Australian Open in Melbourne Kerber besteht die Nervenprobe wie zu ihren besten Zeiten

Melbourne · Die Kielerin präsentiert sich in absoluter Topform und steht bei den Australian Open im Viertelfinale. Nächste Gegnerin ist Madison Keys aus den USA.

 Angelique Kerber jubelt nach ihrem Einzug ins Viertelfinale der Australian Open ausgelassen.

Angelique Kerber jubelt nach ihrem Einzug ins Viertelfinale der Australian Open ausgelassen.

Foto: dpa/Lukas Coch

Ihren Frust konnte Angelique Kerber nicht mehr verbergen. Genervt schüttelte sie den Kopf, zuckte ratlos mit den Schultern und schimpfte lautstark in Richtung ihrer Box. Kerbers Körpersprache im Achtelfinale der Australian Open erinnerte gestern an einige Auftritte aus dem Jahr 2017, über das sie am liebsten gar nicht mehr sprechen möchte. Sie haderte, als ob sich die ganze Tenniswelt wieder gegen sie verschworen hätte – und kämpfte sich doch eine Runde weiter. Ein Match mit Signalwirkung!

Spielerisch hatte Kerber bereits in der ersten Woche von Melbourne überzeugt, ihren neuen, stabilen Aufschlag und ihre herausragende Beinarbeit präsentiert. Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass sie tatsächlich wieder um einen Grand-Slam-Titel mitspielen kann, erbrachte sie ihn beim 4:6, 7:5, 6:2-Erfolg gegen die unangenehme Hsieh Su-Wei aus Taiwan. „Der Kopf, der Körper und das Herz haben heute zusammengespielt“, sagte Kerber und warnte die Konkurrenz: „I can run forever!“

Rennen musste sie gegen die trickreiche Hsieh viel, „wohl so viel wie in den letzten zwei, drei Matches zusammen“, meinte Kerber. Zwischenzeitlich dachte sie: „Das kann doch nicht wahr sein. Das ist unmöglich. Sie hat immer die bessere Antwort.“ Die Emotionen bahnten sich ihren Weg, zumeist die negativen. „Daran muss ich weiter arbeiten“, sagte Kerber über ihre Gefühlsschwankungen, allerdings weiß sie: „Sie sind auch Teil meines Spiels und meiner selbst.“

Diesmal lähmten sie die Kielerin zumindest nicht, auch beim Stand von 4:5 im zweiten Satz behielt sie die Nerven. Eurosport-Experte Boris Becker atmete auf: „Die Kerber von 2017 hätte diese Partie verloren. Es ist ein gutes Gefühl, dass sie ihre alte Stärke zurückgewinnt.“ Kämpfen konnte Kerber schon immer, schon bevor sie 2016 in Melbourne und New York triumphierte und die Nummer eins der Welt wurde: je aussichtsloser die Situation, desto größer ihr Biss.

Ein Jahr lang war diese Qualität verschüttet unter einem Berg an Selbstzweifeln, mit Trainer Wim Fissette hat sie Kerber in nur wenigen Wochen wieder freigelegt. „Das Ziel ist, dass sie wieder um jeden Punkt kämpft“, hatte der Belgier zu Beginn der Zusammenarbeit gesagt. Nach dem 13. Sieg im 13. Spiel dieses Jahres lässt sich festhalten: Ziel erreicht – und zwar eindrucksvoll.

Mit dem Erfolg steigen aber die Ansprüche, auch wenn Kerber weiterhin „nur von Match zu Match“ schauen will. Gewinnt sie im Viertelfinale morgen gegen Madison Keys, ist sie wieder die deutsche Nummer eins anstelle von Julia Görges, die in Melbourne schon in der zweiten Runde scheiterte, und zurück in den Top Zehn der Weltrangliste – wo sie zweifelsfrei auch hingehört.

Die Begegnung mit der US-Open-Finalistin aus den USA wird eine ganz andere als die Partie gegen Hsieh. Kaum jemand weiß das besser als Kerber. Sieben Mal hat sie bereits gespielt gegen die 22-jährige Keys, die am liebsten alle Ballwechsel nach zwei Schlägen beenden würde. Sechs Duelle hat Kerber gewonnen, als Konterspielerin liegt ihr Keys’ Herangehensweise. Allerdings ist die Weltranglisten-20. in Melbourne noch ohne Satzverlust, ihr Risiko zahlt sich bislang aus. Kerber braucht wieder Kopf, Körper und Herz im perfekten Zusammenspiel. Dann darf sie auch ihren Emotionen freien Lauf lassen, denn dann wäre der dritte Grand-Slam-Titel greifbar nah.

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