakillers CO um bis zu sieben Gramm je gefahrenem Kilometer reduziert werden. Für die "größere Sicherheit der verbrauchsarmen Fahrzeuge" (Verheugen) muss der Verbraucher tiefer in die Tasche greifen. Derzeit kostet allein die ESP-Stabilitätskontrolle 1000 Euro zusätzlich. dr

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