Zwischen Übergang und Erwartungsdruck: Das WM-Jahr

Frankfurt/Main · Das WM-Jahr 2017 ist für die deutsche Leichtathletik eine besondere Herausforderung. Cheftrainer Idriss Gonschinska deklariert es zum „Übergangs- und Neuformierungsjahr“.

 Der Cheftrainer der deutschen Leichtathleten, Idriss Gonschinska. Foto: Maurizio Gambarini

Der Cheftrainer der deutschen Leichtathleten, Idriss Gonschinska. Foto: Maurizio Gambarini

Foto: Maurizio Gambarini

Junge Athleten müssen an die Weltspitze herangeführt, der Abgang von Topathleten kompensiert und den aktuellen, in den vergangenen Jahren stark belasteten Stars mehr Regeneration gegönnt werden.

„Gleichzeitig finden im August in London Weltmeisterschaften mit einer hohen Erwartungshaltung statt“, sagte der Sportchef des Deutschen Leichtathletik-Verbandes im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Das ist ein Spagat, den wir gestalten müssen.“

Zumal es bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro alles andere als optimal für den DLV lief. Ein Jahr nach der WM 2015 in Peking, wo die Deutschen acht Medaillen (2x Gold, 3x Silber, 3xBronze) gewannen, holten sie in Brasilien nur drei Mal Edelmetall. „Das Olympia-Jahr ist so augenscheinlich in der Wahrnehmung, doch die WM 2015 war eine der erfolgreichsten in der jüngsten Geschichte der deutschen Leichtathletik“, erklärte Gonschinska und gab zu: „Wir sind mit anderen Erwartungen nach Rio gefahren.“

Ein Grund für die nicht befriedigende Olympia-Ausbeute ist für ihn die Dauerbelastung, jedes Jahr In- wie Outdoor alle Wettbewerbe auf Topniveau zu absolvieren. „Wir haben das auch in Rio gesehen, wo wir viele Topathleten hatten, die nicht ganz fit waren oder erstmalig ihre Spitzenleistungen nicht abrufen konnten“, erklärte Gonschinska. Insofern wolle der DLV mit „ein bisschen weniger Drucksituation in Richtung Weltmeisterschaften“ gehen.

Schwer zu verkraften sind die Rücktritte von Betty Heidler (Hammer) und Christina Obergföll (Speer), die in den 2000er Jahren zusammen 13 Medaillen bei Olympia, WM- und EM sammelten. „Die beiden kann man auch mit hochtalentierten jungen Athleten nicht kompensieren. Die werden uns einfach fehlen“, befand Gonschinska. Dennoch klagt er nicht über fehlenden Nachwuchs: „Es gibt junge Athleten, die sich anbieten. Die Hallen-EM im März in Belgrad war sehr erfrischend.“

Im WM-Jahr setzt der DLV die Hoffnungen vor allem auf bewährte Kräfte wie die Diskus-Brüder Robert und Christoph Harting. Wird Robert auch 2017 die Nummer zwei sein? „Robert und Christoph sind Olympiasieger, da erscheint es wenig angebracht, von einer Nummer zwei zu sprechen“, sagte Gonschinska. Trotz des konfliktträchtigen Verhältnisses zwischen den Hartings erwartet er einiges von ihnen. „Sie trainieren hart, und sie werden uns weiterhin viel Freude machen“, sagte er. „Aber unterschiedliche Typen können und müssen sicherlich auch unterschiedliche Wege gehen.“

Kugelstoß-Ass David Storl, die Hallen-Europameisterin Kristin Gierisch und ihr Dreisprung-Kollege Max Heß sowie die Mittel- und Langstreckenläuferinnen Konstanze Klosterhalfen und Alina Reh stehen für den aktuellen Mix im Nationalteam von Jung und Alt, aufstrebend und etabliert. Aufwärts geht es nach der Leistungsdelle 2016 laut Gonschinska mit der Sorgendisziplin Stabhochsprung. Der lange verletzte Raphael Holzdeppe, Weltmeister von 2013, ist für ihn wieder „ein Hoffnungsträger für den Sommer“.

Schubkraft in Richtung der Olympischen Spiele 2020 in Tokio verspricht sich der DLV von der EM 2018 in Berlin. „Eine internationale Meisterschaft zuhause ist eine unglaubliche Motivation“, sagte Gonschinska. „Wenn man im Rhythmus von vier Jahren denkt, sollte man 2018 einen Schritt weiter sein.“ Man könne nicht wie im Fußball denken und Jahr für Jahr neue Spieler verpflichten. „Nach Berlin wird ein weiterer Generationswechsel stattfinden. Danach bereiten wir das Team für die Sommerspiele in Tokio vor.“

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