Leichtathletik Mit Training für den Kopf aus der Krise

Berlin · Kugelstoßer David Storl geht in der Vorbereitung auf die Leichtathletik-Weltmeisterschaft in London neue Wege in der Trainingsmethodik.

Er ist ein Kerl wie ein Baum, doch Muskelmassen allein machen keine Medaillen. Deshalb hat David Storl nach schmerzhaften Rückschlägen und Platz sieben bei Olympia jetzt gehandelt. Deutschlands bester Kugelstoßer will in seinem Kopf aufräumen und geht dafür ganz neue Wege: Der Sachse arbeitet erstmals mit einem Mentaltrainer zusammen. Matthias Große, Lebensgefährte von Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein, soll Storl „packen“, ihm Mut machen und ihn wieder in die Erfolgsspur bringen.

Erstes Ziel: Bis zur Leichtathletik-WM im Sommer in London soll der Weltklasse-Kugelstoßer Vertrauen in die eigene Stärke zurückgewinnen. „Ich erwarte, dass wir eine klare Linie fahren in dieser Saison. Dass man nicht immer den Leistungen der anderen hinterherrennt, mental so stark wird, dass man mit Negativerlebnissen besser klarkommt“, sagt Storl. Seine Erfolgsgeschichte begann schon 2007, als er U18-Weltmeister wurde – fast in jedem Jahr holte er dann bei internationalen Meisterschaften (s)eine Medaille.

Gemeinsam wollen Storl und Große die „Rückschläge der letzten Jahre“ verarbeiten. Schon seit sechs Jahren kennen sich die beiden, 2011 sind sie sich während der Event-Woche „Champion des Jahres“ zum ersten Mal begegnet. Besiegelt wurde die Partnerschaft dann in diesem Jahr. Der Athlet aus Leipzig und der Unternehmer aus Berlin haben seither oft telefoniert und sich schon auf „halber Strecke“, in Herzberg, getroffen. Die Chemie stimmt.. Storl hat schnell einen Draht zu Große gefunden. „Da gab es sofort eine Ebene“, erzählt der 26-Jährige, der beim SC DHfK Leipzig bei Sven Lang trainiert. „Und da habe ich mir gesagt: Diese Chance solltest du nutzen.“ An Große schätzt Storl die Lebenserfahrung und den „Blick für das Wesentliche“. Der Mann an der Seite von Pechstein habe eine Art, „mit der er mich packen und in die richtige Richtung drängen kann. Das ist genau das, was ich brauche.“

Claudia Pechstein selbst hatte ihren Lebenspartner als „Kopf-Trainer“ empfohlen. „Ohne Matthias hätte ich meine Schlittschuhe schon längst in die Ecke geworfen. Wenn du wirklich jemanden suchst, der bei dir im Kopf aufräumt, gibt es keinen besseren als ihn“, sagte die 45-Jährige ihrem Bundespolizei-Kollegen Storl, der sich 2011 und 2013 WM-Gold holte und 2012 in London Olympia-Silber gewann. Große will künftig auch bei Wettkämpfen des Weltklasse-Kugelstoßers dabei sein, erstmals am Wochenende im Erfurter Steigerwaldstadion, bei den deutschen Meisterschaften. „Mit uns treffen zwei Charaktere aufeinander, bei denen es einfach passt“, sagt der 49-Jährige. „David ist ein Kerl wie ein Baum, der zurück an die Weltspitze möchte. Das geht nur Schritt für Schritt und mit einer klaren Struktur.“ Und er weiß: „David darf sich nicht hetzen lassen.“

Allerdings war Große in der Vergangenheit nicht unumstritten, weil er zuweilen rigoros mit Kritikern von Pechstein umging. Vor den Winterspielen 2014 in Sotschi verteidigte der Deutsche Olympische Sportbund seine Nominierung als Betreuer. „Es wurde geschrieben, ich hätte Leute bedroht. Das ist falsch. Wie soll ich Leute bedrohen, mit denen ich nie gesprochen habe? Ich bin der liebste Mensch der Welt“, sagte Große damals. Storls neuer Mentor hatte zu DDR-Zeiten an der Militärakademie in Minsk studiert, der Mauerfall stoppte die avisierte Generals-Laufbahn. Nach der Wende suchte er seinen Weg in der Immobilienbranche und sorgte für Schlagzeilen mit dem Kauf des Berliner Müggelturms, den er als Event-Gaststätte aus dem mehr als zwei Jahrzehnte langen Dornröschenschlaf wecken möchte.

Mit der aktuellen Saison hat Storl anfangs gehadert, nun ist er aber „ganz zufrieden“. Heute startet der jüngste Kugelstoß-Weltmeister der Leichtathletik-Historie beim Diamond-League-Meeting in Lausanne, in Erfurt will er sich dann das WM-Ticket für London abholen. 21,31 Meter weit hat der stämmige Sachse in diesem Jahr schon gestoßen. „Ich denke, es ist gut, dass ich diese Hürde jetzt im Griff habe“, erzählt er. Storl weiß: Wenn die Leistung stimmt, ist auch der Kopf klar.

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