Europa League Lieblingsclub von Erdogans Gnaden

Istanbul · Der türkische Vizemeister Basaksehir ist heute Abend bei 1899 Hoffenheim in der Europa League zu Gast.

() „Recep Tayyip Erdogan“ hallte es immer wieder durch die Kabine von Medipol Basaksehir. Die Mannschaft feierte nach dem wichtigen Sieg nicht sich selbst, sondern den türkischen Staatspräsidenten, der sich die Ehre gegeben hatte und im Stadion war. Gerade hatte Basaksehir in der Champions-League-Qualifikation den FC Brügge mit 2:0 geschlagen und damit die Playoffs erreicht. Nach dem Spiel schaute Erdogan in der Kabine vorbei und beglückwünschte die Spieler, die dem Staatschef vor laufenden Kameras mit lauten Sprechchören huldigten.

Die Szene im August zeigte, wie eng die Bindung zwischen dem aufstrebenden Istanbuler Club, heutiger Gegner von 1899 Hoffenheim in der Europa League, und der Staatsmacht ist. Basaksehir hat sich in den letzten Jahren zum ernstzunehmenden Konkurrenten der drei großen Istanbuler Vereine Besiktas, Fenerbahce und Galatasaray entwickelt. Kritiker werfen dem Club aber vor, die sportliche Entwicklung sei nur durch die Nähe zu Erdogan und zur Regierungspartei AKP möglich gewesen.

Im Jahr 1990 war der Club als Betriebsmannschaft der Istanbuler Stadtverwaltung gegründet worden. Nach dem Aufstieg im Jahr 2014 in die Süper Lig präsentierte er sich in neuem Gewand: Neuer Name, neues Logo, zahlreiche Transfers. Seitdem ist der Club von der Nähe zu Erdogan geprägt. „Es ist normal, dass die Mannschaft mit unserem Staatspräsidenten in Verbindung gebracht wird. Das macht uns glücklich“, sagt Vereinspräsident Göksel Gümüsdag. Er ist mit einer Nichte der Ehefrau Erdogans verheiratet, bei der Hochzeit war der Staatspräsident Trauzeuge. Beim Eröffnungsspiel des neuen Stadions lief Erdogan persönlich auf. Die Rückennummer 12 wird nicht mehr vergeben, da sie der Präsident in jener Partie trug. Auch in finanzieller Hinsicht lässt sich eine Verbindung ableiten: Hauptsponsor und Namensgeber des Vereins ist der Krankenhausbetreiber Medipol, dessen Inhaber als enger Vertrauter Erdogans gilt.

So wurde Basaksehir trotz fehlender Tradition und kaum Fans – zu Heimspielen kommen im Schnitt nur etwas mehr als 5000 Zuschauer – attraktiv für namhafte Spieler. Im Aufgebot stehen international erfahrene Profis wie Stürmer Emmanuel Adebayor, der Schweizer Gökhan Inler oder Linksverteidiger Gael Clichy, der im Sommer von Manchester City kam. Das Tor wird vom türkischen Nationaltorwart Volkan Babacan gehütet, im Mittelfeld zieht Kapitän Emre Belözoglu trotz seiner 37 Jahre erfolgreich die Fäden.

Babacan und Belözoglu sorgten in der vergangenen Saison aber für einen Vorfall, der für große Kritik sorgte. Und zu Mutmaßungen über eine bevorzugte Behandlung Basaksehirs durch den ebenfalls regierungsnahen Fußballverband TFF führte. Nachdem sich Belözoglu nach einem Spiel mit einem Anhänger stritt, kam es zu Tumulten, bei denen Journalisten von Basaksehir-Profis attackiert wurden. Während beteiligte Ersatzspieler für fünf Spiele gesperrt wurden, musste Stammtorwart Babacan, der ebenfalls unter den Angreifern war, nur eine Partie aussetzen. So konnte er in einem richtungweisenden Spiel um die Meisterschaft wieder im Kasten stehen. Der ehemalige Nationalspieler Ridvan Dilman sagte dazu: „Es wurde Theater gespielt. Basaksehir hat sich mit dem Verband verständigt, und das ist dabei herausgekommen. Wenn es keine Gerechtigkeit gibt, was bringt es dir dann, wenn du Meister wirst?“

Am Ende wurde Basaksehir Vizemeister und brachte es beinahe bis in die Königsklasse. In den Playoffs scheiterte man nur knapp gegen den FC Sevilla, es fehlte ein Tor. Sevilla-Profi Sergio Escudero zollte den Istanbulern Respekt: „Sie waren ein sehr guter Gegner, der viel Ballbesitz hatte und ihn zu nutzen wusste.“

In der Süper Lig gehört Basaksehir auch in diesem Jahr zu den Spitzenteams und steht derzeit auf Platz vier, gefolgt von Fenerbahce und Besiktas. In der Europa League läuft es dagegen noch nicht: Aus den ersten zwei Partien gegen Ludogorez (0:0) und Sporting Braga (1:2) sprang erst ein Punkt heraus. Gegen Hoffenheim soll nun heute (21.05 Uhr/Sport1) der erste Dreier her.

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