Ex-Fußballerin ist jetzt Künstlerin Henning vollzieht seltenen Spurwechsel

Trier · Die ehemalige Nationalspielerin, groß geworden in Saarbrücken, ist jetzt Künstlerin. Ihre erste Vernissage steht bevor.

 Kunst statt kicken – Ex-Nationalspielerin Josephine Henning in ihrem Atelier.

Kunst statt kicken – Ex-Nationalspielerin Josephine Henning in ihrem Atelier.

Foto: Frank Hellmann

Es war ein eher leiser Abschied, den Josephine Henning aus dem Frauenfußball genommen hat. Ihr letztes Länderspiel bestritt sie im Juli 2017 gegen Brasilien, nachdem sie mit dem Gewinn der olympischen Goldmedaille mit der deutschen Nationalmannschaft ein Jahr zuvor noch einen Höhepunkt erlebte. Das sei definitiv der richtige Zeitpunkt gewesen, wie diesen Sommer bei den Arsenal Ladies auch auf Vereinsebene einen Schlussstrich zu ziehen. „Ich bin darüber mehr als happy“, sagt die 29-Jährige, als Fußballerin Teil der goldenen Saarbrücker Generation um Nadine Keßler und Dzsenifer Marozsan. Henning war einst sogar die erste Spielerin überhaupt in der Eliteschule für Mädchen- und Frauenfußball in Saarbrücken.

Inzwischen ist sie Künstlerin. Genau genommen widmet sie sich der Acrylmalerei auf großformatigen Leinwänden. Was früher ein Hobby war, „um einen natürlichen Ausgleich zu finden“, wie die in Mainz geborene und in Trier aufgewachsene Josephine Henning sagt, soll bald dazu dienen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

„Als Fußballerin hat man für später nicht ausgesorgt“, erklärt die 42-fache Nationalspielerin, die nach ihrem Abschied vom 1. FC Saarbrücken 2009, als alle Topspielerinnen den Verein verließen, mit drei verschiedenen Vereinen (Turbine Potsdam, VfL Wolfsburg und Olympique Lyon) immerhin vier Mal die Champions League gewann. Das hat sonst bislang keine geschafft. Dennoch war es unabdingbar, die duale Karriere voranzutreiben – und sie hat sich für einen eher seltenen Spurwechsel entschieden. Kicker, die sich der Kunst verschrieben? Den meisten fällt der frühere Hamburger Torwart Rudi Kargus ein. Henning will sich selbst im neuen Metier Zeit geben: „Ich muss mir etwas Neues aufbauen. Wenn es nicht klappt, ist nicht im Winter sofort wieder Schluss.“

Vorerst fiebert sie dem 28. Oktober entgegen. Dann beginnt um 18 Uhr im historischen Frankenturm von Trier ihre erste Vernissage, in der vorwiegend Werke der letzten zwei Auslandsjahre aus London und Lyon ausgestellt werden. Bei Livemusik soll das Interesse an 21 „offenen Stories“ – 20 Bilder und eine Installation – geweckt werden, in denen Farben, aber auch Empfindungen eine große Rolle spielen. Und natürlich auch der Mensch, der sich auf einem Werk beispielsweise auf einer Schaukel an einer riesigen Palme unter einem Stück offenen Himmel befindet. „Es geht auf dem Bild um Entschleunigung, aus dem Alltag rauszukommen“, sagt Henning. Die Sehnsucht nach der längeren Pause. Weil die Motive figurativ und nicht abstrakt gehalten sind, kann das auch derjenige interpretieren, der sich nicht als Kunstkenner ausweist.

Bis zum 9. November läuft ihre Ausstellung, in der die ehemalige Sportlerin meist selbst präsent sein wird. Sie selbst möchte die Geschichte hinter den Bildern erzählen: „Es soll authentisch sein.“ Weil es eben manchmal ein Stück von ihr selbst ist. Henning könnte sich zwar auch vorstellen, ihre Erfahrung aus dem Fußball in Kindercamps weiterzugeben, aber die Kunst passt irgendwie ja auch in die Familiengeschichte: Mutter Sabine arbeitet als Theatermalerin, Vater Jörg Maier ist Schauspieler am Trierer Theater. Und wo in anderen Elternhäusern die Kinder schon mal vor den Fernseher gesetzt werden, „gab es bei uns den Pinsel in der Hand“.

Schon in jungen Jahren zeichnete sie gerne und viel. In ihrer Wolfsburger Zeit legte sie zunächst ihren Bachelor im Gesundheitsmanagement ab („ein Vernunftstudium“). Als sie 2014 zu Paris St. Germain gewechselt war, begann sie ein Fernstudium in Grafik und Design. Mit dem Wechsel nach London und Lyon ließ sie ihre zweite Leidenschaft schon nicht mehr los: „Da wurde aus meinem Wohnzimmer eine Staffelei.“ Wo andere die Freizeit an der Playstation vertrödelten, hat sie lieber gemalt, aber nur darüber selten gesprochen: „Ich wollte nie, dass man mir unterstellt, nicht alles für den Fußball zu geben.“

Jetzt sei die Zeit reif, aus der Schublade herauszukommen. „Die Leute denken oft, man kann nur eins im Leben.“ Henning mag sogar ihre Position als Abwehrspielerin mit dem neuen Ist-Zustand verknüpfen: „Innenverteidiger sind häufig stille, nach innen gekehrte Persönlichkeiten, die vor allem im Sinn haben, ihre Mannschaft zu beschützen.“ Sie spürt nach eigener Aussage längst eine innere Zufriedenheit, „ich habe das Gefühl, es entwickelt sich etwas“. Manchmal verschließt sie sich fast tagelang im Atelier, wenn sie es für nötig hält: „Ich liebe das. Ich lebe einen coolen Traum.“

Die ersten Reaktionen seien ausgesprochen positiv. Bei der Stilfrage mag sie sich gar nicht zu sehr festlegen: „Der Popart ähnlich. Ich arbeite dazu viel mit Spachtel und Spray. Der Mix ist mein Ding.“ Die Preise gebe es „auf Anfrage“, aber auf Nachfrage kommt heraus, dass sie die meisten Bilder im unteren vierstelligen Bereich verortet hat: „Ich kann sie ja nicht verschenken.“ Die Umsetzung von der ersten Idee erfolge ja nicht in drei Tagen, sondern dauere eher drei Wochen. Vieles erfolgt dabei spontan, wie sie sagt.

 Josephine Henning (li.) bejubelt bei der EM 2017 mit Anja Mittag eines ihrer beiden Tore im DFB-Trikot. 42 Länderspiele bestritt Henning.

Josephine Henning (li.) bejubelt bei der EM 2017 mit Anja Mittag eines ihrer beiden Tore im DFB-Trikot. 42 Länderspiele bestritt Henning.

Foto: dpa/Carmen Jaspersen
 Einer ihrer ersten Auftritte in der Frauen-Bundesliga: Josephine Henning (links) im Zweikampf mit der damaligen Frankfurterin Renate Lingor.

Einer ihrer ersten Auftritte in der Frauen-Bundesliga: Josephine Henning (links) im Zweikampf mit der damaligen Frankfurterin Renate Lingor.

Foto: Wieck

Auch eine Auftragsarbeit hat sie schon erledigt, die ausnahmsweise mit dem Fußball zu tun hat: Torwart-Hände auf einem Himmel-Hintergrund. Sie kann sich auch vorstellen, im Zuge der Frauen-WM 2019 in Frankreich tätig zu werden. Ansonsten fehlt ihr zwar der Kontakt zu den Mitspielerinnen, nicht aber der Fußball an sich. Aufzuhören, um lieber den Pinsel zu schwingen als einen Pass zu spielen, dafür war die Zeit einfach reif.

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