Radsport Der Dominator kämpft um Sympathiepunkte

Paris · Tour-Sieger Christopher Froome hat bereits seine nächsten Ziele definiert. Jubelstürme auf der Insel hat der Brite nicht ausgelöst.

 Die Protagonisten der diesjährigen Tour de France: Der beste Bergfahrer Warren Barguil, der beste Jungprofi Simon Yates, der alte und neue Tour-Sieger Christopher Froome und der beste Sprinter Michael Matthews (von links).

Die Protagonisten der diesjährigen Tour de France: Der beste Bergfahrer Warren Barguil, der beste Jungprofi Simon Yates, der alte und neue Tour-Sieger Christopher Froome und der beste Sprinter Michael Matthews (von links).

Foto: dpa/Thibault Camus

Die „engste Tour“ seiner Karriere wird dem spindeldürren Mann noch einige Zeit in den Knochen stecken. Trotzdem hat der viermalige Champion Chris Froome, der seine Landsleute nicht gerade zu Begeisterungsstürmen animiert, die nächsten Herausforderungen bereits im Visier. Weil die 105. Tour de France wegen der Fußball-WM im kommenden Jahr am 7. Juli eine Woche später startet, prüft der Brite die „Option eines Doubles“ mit Erfolgen in Italien (Giro d’Italia) und Frankreich (Tour de France).

Die Konkurrenz sei auf jeden Fall gewarnt. „Im nächsten Jahr nehme ich den fünften Sieg in Angriff“, sagte Froome auf den Champs Élysées, bevor er sich zur feuchtfröhlichen Teamfeier verabschiedete. Via Twitter postete er Bilder, auf denen sein Teamkollege Michal Kwiatkowski routiniert eine Champagnerflasche öffnet – augenscheinlich nicht die erste an diesem Abend.

Unmittelbar nach der am Sonntagabend mit dem vierten Sieg des 32 Jahre alten Briten zu Ende gegangenen Frankreich-Rundfahrt genoss der Triumphator die öffentlichen Lobeshymnen vor Ort. In Frankreich wird er nach harten Jahren der Anpassung endlich als „netter Junge“ wahrgenommen. Zu Hause allerdings fiel der Jubel eher verhalten aus. Auch in Großbritannien muss der als kühler Rechner und Kalkulator verschriene Radprofi, dessen unattraktiver Fahrstil so gar nichts Elegantes hat, um Sympathiepunkte kämpfen.

„The Telegraph“ schrieb immerhin, Froome bekomme nicht die Anerkennung, die er verdiene. Nach Großereignissen im Fußball, Cricket oder Rugby laufen in Großbritannien die Spiele am Tag danach in Endlosschleifen als TV-Wiederholungen. Bei der Tour de France: Fehlanzeige.

„Froomes große Stärke bei seinen vier Siegen ist seine Fähigkeit, sich allem anzupassen, was die Tour-Organisatoren ihm präsentieren und was das Schicksal verfügt“, schrieb der „Guardian“ gestern eher lakonisch. Für die „Daily Mail“ lief die Tour „weitestgehend nach Drehbuch, auch wenn der Team-Sky-Fahrer an einem besonders steilen Schlussspurt in den Pyrenäen zusammenbrach, weil er nicht vernünftig aufgetankt hatte“. Jubel über die Heldentaten eines Landsmannes hören sich anders an. Bei Bradley Wiggins‘ Toursieg 2012 spielte das ganze Land verrückt. Die Engländer liebten den Mann mit den Ecken und Kanten.

Egal, welche neuen sportlichen Prüfungen bevorstehen – eventuell sogar die Vuelta im September, die er noch nie gewann – im System Froome und Sky ist die Mannschaft alles. Mikel Landa, der den dritten Platz in Paris nur um eine Sekunde verfehlte, ist auf dem Sprung ins spanische Movistar-Team. Dort könnte Nairo Quintana Platz für den Spanier machen. „Ich möchte im nächsten Jahr selbst als Kapitän fahren“, gab der Spanier nach seinem Tour-Debüt zu Protokoll.

Für Landa könnte der französische Bergkönig Warren Barguil vom deutschen Sunweb-Team zu Sky kommen. Der Bonner Christian Knees, mit seinen 1,94 Meter Körpergröße effektiver Froome-Bodyguard auf den Flachetappen, steht vor der Vertragsverlängerung im britischen Superteam mit Sir Dave Brailsford am Regiepult. Ein weiterer Garant für den Froome-Erfolg 2017 war der unermüdlich und bis zur Selbstaufgabe loyale Pole Kwiatkowski, auf den Brailsford auch weiter bauen kann.

„Sehr, sehr stolz“, war auch Marcel Kittel, der im Alleingang für die fünf deutschen Etappensiege bei der Tour 2017 gesorgt hatte. Seine Siegesserie, dazu steigende TV-Quoten (um etwa zehn Prozent) und ein Millionenpublikum entlang der Straße beim Grand Départ in Düsseldorf – der bereits vor Jahren eingeleitete Aufwärtstrend im deutschen Radsport setzte sich auch in diesem Jahr unvermindert fort. Auch wenn ein deutscher Tour-Sieg weiterhin außer Reichweite liegt. Dafür ist nicht nur Froome einfach zu weit voraus.

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