Fußball-WM in Russland „Wir waren elf Hunde auf dem Platz“

St. Petersburg · Frankreichs abgezockte junge Wilde greifen in Moskau im WM-Finale nach dem zweiten Stern.

 Grenzenlose Freude herrschte nach dem Abpfiff bei Frankreichs Antoine Griezmann.

Grenzenlose Freude herrschte nach dem Abpfiff bei Frankreichs Antoine Griezmann.

Foto: dpa/Christian Charisius

Abertausende frenetische Fans verwandelten die Pariser Champs-Élysées in ein blau-weiß-rotes Jubelmeer, als hätte die Équipe Tricolore ihren Triumphzug in Russland bereits mit dem WM-Titel gekrönt. Doch die großen Helden der Grande Nation, diese Himmelsstürmer von St. Petersburg, bewiesen auch mit „dem Kopf in den Sternen“ (L‘Équipe) noch Bodenhaftung.

„Ich habe die Bilder aus der Heimat gesehen. Das bringt große Erinnerungen zurück“, schwärmte Nationaltrainer Didier Deschamps nach dem 1:0 (0:0)-Sieg im Halbfinale gegen Belgien. Doch fast exakt 20 Jahre nach dem Heim-Triumph mahnte der Weltmeister von 1998: „Wir sind hier, um eine neue Seite in der Geschichte zu schreiben, die allerschönste Seite.“ Mittelfeldspieler Paul Pogba pflichtete bei: „Es ist noch nicht vollbracht. Das wichtigste Spiel steht noch bevor.“Im Luschniki-Stadion von Moskau greifen Les Bleus bei ihrem Rendezvous mit der Geschichte am Sonntag (17 Uhr/ZDF) nach dem zweiten Stern. Deschamps steht vor dem Aufstieg in einen elitären Zirkel. Als erst dritter Fußballer nach den Legenden Franz Beckenbauer und Mario Zagallo kann der 49-Jährige als Spieler und auch als Trainer Weltmeister werden.

Und die jungen Wilden, diese „monströsen Blauen“ (Le Monde), gehen als Favorit in das dritte französische WM-Endspiel. Nach dem hart erkämpften Erfolg gegen den großen Mitfavoriten wähnt die heimische Presse das Team am „Tor zum Paradies“ und befand: „Nach 20 Jahren erleben wir einen neuen Traum, getragen von einer Jugend, die einem Lust macht, sie zu mögen“ (Le Parisien).

Es war ein Sieg mit Köpfchen. Samuel Umtiti (51.) hatte vor 64 268 Zuschauern, darunter Staatspräsident Emmanuel Macron, mit seinem Kopfball nach einer Ecke von Stürmer-Star Antoine Griezmann den Unterschied gemacht. „Wir waren elf Hunde auf dem Platz“, sagte der Innenverteidiger, der schon vor zwei Jahren bei der Niederlage im Finale der Heim-EM gegen Portugal (0:1 n.V.) auf dem Platz stand. „Ich hoffe, dass es diesmal anders wird“, sagte er.

Das Erfolgsrezept: Beinhart verteidigen, per Standard siegen. „Es war ein bisschen wie bei Atlético“, witzelte Griezmann. Die renommierte Sportzeitung L‘Équipe verneigte sich vor der reifen Vorstellung der „Baby Bleus“, der zweitjüngsten Mannschaft des Turniers. „Leidenschaftlich, methodisch, überlegen“ sei dieser Auftritt gewesen.

Mit Frankreich mischen im Finale auf jeden Fall zwei Bundesliga-Profis mit: Benjamin Pavard vom VfB Stuttgart und Corentin Tolisso von Bayern München. Somit hält auch die Serie des deutschen Rekordmeisters. Seit 1982 mischte immer mindestens ein Bayern-Spieler im Endspiel mit. Der erst 22 Jahre alte Senkrechtstarter Pavard konnte sein Glück kaum fassen. „Ich habe das alles noch nicht realisiert. Ein WM-Finale, das ist ungeheuer groß“, sagte der strahlende Rechtsverteidiger nach seinem elften Länderspiel.

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