1860 München „Sehr eng, sehr laut – da gibt’s Gänsehaut“

München · Zuschauerrekorde in der Regionalliga, haufenweise Neueintritte in den Verein und Euphorie in der alten Heimstätte Grünwalder Stadion: Auf den ersten Blick scheint 1860 München den Schock nach dem Abstieg aus der 2. in die 4. Liga verarbeitet zu haben. Das Spiel gegen den FC Augsburg II wurde am vergangenen Samstag wegen der hohen Nachfrage ins Bundesliga-Stadion der Schwaben verlegt, die Karten für das brisante Stadtderby gegen Bayern München II am kommenden Sonntag (15 Uhr/Sport1) waren innerhalb kürzester Zeit vergriffen.

 Immer volle Hütte in der alten Heimat: Die Fans im Grünwalder Stadion beeindrucken die Gegner von 1860 München in der Regionalliga Bayern.

Immer volle Hütte in der alten Heimat: Die Fans im Grünwalder Stadion beeindrucken die Gegner von 1860 München in der Regionalliga Bayern.

Foto: dpa/Tobias Hase

„Nach dem Abstieg war da Leere, aber jetzt freut man sich über das neue Image als bodenständiger Regionalligist“, meint ein Vorsitzender des Vereins „Freunde des Sechz‘ger Stadions e.V.“.

Präsident Robert Reisinger beschreibt den Abstieg als Chance, 1860 „wieder näher zu den Menschen zu bringen, die diesen Verein lieben und ihn als den ihren begreifen“. Mitgliederzahlen scheinen das zu bestätigen: 2700 Neueintritte in den Verein gab es von Juni bis August – dem stehen nur 200 Austritte gegenüber. Insgesamt haben die „Löwen“ rund 21 000 Mitglieder.

Die Regionalliga Bayern ist dank 1860 München so beliebt wie nie zuvor. Die Übertragungsrechte in der höchsten bayerischen Spielklasse liegen beim TV-Sender Sport1. Dort wurden bisher drei Spiele der Löwen im Fernsehen gezeigt – mit Zuschauerzahlen zwischen 180 000 und 270 000. Sieben weitere Partien von 1860, die nicht im frei empfangbaren TV übertragen wurden, hat Sport1 als Livestream im Internet gesendet – erstmalig für Spiele aus der Regionalliga, die nicht gleichzeitig im Fernsehen liefen. Stichproben ergaben über 120 000 Zuschauer pro Stream.

Die Zuschauerzahlen dürften auch an der „fantastischen“ Stimmung im Grünwalder Stadion liegen, wie Cheftrainer Daniel Bierofka beschreibt. „Ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass in irgendeinem Spiel mal fünf Minuten Ruhe war“, erzählt er. „Es ist halt alles sehr eng, sehr laut – da gibt‘s schon Gänsehaut.“

Nicht jeder stimmt in diese Euphorie ein. „Der ganze Verein ist gespalten“, meint Andreas Kern von „ARGE“, einem Verband aus 510 Löwen-Fanclubs mit rund 38 000 Mitgliedern. „Das Meinungsspektrum geht von ‚Ich geh nicht in die Ruine’ bis zu ‚Ich will nicht mehr raus’“, sagt er über die Rückkehr ins Grünwalder Stadion. „Wenn du einmal mit einem 1er BMW gefahren bist, willst du dich halt nicht mehr in eine alte Karre setzen“, formulierte es ein älterer Fan.

In die Grünwalder Heimstätte passen wegen Sicherheitsvorschriften, Lärmschutz und Baumängeln derzeit nur 12 500 Zuschauer. Ende des Jahres befasst sich der Stadtrat mit einer Aufstockung um 2500 Plätze. Doch auch dann würden weiter zahlreiche Fans leer ausgehen.

Und wo wird bei einem Aufstieg in die 3. oder gar 2. Liga gespielt? Das Grünwalder ist nicht zweitligatauglich, eine Rückkehr in die Allianz Arena des FC Bayern ist ausgeschlossen. Die einst kühnen Pläne des umstrittenen Investors Hasan Ismaik für ein neues Stadion – samt Löwen-Gehege – sind vorerst ad acta gelegt. Trotz aller Euphorie bei vielen: Die strukturellen und langfristig drohenden Probleme können auf dem Rasen nicht gelöst werden.

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