Wahlschlappe für 96-Boss Kind Schwerer Dämpfer für Hannovers Alleinherrscher

Hannover · Machtwechsel bei 96: Gegner von Clubboss Kind siegen bei der Mitgliederversammlung. Übernahmepläne auf dem Prüfstand.

Niemals allein oder allein auf weiter Flur? Hannovers Clubchef Martin Kind erlitt gegen die vereinsinterne Opposition eine deftige Niederlage.

Niemals allein oder allein auf weiter Flur? Hannovers Clubchef Martin Kind erlitt gegen die vereinsinterne Opposition eine deftige Niederlage.

Foto: dpa/Oliver Vosshage

Nach dem Machtwechsel stapfte Martin Kind erschöpft und empfindlich geschlagen von dannen. Der bisherige Big Boss von Hannover 96 hatte einen Samstag erlebt, der sich für ihn wie die letzten Bundesliga-Spieltage angefühlt haben muss. Der 74 Jahre alte Unternehmer verließ die Mitgliederversammlung als klarer Verlierer, seine Kandidaten kassierten bei der Aufsichtsratswahl des Stammvereins eine 0:5-Klatsche. Der Club bleibt gespalten, und Kinds umstrittene Übernahmepläne geraten in Gefahr.

„Es ist ein eindeutiges Ergebnis, es war immer klar, dass die Szene gut organisiert ist“, räumte Kind nach der wegweisenden Kampfabstimmung in der Swiss Life Hall ein. Seine einstige „Opposition“ sitzt jetzt an den Schalthebeln des e.V. Der designierte 96-Präsident Sebastian Kramer kündigte sogleich an, bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) Informationen zu Kinds Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung von der 50+1-Regel einholen zu wollen.

Die verschiedenen Gremien im Club kämpfen womöglich künftig gegeneinander an. Kind, der nach mehr als 20 Jahren nicht mehr für das Amt des Präsidenten zur Verfügung gestanden hatte, thront nach wie vor als Geschäftsführer an der Spitze der Profiabteilung. Der Hauptinvestor wartet auf die Entscheidung des Ständigen Schiedsgerichts, die ihm endlich auch auf dem Papier die ersehnte volle Entscheidungsgewalt einbringen soll. Der e.V. wäre dann kaltgestellt. Ein Vorgang, den die ganze Bundesliga mit Argusaugen beobachtet. Die DFL hatte zunächst abgelehnt.

In Hannover hat sich Kind mit seinen Plänen und seinem kompromisslosen Führungsstil lange nicht nur Freunde gemacht. Beim Showdown am Samstag, nach Monaten der juristischen Scharmützel, ging es hoch her. Bei der Wahl durch rund 2000 stimmberechtigte Mitglieder setzten sich Carsten Linke, Nathalie Wartmann, Jens Boldt, Lasse Gutsch und Ralf Nestler von der fannahen Interessengemeinschaft „Pro Verein 1896“ deutlich durch. Die anschließenden Jubelszenen und Fangesänge im Saal hatten Stadionniveau.

„Der Unmut ist über die letzten Jahre gewachsen“, sagte Linke, früher Profi beim FC Homburg, in Hannover als „Fußballgott“ und Held der Aufstiegsmannschaft von 2002 höchst beliebt. Der 53-Jährige erzielte mit 1444 Stimmen ein überragendes Ergebnis: „Wir wollen Transparenz in den Entscheidungen und dass die Mitglieder bestimmen können. Wenn die Mitglieder entscheiden, dass der Verein an Martin Kind übergehen kann, werden wir das auch demokratisch akzeptieren und leben.“

Kind hatte sich zuvor in seiner Abschiedsrede als Präsident kämpferisch gegeben. Er betonte die Erfolge, die der e.V. und die Profifußballer mit seinem „Zwei-Säulen-Modell“ aus Profi- und Breitensport erzielt hätten. Bei der Beurteilung des Ist-Zustands der Bundesligamannschaft nahm Kind kein Blatt vor den Mund. „Wir sind natürlich aktuell dramatisch gefährdet“, sagte er über den Tabellenvorletzten: „Ich finde es zum Kotzen.“ Wirtschaftlich sei dieses Jahr für die Profiabteilung „desaströs wie die sportliche Situation.“ Kind kündigte ein Minus von 18 Millionen Euro an, in der 2. Liga würden weitere 17 Millionen fehlen. Hoffnung auf den Klassenerhalt gibt es kaum noch. Am Freitagabend hatte sich das Team von Thomas Doll in einem Testspiel die nächste Blamage geleistet. Gegen Arminia Bielefeld. Mit 0:5.

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