SZ-Analyse zum LSVS-Skandal Das Pulverfass könnte dieser Tage hochgehen

Saarbrücken · Innenminister Bouillon hat den LSVS-Gesamtvorstand heute eingeladen. Der Druck wird höher, die Zahl der offenen Fragen wächst.

 Um Sport geht es an der Saarbrücker Hermann-Neuberger-Sportschule in diesen Tagen nicht.

Um Sport geht es an der Saarbrücker Hermann-Neuberger-Sportschule in diesen Tagen nicht.

Foto: Iris Maurer

Die Woche der Entscheidung ist angebrochen, und die Lage beim Landessportverband für das Saarland (LSVS) gleicht einem Pulverfass. Seit der Ankündigung von Innenminister Klaus Bouillon (CDU), im Falle eines Scheiterns des Sanierungskonzeptes von Konsolidierungsberater Michael Blank den LSVS „abzuwickeln“, sind Verunsicherung und Furcht auf der einen und Unverständnis bis hin zu Verärgerung auf der anderen Seite gewachsen. Bouillons Ziel, den Gesamtvorstand mit Vertretern aller Sportfachverbände des LSVS auf seine Seite zu ziehen, könnte zum Eigentor werden.

Nachdem das ohnehin unter Beschuss stehende Präsidium des LSVS dem Konzept bereits zugestimmt hat („einstimmig schweren Herzens“), muss nun am Donnerstagabend der Gesamtvorstand sein finales Okay geben. Doch hier regt sich Widerstand. Weil es seit drei Monaten keine Sitzung mehr gab, weil Sanierer Blank praktisch nicht kommunizierte und das Sanierungskonzept erst auf massiven Druck der Verbände, angeführt vom Saarländischen Leichtathletik-Bund, vor wenigen Tagen herausgab. Die Stimmung drohte zu kippen, ehe Bouillon die Initiative ergriff und den Vorstand kurzfristig für heute ins Innenministerium einlud – allerdings um 12 Uhr. Wieviele Vertreter ihre beruflichen Verpflichtungen problemlos hinten anstellen können, um an der nicht öffentlichen Sitzung teilzunehmen, ist offen. Dass hinter vorgehaltener Hand bereits spekuliert wird, der Termin sei bewusst gewählt, damit gar nicht alle Verbände vertreten sind, passt in ein Bild des Misstrauens.

Dabei würde – angesichts der Tragweite der Entscheidung – eine umfassende Information für alle Sinn machen. Denn in den letzten Tagen ist die Zahl der Fragen und mit ihr die gewaltige Drohkulisse gestiegen. Zuallererst muss Bouillon erläutern, wie das gehen soll, dass der Landessportverband im schlimmsten Fall liquidiert werde.

Die Ausgangslage ist bekannt: Der LSVS hat Schulden bei der Landesbank Saar (etwa 20 Millionen Euro) und braucht zudem neue Kredite (mindestens 10 Millionen), um bestehende Forderungen zu begleichen. Allerdings ist er nicht in der Lage, Kredite abzubezahlen, weil er jährlich etwa 2,3 Millionen Euro Minus macht. Das Sanierungskonzept von Blank soll dem LSVS eine schwarze Null und Handlungsspielraum sichern – aber zu einem hohen Preis.

Während Blank in Einzelgesprächen mit Verbandsvertretern Gesprächsbereitschaft zu einzelnen Punkten seines Konzepts signalisiert haben soll, bezeichnete Bouillon das Papier als „alternativlos“. Und wenn es keine Zustimmung gebe, werde das Ministerium einen Staatskommissar einsetzen. Dies dürfte vermutlich der bereits als Berater engagierte Günter Staab werden. Und dieser hätte dann, erklärte Bouillon am Freitag, nur eine Aufgabe: den LSVS abwickeln.

Aber geht das überhaupt? Der LSVS ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie kann nicht insolvent gehen. Im Falle, dass der Landessportverband zahlungsunfähig würde, dürfte die Landesbank die Patronatserklärung des Landes ziehen. Das Land muss also für den 20-Millionen-Kredit des LSVS aufkommen. Und eine Auflösung des LSVS ist nicht so einfach. Patrick Ries, langjähriger Vorsitzender der saarländischen Sportjugend, damals auch Mitglied des Gesamtvorstandes, hat die Verbände am Sonntag in einer Rund-Mail hingewiesen, sich nicht hinters Licht führen zu lassen. Der selbstständige Unternehmensberater gibt den Kritikern, im und außerhalb des LSVS, eine Stimme – unabhängig von persönlichen Zielen.

Die Organe Mitgliederversammlung und Vorstand blieben vorerst im Amt, versicherte Ries mit Blick auf die Gesetzeslage. Die Beendigung der öffentlichen Körperschaft müsste erst einmal der Landtag entscheiden. Ihm sei wichtig gewesen, schrieb Ries, „Ihnen den Mut zu machen, klug und sachlich zu entscheiden – unabhängig eines extrinsischen Druckes eines Beraters, eines Ministers oder sonst einer Person. Auch wenn der Sanierungsplan nicht von Ihnen als Vorstand angenommen würde, gibt es weitere Möglichkeiten für den Saarsport.“

Nur ist der Sanierungsplan tatsächlich so schlimm? Das strukturelle Defizit muss auf Null gebracht werden, darüber herrscht Einigkeit. Auch dass die Personalkosten von inzwischen über sechs Millionen Euro pro Jahr zu hoch sind, ist kein Geheimnis. Allein 1,5 Millionen sollen hier eingespart werden. Einige der 182 Mitarbeiter sind schon gar nicht mehr da. Zeitverträge sollen nicht verlängert werden, 62 Personen droht die betriebsbedingte Kündigung. Nach allen Maßnahmen sollen 77 Personen weiter eine Beschäftigung finden.

Doch wie genau hier vorgegangen werden soll, darüber finden sich in dem Sanierungskonzept von Blank, der „Tischvorlage“ für Donnerstag, die der SZ vorliegt, keinerlei Infos. Patrick Ries geht in seinem Schreiben das Blank-Papier Punkt für Punkt durch und listet die offenen Fragen auf. Seine Schlussfolgerung ist vernichtend: „Wenn ich Auftraggeber und damit Rechnungsempfänger dieser Beratungsleistungen wäre, würde ich mir wohl ein paar Fragen stellen müssen, die durchaus rechnungsrelevant beziehungsweise meinen Zahlungswillen betreffend für den Berater sein könnten. Oder sollte der Konsolidierungsberater vielleicht den Auftrag erhalten haben, dem Vorstand ein oberflächliches, nebulös formuliertes und sehr stark gekürztes Papier vorzulegen, um intransparent zu bleiben? Dann würde mich als Vorstandsmitglied sehr interessieren, wer diesen Auftrag erteilt hat? Im anderen Fall müsste ich auf Grundlage dieser Vorlage leider von keiner guten Qualität der Beratungsleistung ausgehen.“

Dass Blanks Konzept in Wahrheit knapp 400 Seiten umfasst und nur die wenigsten es bisher zu Gesicht bekommen haben, ist auch ein Teil der Wahrheit, mit der sich der Gesamtvorstand auseinandersetzen muss. Erschwert wird seine Entscheidung von dem Vakuum in der Führung des LSVS. Präsidium und Hauptgeschäftsführung sind aktuell kaum mehr als Erfüllungsgehilfen. Und dass die gesamte Struktur des LSVS, die gesamte Sportförderung im Saarland auf dem Prüfstand steht, macht es nicht leichter.

Längst wird mit härtesten Bandagen um die Zukunft gerungen. Mehr oder weniger politischer Einfluss? Fast täglich melden sich die Parteien zu Wort. Die deutliche Diskrepanz zwischen den Koalitionspartnern CDU und SPD ist nicht mehr zu übersehen. Und wer soll den LSVS künftig anführen? Ein Präsidium, das weiter aus Fachverbandspräsidenten besteht, die sich zunächst einmal Einfluss sichern wollen statt sich um eine klare Aufgabenverteilung zu kümmern? Mancher wird sich heute und am Donnerstag in Position bringen wollen, andere fürchten um ihre Stellung.

 Der Bau der Multifunktionshalle 2011 an der Hermann-Neuberger-Sportschule ist eine der vielen Ursachen für die Finanzkrise des LSVS. Sie kostete mehr als elf statt der zunächst anvisierten 6,5 Millionen Euro.

Der Bau der Multifunktionshalle 2011 an der Hermann-Neuberger-Sportschule ist eine der vielen Ursachen für die Finanzkrise des LSVS. Sie kostete mehr als elf statt der zunächst anvisierten 6,5 Millionen Euro.

Foto: rup
 Drei Köpfe, die in der Aufarbeitung der LSVS-Krise eine wesentliche Rolle spielen: Klaus Meiser (Präsident von 2014 bis Ende April 2018), Innenminister Klaus Bouillon und Gerd Meyer (Präsident von 2002 bis 2014).

Drei Köpfe, die in der Aufarbeitung der LSVS-Krise eine wesentliche Rolle spielen: Klaus Meiser (Präsident von 2014 bis Ende April 2018), Innenminister Klaus Bouillon und Gerd Meyer (Präsident von 2002 bis 2014).

Foto: rup
 Die Albert-Wagner-Schwimmhalle an der Sportschule gilt als einer der größten Kostenfresser im Haushalt des LSVS mit einem jährlichen Minus von 761 203 Euro. So steht es im Konzept des LSVS-Sanierers Michael Blank.

Die Albert-Wagner-Schwimmhalle an der Sportschule gilt als einer der größten Kostenfresser im Haushalt des LSVS mit einem jährlichen Minus von 761 203 Euro. So steht es im Konzept des LSVS-Sanierers Michael Blank.

Foto: Thomas Wieck
 Patrick Ries hat das LSVS-Konzept sehr kritisch bewertet.

Patrick Ries hat das LSVS-Konzept sehr kritisch bewertet.

Foto: Costra/Dirk Petry

Das gilt im Übrigen auch für Innenminister Klaus Bouillon. Während Ministerpräsident Tobias Hans gerade stolz verkündet hat, dass das Land 2019 und 2020 keine neue Schulden machen will, „ein Meilenstein“, so Hans, droht der Finanzskandal beim LSVS zu eskalieren. Mit der möglichen Folge, dass das Land 30 bis 40 Millionen Euro aufbringen muss, um den Schaden zu reparieren. Kein Wunder also, dass der LSVS ein einziges Pulverfass ist.

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