Pfingstsportfest in Rehlingen Ein Sportler-Leben auf der Achterbahn

Rehlingen · Die Hindernis-Europameisterin von 2014, Antje Möldner-Schmidt, wagt beim Pfingstsportfest in Rehlingen ihr Comeback.

 Antje Möldner-Schmidt bei der Leichtathletik-EM 2014.

Antje Möldner-Schmidt bei der Leichtathletik-EM 2014.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Antje Möldner-Schmidt wirkt ruhig und ausgeglichen. Niemals würde man vermuten, dass das Leben als Leistungssportlerin für die 33-Jährige aus Cottbus eine einzige Achterbahnfahrt ist. „Diese Extreme zu erleben, das ist schon krass“, sagt sie und lebt am liebsten nur von Tag zu Tag. Mit Gesundheit und Spaß – und das aus gutem Grund.

Möldner-Schmidt ist eine begnadete Mittelstreckenläuferin. Die deutsche Spitze erreicht sie schnell – und mit dem Wechsel auf die 3000 Meter Hindernis im Jahr 2008 wird sie zur Hoffnungsträgerin der deutschen Leichtathletik. Bei der Heim-WM 2009 in Berlin wird sie Achte – und spürt, ihre große Zeit steht bevor. Doch das Leben verläuft in Wellen, eine Krebserkrankung (morbus hodgkin) Anfang 2010 wirft sie komplett aus der Bahn. „Das Thema ist auch heute noch schwer für mich und wirbelt mich immer wieder auf“, sagt sie.

Möldner-Schmidt besiegt den Krebs – und kehrt auf die Bahn zurück. Bei der EM 2012 in Helsinki wird sie Dritte, erhält nachträglich sogar Silber, weil die ursprünglich zweitplatzierte Ukrainerin Svitlana Shmidt des Dopings überführt wird. Möldner-Schmidt und die junge Gesa Felicitas Krause machen Hindernisläufe zu einem Erlebnis. Bei den Spielen 2012 in London werden sie Siebte und Achte, Möldner-Schmidt bei der folgenden WM 2013 in Moskau wieder Achte, bevor sie die Achterbahnfahrt in eine ungeahnte Höhe katapultiert.

Die Europameisterschaft 2014 in Zürich ist ihre Bühne. Möldner-Schmidt triumphiert, gewinnt Gold. Die, die den Krebs besiegt hat, ist in aller Munde. Ein Vorbild. Vielleicht auch, weil sie sich kurz vor der EM erstmals traut, offen über ihre Krankheit zu sprechen. Über Schwellungen am Hals, groß wie ein Ei. Über Narben in der linken Armbeuge, wegen der Nadelstiche der vielen Infusionen. Die Folgen der Chemo, den Haarausfall, die Momente, in denen der Körper, eigentlich ihr Kapital, streikte.

„Ich hatte mich zurückgezogen und lange nicht darüber gesprochen, weil ich erst einmal selbst klarkommen musste“, sagt sie heute. Der EM-Titel wirkt da wie eine Entschädigung. Möldner-Schmidt wird zur Leichtathletin des Jahres 2014 gewählt, doch das Hoch hält nicht lange an. Im Jahr 2015 wird ihr ein Überbein am Knöchel entfernt. Die Operation macht die Saison zunichte. Wieder ein Rückschlag. Doch nun reißt das private Glück sie aus dem Tief heraus. Möldner-Schmidt, seit 2011 verheiratet, ist schwanger, am 27. März 2016 (übrigens Ostersonntag) kommt Töchterchen Lillie Marie zur Welt. „Da war ich einfach nur Mama. Ich habe die Schwangerschaft richtig genossen“, sagt sie.

An Leistungssport denkt Antje Möldner-Schmidt eine Zeitlang nicht. Erst zwei, drei Monate nach der Geburt ertappt sie sich bei dem Gedanken, dass sie irgendwie noch nicht fertig sei. „Das war der entscheidende Moment. Ich hatte ja noch Ziele, wollte 2016 bei den Olympischen Spielen dabei sein. Vor allem will ich es mir selbst beweisen, dass ich noch einmal in die Spitze kommen kann“, sagt sie.

Denn in ihrer Abwesenheit ist es Krause, die zum Star wird. Ihr den deutschen Rekord nimmt. Bei der WM 2015 in Peking sensationell Bronze gewinnt, bei der EM 2016 in Amsterdam Gold. „Ich respektiere den Erfolg der anderen“, sagt Möldner-Schmidt: „Aber natürlich ist das schade, nicht selbst dabei gewesen zu sein. So ist das Leben nun mal. Es nimmt keinen geraden Verlauf.“

Was ihr aktuell bevorsteht, ob Hoch oder Tief, weiß Möldner-Schmidt nicht. Sie spürt die Anspannung, Nervosität. Am Pfingstsonntag bestreitet sie im Rehlinger Bungertstadion ihren ersten 3000-Meter-Hindernislauf seit drei Jahren. Das Ziel ist klar. „Ich will die Norm für die EM abhaken“, sagt sie. 9:45 Minuten – eigentlich ein Klaks für eine, die schon 27 Sekunden schneller gelaufen ist. „Es ist schon schwer, wenn man noch mal bei null anfängt“, sagt Möldner-Schmidt vor ihrem vierten Wettkampf nach der Pause, dem dritten auf der Bahn. Nach einem Crosslauf hat sie ein 5000-Meter-Rennen in Hamburg und die krummen 2000 Meter Hindernis in Pliezhausen hinter sich gebracht. Jetzt Rehlingen. Das eigentliche Comeback. Der Ehrgeiz, herausstechen zu wollen, ist ungebrochen.

„Natürlich haben sich mit der Krankheit und meiner Tochter die Prioritäten verschoben. Und andere Sachen sind manchmal wichtiger als der Sport. Aber wenn ich im Wettkampf bin, blende ich das aus. Dafür freue ich mich über Erfolge umso mehr, weil ich sie mit meiner Tochter und meinem Mann teilen kann“, sagt Möldner-Schmidt.

Beide werden im Bungertstadion dabei sein. Ebenso Disziplin-Bundestrainer Werner Klein. Der Rehlinger begleitet Möldner-Schmidt seit Jahren. Er war immer da, in jeder Phase der Achterbahnfahrt. „Und er hat mir immer Motivation und Rückhalt gegeben“, sagt Möldner-Schmidt: „Wir gehen sehr ehrlich miteinander um. Er hat immer gewusst, was bei mir Sache ist.“ Nur weiß auch Werner Klein nicht, wie es mit seiner Athletin weitergeht. Aber: Es spricht schon vieles dafür, dass das Saarland am Sonntag für sie ein Hoch bereithält.

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