Badminton Der letzte große Auftritt vor dem neuen Leben

Saarbrücken · Marc Zwiebler spielt seine letzte Badminton-WM. Der große Druck ist weg. Stattdessen freut er sich auf ein neues Kapitel.

 Der beste deutsche Badmintonspieler Marc Zwiebler verlässt das Saarland in Richtung seiner Heimat Bonn. Ob er hier mit seinem Spiegelbild zusammen die Zeit in Saarbrücken Revue passieren lässt? Oder kommt das leichte Lächeln von der Zufriedenheit mit seiner Karriere?

Der beste deutsche Badmintonspieler Marc Zwiebler verlässt das Saarland in Richtung seiner Heimat Bonn. Ob er hier mit seinem Spiegelbild zusammen die Zeit in Saarbrücken Revue passieren lässt? Oder kommt das leichte Lächeln von der Zufriedenheit mit seiner Karriere?

Foto: Oliver Dietze

Die Bar um die Ecke. Wie viele Abende er hier verbracht hat in den letzten 15 Jahren. „Mein ganzes Erwachsenenleben spielte sich in Saarbrücken ab“, erzählt Marc Zwiebler. Wenn er nicht gerade in der ganzen Welt unterwegs war. Um die Badminton-Elite aufzumischen. Ein letztes Mal genießt der 33-Jährige im Jules Verne seinen Cappuccino. An der Ecke Mainzerstraße/Paul-Marien-Straße. Sein Blick geht aus dem Fenster zum Balkon auf der Straßenseite gegenüber. Es war seiner. Jahrelang. Dort hatte der Badminton-Star gewohnt.

Ein letztes Mal trumpft der langjährige Spieler des BC Bischmisheim ab heute auf der internationalen Badminton-Bühne auf. Bei der Weltmeisterschaft in Glasgow, Schottland. Dann war’s das. 15 Jahre Badminton-Karriere. Gezittert. Gelitten. Gesiegt. Auch die Größten müssen mal gehen. „Mir war klar, dass ich das nicht mache, bis ich 40 bin“, erzählt Zwiebler. Und dann kam eins zum anderen: ein Job-Angebot bei einer jungen Unternehmensberatung in seiner Heimat Bonn. „Ein paar körperliche Gebrechen“, wie er sagt. Und der Stützpunktwechsel nach Mülheim an der Ruhr, der einen Umzug für Zwiebler als Einzelspieler bedeutet hätte.

„Es hat sich nach dem richtigen Zeitpunkt angefühlt, auszusteigen“, sagt der 33-Jährige und wirkt dabei entschlossen und zufrieden. Vor ihm liegt der Start in ein neues Leben. Nicht einfach für einen, der 15 Jahre aus dem Koffer gelebt hat. Für einen, bei dem sich alles um Badminton gedreht hat. Schon vor einigen Monaten ist Zwiebler zurückgezogen nach Bonn. Jetzt holt er nach, was er all die Jahre verpasst hat. Zu Hochzeiten gehen, Freunde besuchen. Zeit für die Familie.

Und schon wieder ist der Rest des Jahres verplant. Nur nicht mehr mit Sportterminen. Stattdessen Oktoberfest und Skifahren. Endlich wieder, nach zehn Jahren freut sich Zwiebler riesig darauf. Aber er weiß auch, dass ihm der Sport fehlen wird. Das Reisen, die körperliche Betätigung, das Adrenalin, aber auch die Aufmerksamkeit, sagt er: „Völlig normal, dass ich mich daran gewöhnt habe.“

Denn Zwiebler hat den deutschen Badminton-Sport geprägt wie kaum ein anderer. Neunfacher deutscher Meister, Europameister 2012, mehrfacher Olympiateilnehmer. 2013 spielte der Linkshänder sich bis auf den zehnten Platz in der Weltrangliste vor. Trainer, Mitspieler, Gegner – sie hatten es nicht immer einfach mit dem Einzel-Spezialisten, sagt Zwiebler über sich selbst. „Ich war nie der Stillste, habe immer gesagt, was ich denke.“ Immer hoch motiviert, unter Starkstrom. Manchmal ein Hitzkopf, sagt er. „Ich weiß nicht, wie viele Schläger ich schon zerbrochen oder durch die ganze Halle gefeuert habe.“ Aber immer aufgrund seiner Unzufriedenheit über sich selbst und seine Leistung.

Mit seiner Art hat sich Zwiebler in die Herzen vieler Fans gespielt. In Deutschland, aber vor allem in Asien. Dort warteten die Fans vor dem Hotel auf ihn, vor dem Restaurant, auf der Straße. Dabei stand Marc Zwieblers Badminton-Karriere schon früh kurz vor dem Aus.

Mit Anfang 20, im Jahr 2005, quälen den frisch gebackenen deutschen Meister Rückenschmerzen. Ein Bandscheibenvorfall. Im Laufe des Jahres wird er immer schlimmer. An Badminton ist nicht mehr zu denken. Der Alltag wird für Zwiebler zum Hindernis. Aufstehen, laufen, Socken anziehen. Nicht mehr möglich. Eines Nachts versagen seine Nerven. Zwiebler kann die Beine nicht mehr spüren. Not-Operation an der Wirbelsäule. Eine Reha bringt ihn langsam zurück in ein normales Leben. Nach eineinhalb Jahren ist er zurück auf dem Badminton-Feld. Wie durch ein Wunder. Und er spielt sich wieder ganz nach oben.

Jetzt ist also der Moment für ihn gekommen, Abschied zu nehmen. Seine letzte WM will Zwiebler genießen. Der Druck ist raus. „Ich muss mir nichts beweisen, den Fans nicht, den Sponsoren nicht. Ich muss keine Weltranglistenposition verteidigen“, sagt er. Trotzdem will er noch einmal alles geben.

Auch wenn danach ein neuer Lebensabschnitt für Zwiebler beginnt – irgendwie behält er doch den Schläger in der Hand. In der Bundesliga für seinen ehemaligen Verein BC Bonn-Beuel. Als Vertreter der deutschen und der internationalen Athletengewerkschaften. Als Unterstützer des deutschen Badminton-Nachwuchses, wie Fabian Roth. Und vielleicht packt ihn die Sehnsucht nach der Bar um die Ecke. Und er verbringt mal wieder den einen oder anderen Abend dort. Auf der Ecke Mainzerstraße.

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