Adrian Zöhler bei der SZ Der LSVS-Präsident als Hürdenläufer

Saarbrücken · Adrian Zöhler berichtet im SZ-Redaktionsgespräch von den Hindernissen bei der Sanierung des krisengeschüttelten Sportverbandes.

 Adrian Zöhler, der Vize-Präsident des Saarländischen Fußballverbandes, war dem Reiz des Amtes erlegen. Und so führt er jetzt den Landessportverband für das Saarland an – in dessen bisher schwerster Krise.

Adrian Zöhler, der Vize-Präsident des Saarländischen Fußballverbandes, war dem Reiz des Amtes erlegen. Und so führt er jetzt den Landessportverband für das Saarland an – in dessen bisher schwerster Krise.

Foto: Andreas Schlichter

Adrian Zöhler setzt sich auf das helle Sofa in der SZ-Sportredaktion. Was der Präsident des Landessportverbandes für das Saarland (LSVS) nicht weiß: Auf diesem Platz, unter einem großformatigen Foto von Ironman Jan Frodeno, saß auch Klaus Meiser, sein Vorgänger – als die Finanzaffäre um den LSVS vor etwas mehr als einem Jahr begann. Zöhler ist gemeinsam mit Joachim Meier, einem weiteren Präsidiumsmitglied, zum Redaktionsgespräch gekommen. Fast zwei Stunden wird Zöhler über den LSVS sprechen, aber auch über sich und seine Aufgabe bei der Dachorganisation des saarländischen Sports.

ADRIAN ZÖHLERS ERSTE BILANZ: „WIR SIND GUT GESTARTET“

„Das waren 100 Tage, wie ich sie noch nie erlebt habe“, sagt Zöhler über die ersten Monate als LSVS-Präsident. Mittlerweile ist er sogar ein paar Tage mehr im Amt. Noch immer geht es ums Ganze, die Zukunft des LSVS – und um viel Geld. Wie fällt Zöhlers erste Bilanz aus? „Ich bin der Meinung, wir sind gut gestartet“, sagt er. „Wir werden unser Tun und Handeln nur besser kommunizieren müssen.“ Bei der Mitgliederversammlung des LSVS im vergangenen September in Eppelborn hatte der Vize-Präsident des Saarländischen Fußball-Verbandes (SFV) für einen Neuanfang geworben – in einer rhetorisch ausgefeilten Bewerbungsrede. Politisch motiviert sei er nicht, so Zöhler, der CDU-Mitglied ist – seit zwei Jahrzehnten. „Es hat mich einfach gereizt“, sagt der 48-Jährige über seine Kandidatur als LSVS-Chef. „Der Sport hat mir viel gegeben.“ Jetzt wolle er etwas zurückgeben. 

DIE IMMERGLEICHE FRAGE: WIE LANGE REICHT DAS GELD?

Mehr als einmal drohte dem LSVS im vergangenen Jahr das Geld auszugehen. Wie flüssig ist der Sportverband jetzt? „Wir haben Rücklagen bis Ende März“, sagt Zöhler. Das verdankt der LSVS dem Land, das mit einem Übergangskredit aushalf. Nicht uneigennützig. Wäre der Sportverband zahlungsunfähig, müsste der Steuerzahler für ihn aufkommen. Daher stimmte der Ministerrat auch einer Bürgschaft für ein neues Darlehen bei der saarländischen Landesbank zu. Es geht um 15,2 Millionen, ohne die der Sanierungsplan des LSVS nicht aufgehen würde. Doch die Banker erwarten mehr Sicherheiten. Das Darlehen sei „noch nicht in trockenen Tüchern“, betont Zöhler. Den Weg zum Kreditvertrag vergleicht der Sportfunktionär mit einem Hürdenlauf – eine „letzte Hürde“ sei noch zu nehmen. Der LSVS muss ein überzeugendes Sanierungsgutachten vorlegen. Immer wieder hieß es, das Papier stehe vor dem Abschluss. Dann kam das nächste Hindernis. Liegt das Gutachten vor, kann der Verband von einem Wirtschaftsprüfer den Jahresabschluss für 2017 testieren lassen – und die Bank eine Entscheidung treffen. 

DER CHEFSANIERER: „BLANK HAT ALLES IN DEN HÄNDEN“

Mit dem Rechtsanwalt Michael Blank beschäftigt der LSVS einen Chefsanierer. Das alte Präsidium holte ihn auf Druck des Innenministeriums an die Sportschule. Damit entmachteten sich die Verantwortlichen selbst. „Michael Blank hat eigentlich alles in den Händen, stimmt sich jedoch eng mit dem Präsidium ab“, sagt Zöhler über den Konsolidierungsberater, der im vergangenen April sein Mandat bekam – und voraussichtlich noch zwei Jahre bleiben wird. Für das Sanierungskonzept seiner Kanzlei gab es viel Kritik. Der LSVS-Präsident sagt über den Insolvenzanwalt aus Völklingen: „Blank ist ein Sanierer, der natürlich das Interesse hat, sein Sanierungskonzept durchzuziehen.“ 

NEUE STRUKTUREN AN DER SPORTSCHULE: DER LSVS DER ZUKUNFT

„Was ist die Kernaufgabe des LSVS?“ So lautet für Zöhler die Zukunftsfrage. Eine Strukturkommission soll Reformen anstoßen, alles an der Sportschule auf den Prüfstand stellen. Sie nimmt Ende Januar ihre Arbeit auf, es gab mehr Interessenten als Plätze. Wer mitarbeiten wollte, musste sich bewerben. Die Kommission wird viel zu tun haben, die LSVS-Satzung bezeichnet Zöhler als „antiquiert“, es gibt keine Geschäftsordnung, keine Finanzordnung – kaum Richtlinien. Im Untersuchungsausschuss des Landtages musste Hauptgeschäftsführerin Karin Becker einräumen, dass in der Vergangenheit kein Controlling existierte. So könnte Zöhler laut Satzung über 10 000 Euro verfügen, ohne Zustimmung seines Präsidiums – ob nun an einem Tag oder im Jahr, das ist nicht geregelt. Intern braucht es neue Abläufe, allein schon deshalb, weil der LSVS nach einer Kündigungswelle mit viel weniger Personal wird auskommen müssen. Der Präsident sagt: „Wenn wir die Strukturen nicht angleichen, geht das auf Dauer nicht gut.“

MACHT UND OHNMACHT DES LSVS-PRÄSIDENTEN

Der LSVS ist auf den Präsidenten zugeschnitten. Zöhler will das ändern – auch deshalb, weil die Ehrenamtlichen an der Spitze in der Haftung stehen. Während die Hauptgeschäftsführerin das Alltagsgeschäft erledigt, ohne formal die Verantwortung für den Verband zu tragen. Das erschwert auch die Amtsführung des neuen LSVS-Präsidiums, zieht die Sitzungen in die Länge. Wegen der Finanzaffäre will niemand ein Risiko eingehen. „Das hemmt unsere Arbeit zunehmend“, sagt Zöhler. „Jede Entscheidung muss mehrfach hinterfragt werden.“ Wie will sich der LSVS in Zukunft organisieren? Zöhler lobt das Modell des Landessportbundes in Niedersachsen. Dort ist das Präsidium eher Kontrollorgan, es repräsentiert den Verband nach außen, gibt die Richtung vor. Daneben gibt es zwei Vorstände – im Hauptberuf. Klar ist: Eine solche Struktur würde die Position des LSVS-Präsidenten schwächen. Zöhler sagt: „Diese Machtposition würde ich aufgeben. Hier geht es nicht um mich, sondern den Sport.“ Auch kündigt er an: „Ich werde meine Entscheidungen nicht alleine treffen, sondern das Präsidium einbeziehen.“ Er sehe sich als Teamplayer. Für alles müsse es zudem Nachweise geben. Die Förderung des Spitzensports soll möglichst transparent sein: „Es muss klare und nachvollziehbare Kriterien geben.“ 

NACH DER KÜNDIGUNGSWELLE: DER LSVS UND SEIN PERSONAL

Der LSVS hat Dutzenden seiner Angestellten gekündigt. Nach Angaben von Zöhler ziehen wohl alle vor ein Arbeitsgericht. Betroffen ist ein Drittel der Belegschaft. Unter diesen Umständen fällt das Lob des Chefs umso deutlicher aus: „Unsere Mitarbeiter erledigen ihre Arbeit mit großem Engagement und persönlichem Einsatz in denkbar turbulenten Zeiten“, sagt Zöhler. Zugleich macht sich das LSVS-Präsidium derzeit unbeliebt: Es will alle Stellen ab der Entgeltgruppe E 10 durch eine Anwaltskanzlei überprüfen lassen. Das hat Zöhler am Montag der Hauptgeschäftsführerin Becker mitgeteilt. Hintergrund ist die Aussage von Sigrid Morsch im Untersuchungsausschuss zur Finanzaffäre im Landtag. Die frühere CDU-Bürgermeisterin von Oberthal arbeitete als Gutachterin für den LSVS. Die Beschäftigten an der Sportschule werden wie im Landesdienst entlohnt, im öffentlichen Tarifrecht kennt Morsch sich aus. Sie verfasste 2016 zur geplanten Beförderung einer Angestellten eine neunseitige Expertise. Die Frau sollte von der Entgeltgruppe E 11 in die E 12 aufsteigen, das damalige Präsidium stimmte zu – was nun die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen hat. Sie beschuldigt drei frühere Präsidiumsmitglieder der Untreue. Denn Morsch war zu dem Schluss gekommen, dass für die Tätigkeit der Frau die niedrigere E 9 „angemessen gewesen“ wäre. Allerdings musste die Gutachterin mit einem Handicap umgehen: Für die Besserverdiener beim LSVS liegen seit Jahren keine Stellenbeschreibungen vor. Daher will Morsch den früheren Verantwortlichen zweierlei Maß bei der Eingruppierung vorgeworfen haben: „Ihr könnt nicht bei den Kleinen alles tarifgerecht wollen und bei den Großen machen, was ihr wollt.“ Für Zöhler stellt sich die Frage: „Wurde in der Vergangenheit richtig gehandelt?“ Die neue Führung sieht sich nun unter Zugzwang. Sie befürchtet, ebenfalls ins Visier der Ermittler zu geraten – daher die geplante Überprüfung. 

EIN RAUSWURF MIT FOLGEN: ZUR ZUKUNFT DES FSJ IM SPORT

Der LSVS hat auch einer Mitarbeiterin gekündigt, die sich um das Freiwillige Soziale Jahr im Sport kümmert. Doch: An ihrer Stelle hängen alle Fördergelder des Bundes und die Zukunft des Freiwilligendienstes in Vereinen und Verbänden. Zöhler pocht darauf, an dem Rauswurf nicht beteiligt gewesen zu sein. Er habe drei Wochen nach seiner Wahl davon erfahren, sagt er: „Da ist mir fast die Kinnlade runtergefallen.“ Einfach zurücknehmen kann der LSVS die Kündigung nicht. Zöhler spricht vom „Kündigungskonzept“ des Chefsanierers Blank. Es sieht vor, dass alle Mitarbeiter in der Entgeltgruppe E 9 gehen müssen – ganz egal, welche Folgen das haben könnte. Würde man die für das FSJ zuständige Frau weiterbeschäftigen, „widerspricht das dem Kündigungskonzept“, so Zöhler. Trotzdem stellt er eine Lösung in Aussicht. Das FSJ soll weitergeführt werden. Dazu bedarf es einer pädagogischen Fachkraft. Der LSVS-Präsident sagt: „Wir brauchen innerhalb des LSVS Personen, die die Voraussetzungen erfüllen – und die gibt es.“

SANIERUNGSSTAU AN DER HERMANN-NEUBERGER-SPORTSCHULE

An der Hermann-Neuberger-Sportschule gibt es mehr als eine Baustelle, es herrscht ein Sanierungsstau. Und das nach Jahren, in denen der LSVS etliche Millionen in Hallen und Sportplätze pumpte. Die Turnhalle gilt als Problemfall, sie war zwischenzeitlich gesperrt. Sollte der Millionen-Kredit der Landesbank fließen, sind allein neun Millionen Euro für die Sportschule reserviert. Ob diese Summe ausreicht? Mehr habe man nicht bekommen, heißt es aus Sport und Politik. Auch steht eine genaue Bestandsaufnahme nach Angaben von Zöhler noch aus. Die Sportschule verteilt sich über 90 000 Quadratmeter im Saarbrücker Stadtwald, der LSVS übernahm 1982 die Trägerschaft vom Land. Er baute fleißig, übernahm vor drei Jahren den Grund und Boden. Wie der LSVS die Sportschule in Zukunft unterhalten soll, ist eine offene Frage. „An der Beantwortung dieser Frage wird derzeit hart gearbeitet“, sagt Zöhler. Im vergangenen August war auf politischer Ebene im Gespräch, die Strukturholding Saar mit ins Boot zu holen.

ERMITTLUNGEN WEGEN DES „JURISTENESSENS“ DER FUSSBALLER

Gegenüber dem Fußballverband hat sich der LSVS in der Vergangenheit offenbar großzügig gezeigt. Zöhler bestätigt ein „Freikontingent“ des SFV in der Mensa der Hermann-Neuberger-Sportschule. Das wirft ein neues Licht auf die aktuellen Ermittlungen gegen Ex-LSVS-Vize Franz Josef Schumann – wegen des „Juristenessens“, das der SFV für seine Sportrichter in der Mensa veranstaltet. Hat der LSVS die Kosten für das Essen im Januar 2017 getragen? Und war Schumann an dieser Entscheidung beteiligt? Beides klärt derzeit die Staatsanwaltschaft. Sie schließt nicht aus, dass der SFV selbst gezahlt hat. Dann gäbe es aus ihrer Sicht wohl nichts zu beanstanden. Im SR erwähnte Schumann ein „internes Verrechungskonto“ zwischen LSVS und SFV. Der 70-Jährige ist Fußball-Präsident, Zöhler sein Vize. Daher fällt es ihm als neuem LSVS-Präsidenten nicht leicht, sich in der Angelegenheit zu positionieren. Schumann hatte in einem offenen Brief an die Basis der Fußballvereine den Eindruck erweckt, die Ermittlungen richteten sich nicht nur gegen ihn – sondern das gesamte Ehrenamt. Zöhler verwirft diese Interpretation nicht. Für ihn ist weiterhin offen: „Geht es um die Abrechnung oder das Essen an sich? Darin liegt der Knackpunkt.“ Das wolle man sauber geklärt haben. Innerhalb des LSVS dürfte das „Freikontingent“ des mitgliederstärksten Sportfachverbandes noch für Diskussionen sorgen.

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