Sportpolitik Der Ruder-Stützpunkt ist nicht zu halten

Saarbrücken · Minister Bouillon bereitet Sitzung der Sportminister der Länder zur Leistungssportreform kommende Woche in St. Wendel vor.

 Die Räumlichkeiten an der Undine in Saarbrücken wurden vor zwei Jahren auf den modernsten Stand gebracht. Den Bundesstützpunkt im Rudern wird das Saarland jetzt dennoch verlieren.

Die Räumlichkeiten an der Undine in Saarbrücken wurden vor zwei Jahren auf den modernsten Stand gebracht. Den Bundesstützpunkt im Rudern wird das Saarland jetzt dennoch verlieren.

Foto: Wieck/Thomas Wieck

Es müsste wohl drei Klaus Bouillons geben. Doch am Freitagvormittag sitzt nur einer am Tisch: Bouillon, der Sportminister. Im Saarland ist der 69-Jährige noch zuständig für Inneres und Bauen. In diesen Tagen fordern ihn aber vor allem die Leibesübungen. „Das ist ein Vollzeit-Job für jemanden, der sonst nichts anderes macht“, sagt Bouillon vor Pressevertretern im Nebenzimmer seines Ministerbüros.

Am Donnerstag und Freitag kommender Woche findet im Angel’s Hotel am Golfplatz in St. Wendel die Sportministerkonferenz, kurz: SMK, statt. Dann wird Bouillon mit seinen Länderkollegen vor allem über eines sprechen: die nach den Olympischen Spielen 2016 angekündigte Leistungssportreform.

Bouillon geht in die Gespräche in herausgehobener Position. Im Januar übernahm der CDU-Politiker für zwei Jahre den Vorsitz der SMK. Seitdem betreibt er Sportpolitik im nationalen Maßstab, in einer „entscheidenden Phase“. Schon jetzt plädiert Bouillon für weitere Treffen. Er stellt sogar eine „Sonderkonferenz“ im kommenden Jahr in Aussicht.

Noch zu Jahresbeginn glaubte der Sportminister, das große Reformvorhaben verlaufe in geordneten Bahnen. Am Freitag sagt er: „Es ist überhaupt nichts geklärt.“ Hinter den Kulissen gebe es keine Einigung. Obwohl die Konzepte für die Leistungssport­reform längst vorliegen und vieles bereits umgesetzt sein sollte.

Die „Revolution des Spitzensports“, wie Bouillon die Reform nennt, ist ein Projekt des Bundesinnenministeriums und des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Die Länder befinden sich in einer schwächeren Position. Alle fürchten darum, öffentlichkeitswirksame Sportzentren und Topsportler zu verlieren. Deshalb strebt Bouillon als Gastgeber der SMK vor allem eines an: Einigkeit auf Länderebene. „Wir haben nur eine Chance, wenn wir als Länder eine einheitliche Sprache sprechen“, erklärt er.

Zumal nach der Bundestagswahl im September unklar ist, wer Thomas de Maizière (CDU) als Bundesinnenminister beerben wird. Was bedeutet: Die Absprachen der vergangenen Monate könnten bald wieder auf dem Prüfstand stehen. „Alles ist in der Schwebe“, sagt der Christdemokrat aus dem Saarland.

Bouillon will sich mit seinen Kollegen vor allem in drei Fragen verständigen: Wie viele Olympia- und Bundesstützpunkte wird es in Zukunft geben? Wie groß soll die Anzahl der Kaderathleten sein? Und grundsätzlich: Was soll der Spitzensport die Bundesrepublik kosten?

Aktuell existieren in Deutschland über 200 Bundesstützpunkte, im Saarland sind es fünf: Badminton, Leichtathletik, Ringen, Rudern und Triathlon – unter dem Dach des seit 1994 gemeinam mit Rheinland-Pfalz betriebenen Olympiastützpunktes. Mit der Reform fallen mehr als 40 Bundesstützpunkte weg. In den vergangenen Monaten haben der DOSB und die ihm angehörenden Spitzenverbände konkrete Vorschläge gemacht. Doch: „Das ist alles nicht so transparent, wie es ausschaut“, sieht Bouillon noch Klärungsbedarf. Zu erwarten ist, dass die SMK nun über die Zukunft mehrerer Dutzend Einrichtungen verhandeln wird – ohne das letzte Wort zu haben. Denn das liegt beim Bundesinnenministerium.

Was ist für das Saarland zu erwarten? „Rudern ist nicht zu halten“, wiederholte Bouillon gestern, was er unserer Zeitung bereits im August gesagt hatte. Der angestrebte Bundesstützpunkt im Schwimmen dürfte nach dem Weggang von Landestrainer Hannes Vitense am Jahresende nicht kommen.

Nicht nur in diesen Disziplinen fehlt es der Region an Spitzenathleten. „Wir haben keine Aushängeschilder“, klagt Bouillon, „keine Namen“. Als Ausnahmen fallen dem Minister spontan Tischtennis-Europameister Patrick Franziska (1.FC Saarbrücken) und Leichtathletin Laura Müller (LC Rehlingen) ein, die über 200 Meter auf internationalem Niveau läuft. „Wir brauchen am Olympiastützpunkt mehr Athleten mit Perspektive“, fordert Bouillon, der betont, nur die Rahmenbedingungen schaffen zu können. Verhandlungen müsste der Landessportverband für das Saarland in Zusammenarbeit mit den Fachverbänden und Vereinen führen.

Unabhängig von regionalen Entwicklungen wird es in Zukunft weniger Kaderathleten geben. Auch das ist ein Kernstück der Leistungssportreform. Laut Bouillon erhalten bundesweit 4461 Sportler eine besondere Förderung. Zuletzt sei davon gesprochen worden, diese Zahl „signifikant“ zu senken, referiert Bouillon. Der Sportminister mahnt an, den verbleibenden Sportlern bessere Perspektiven zu bieten. Konkret: die Möglichkeit einer „dualen Karriere“ oder die Anrechenbarkeit von Jahren im Leistungssport bei der Alterssicherung.

Bouillon positioniert sich als Fürsprecher der Sportler. Weshalb er auch dem neuen Verein „Athleten Deutschland“ „absolut positiv gegenübersteht“, wie er sagt. Vorsitzender dieser Initiative ist der Säbelfechter Max Hartung. Pikant: Hartung sitzt der Athletenkommission des DOSB vor – und sah zugleich die Zeit für eine unabhängige Interessenvertretung gekommen.

 Klaus Bouillon erwartet eine „sehr strittige“ Sportministerkonferenz.

Klaus Bouillon erwartet eine „sehr strittige“ Sportministerkonferenz.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Klar ist: Bei allen Reformen im Sport geht es um Medaillen, aber auch ums Geld. 167 Millionen Euro sollen jährlich für den Spitzensport bereitstehen. „Das reicht nicht aus“, erklärt Bouillon: „Wir werden auf der Konferenz eine Rechnung vorlegen.“ Man werde eine hohe Summe fordern, kündigt der Minister an – ohne Zahlen zu nennen. Aber: Der Betrag sei „deutlich höher“ als die bisherige Kalkulation.

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