Fußball Die leisen Vorbilder treten ins Rampenlicht

Sint-Michielsgestel · Die frühere Saarbrückerin Josephine Henning und Babett Peter führen die DFB-Frauen bei der EM zum wichtigen Sieg gegen Italien.

 Die frühere Saarbrückerin Josephine Henning (links) jubelt über ihren Treffer zum 1:0 gegen Italien und stürmt auf ihre Teamkollegin Anja Mittag zu. Die DFB-Frauen quälten sich am Freitagabend zu einem 2:1-Erfolg.

Die frühere Saarbrückerin Josephine Henning (links) jubelt über ihren Treffer zum 1:0 gegen Italien und stürmt auf ihre Teamkollegin Anja Mittag zu. Die DFB-Frauen quälten sich am Freitagabend zu einem 2:1-Erfolg.

Foto: dpa/Carmen Jaspersen

Vor der ganzen Mannschaft auf der Gitarre spielen – das möchte Josephine Henning dann doch nicht. Aber dass sowohl der Koch Hannes Flade als auch TV-Mann Paul Lindemann das Musikinstrument mit ins deutsche Quartier nach Sint-Michielsgestel gebracht haben, findet sie klasse. Die in Mainz geborene, in Trier aufgewachsene und in Saarbrücken gereifte Nationalspielerin stammt aus einer kulturbegeisterten Familie. Bruder Valentin ist Musiker, Vater Jörg Theaterschauspieler. Henning könnte sich ans Klavier setzen und auf Knopfdruck etwas vorspielen. Weswegen sie aber nicht am Samstag zusammen mit Babett Peter auf der Pressekonferenz im deutschen Quartier erschien.

Ausgerechnet das deutsche Innenverteidiger-Duo, vor dem EM-Start als möglicher Schwachpunkt des Titelverteidigers ausgemacht, erzielte beim mühsamen 2:1 gegen Italien beide Treffer. Henning (27) glückte ein kurioser Kopfballtreffer, als die überforderte italienische Ersatztorhüterin Laura Giuliani die Kugel durch die Handschuhe rutschen ließ. „Ich habe ein bisschen spekuliert“, erzählte sie – und dann gedacht: „Jetzt verkack nicht.“

Und Kollegin Peter trat wie selbstverständlich zur Ausführung des entscheidenden Elfmeters an. Einziges Problem: „Gefühlt hat es zehn Minuten gedauert, bis ich schießen konnte.“ Kapitän Dzsenifer Marozsan hatte der Abwehrchefin sofort den Vortritt gelassen: „Ich habe Feuer in ihren Augen gesehen – daher wusste ich, dass sie ihn reinballert.“

Auch Peter (29) ist eine Persönlichkeit, die bei der neuen Bundestrainerin eine höhere Wertschätzung genießt als bei der alten. „Fels in der Brandung“, nennt sie Steffi Jones neuerdings. Das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten könnte bei der aus dem sächsischen Oschatz stammenden Defensiv-Spezialistin damit zusammenhängen, dass sie gelernt hat, mit ihrer Krankheit umzugehen. Seit dem fünften Lebensjahr leidet sie an Fazialisparese, einer lähmenden Krankheit der Gesichtsmuskulatur. „Vor allem über den Fußball habe ich mich als Persönlichkeit gefunden“, sagt die Sportsoldatin.

„Josy“ und „Babs“ sind eher leise Vorbilder. Stille Meinungsmacher. Nichts demonstriert besser die gestiegene Bedeutung des Tandems als ihr Tore-Doppel von Tilburg. Ihr Beitrag zum Gewinn der Goldmedaille beim olympischen Fußballturnier war noch im vergangenen Sommer – gemessen an den Einsatzzeiten – bescheiden. Doch mit dem Rücktritt von Annike Krahn und Saskia Bartusiak rückten beide an zentrale Stelle.

Henning, Rückennummer zwei, hat nach ihrer Anfangsstation 1. FC Saarbrücken (2005 bis 2009) nur bei Spitzenclubs unter Vertrag gestanden: Turbine Potsdam, VfL Wolfsburg, Paris St. Germain, FC Arsenal und aktuell Olympique Lyon. Peter, die Nummer fünf, ist Stütze beim deutschen Pokalsieger VfL Wolfsburg. Und wer kann wie die 109-fache Nationalspielerin aus dem deutschen Kader vorweisen, all den Hype bei der Heim-WM 2011 als Stammspielerin miterlebt zu haben? Sonst nämlich niemand.

Henning wiederum, mittlerweile 42 Länderspiele, hat in Lyon drei Vereinstitel gewonnen, auch wenn sie hinter dem französischen Topduo Wendie Renard und Griedge M‘Bock Bathy oder der Kanadierin Kadeisha Buchanan diese Saison nur selten zum Einsatz kam. Weshalb bei ihr bald noch ein Vereinswechsel anstehen könnte, der sie möglicherweise sogar zurück in die Frauen-Bundesliga führt. Entsprechende Nachfragen prallten auf der Pressekonferenz allerdings ab. „Mein Kopf ist nur bei dieser EM. Darauf liegt der Fokus“, sagt sie. Und lächelt dabei so entspannt, als spiele sie gerade auf einer Gitarre.

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