WM-Kolumne Von wegen beste Weltmeisterschaft aller Zeiten

Die Fußball-WM in Russland ist zu Ende. Die Titelkämpfe haben bemerkenswerte Erkenntnisse geliefert. Die Bewertung derer fällt aber ganz unterschiedlich aus.

WM-Kolumne: Von wegen beste Weltmeisterschaft aller Zeiten
Foto: SZ/Roby Lorenz

Die beste WM, die jemals stattgefunden hat? Was soll Gianni Infantino sonst sagen? Es liegt in der Natur eines Fifa-Präsidenten, gelegentlich die Bodenhaftung oder den Blick für die Realität zu verlieren.

Keine Frage: Russland war ein sehr guter Gastgeber. Wäre das Land immer so gastfreundlich, so weltoffen wie in diesen vier Wochen, gäbe es deutlich weniger Probleme auf dieser Welt. Leider sind die vier Wochen vorbei, der Alltag wird Russland einholen. Ein Alltag, in dem Staatspräsident Wladimir Putin nicht so angenehm zurückhaltend sein wird.

Es ist schon kurios, dass wir uns plötzlich über Weltmeisterschaften ohne politische Eskalation, ohne Terroranschlag, ohne Hooligans freuen. Sollte das nicht das Normalste der Welt sein?

Rein sportlich gesehen hat die WM gezeigt, dass der Ballbesitzfußball keine Zukunft hat. Tiki Taka ist nicht mehr der Weg zum Glück, das mussten Spanier und Deutsche gleichermaßen erkennen. Das elende Geschiebe galt lange als das Nonplusultra des Weltfußballs. Nur was nützen 1000 erfolgreiche Pässe in einem Spiel, wenn der Gegner mit einem überfallartigen Angriff das Spiel gewinnt? Das wiederum sorgte bei (zu) vielen Mannschaften für eine äußerst defensive Ausrichtung, um es diplomatisch auszudrücken. Man könnte auch sagen: Das war eine der destruktivsten Weltmeisterschaften, die jemals stattgefunden hat. Das aber würde ein Fifa-Präsident niemals zugeben. Und deswegen erfreuen wir uns der wenigen Ausnahmen.

Kylian Mbappé hat die Franzosen, einen disziplinierten Haufen überdurchschnittlicher Fußballer, mit seiner Extraklasse wach geküsst. Die Kroaten sind ein Musterbeispiel für die alte Weisheit: Mentalität schlägt Qualität. Die Belgier begeistern immer mehr. Diese Generation wird um Titel spielen und hat das auch verdient. Gleiches gilt für die jungen Engländer, die neuerdings Elfmeterschießen gewinnen können. Das ist vielleicht die größte Sensation. Das hat es bei einer WM zuvor tatsächlich noch nicht gegeben.

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