Bundesweiter Nachwuchspreis Maschinen steuern mit leichter Hand

Saarbrücken · Medieninformatiker arbeiten daran, komplexe Computerprogramme in einfache Bedienoberflächen zu übersetzen. Das kann sogar die Hand des Nutzers sein. Für diese Idee erhielt ein Student der Saar-Uni nun einen Absolventen-Preis.

 Mit einer speziellen Computerbrille lassen sich virtuelle Effekte erzeugen, die für den Nutzer die Grenze zwischen Wirklichkeit und digitaler Information aufheben – und ihn Dinge sehen lassen, die seiner Umgebung entgehen.

Mit einer speziellen Computerbrille lassen sich virtuelle Effekte erzeugen, die für den Nutzer die Grenze zwischen Wirklichkeit und digitaler Information aufheben – und ihn Dinge sehen lassen, die seiner Umgebung entgehen.

Foto: Uni/VDMA

Es mag wirken wie die Geste eines Kleinkindes, das die Bewegungen von Erwachsenen nachahmt, aber möglicherweise gehört konzentriertes Tippen auf einer leeren Handfläche demnächst zum Handlungsrepertoire industrieller Facharbeiter. Denn Forscher und Entwickler arbeiten mit Hochdruck an Methoden, die es Menschen erlauben, Maschinen ohne sperrige Extrageräte zu bedienen. Noch werden die dabei maßgeblichen Technologien der sogenannten Virtuellen Realität beziehungsweise der Augmented Reality (erweiterte Realität) am Arbeitsplatz eher sporadisch eingesetzt. Doch sie gelten als wichtiger Baustein jener digitalen Revolution, die im Begriff ist, die Arbeitswelt umzukrempeln.

Die Idee mit der Hand als Eingabefläche könnte solch eine umstürzende Anwendung sein. Jedenfalls fand der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) sie so überzeugend, dass er ihrem Entwickler, dem Saarbrücker Medieninformatiker Dominic Gottwalles, den erstmalig ausgelobten Nachwuchspreis „Digitalisierung im Maschinenbau“ für seine an der Saar-Uni entstandene Masterarbeit überreichte, in der er das Konzept wissenschaftlich ausgearbeitet hat. Gottwalles hat dafür eine virtuelle, also nur mit einer speziellen Computerbrille wahrnehmbare Industriehalle entworfen. Um deren Produktionsband zu steuern und zu warten, entwickelte er ein Verfahren, das unter anderem durch eine Infrarotkamera und einen Beschleunigungsmesser Bewegungen der bloßen Hände in Eingabebefehle übersetzt.

Das fachliche Rüstzeug für diese Erfindung hat Gottwalles im Studiengang Medieninformatik an der Universität des Saarlandes vermittelt bekommen. Er existiert an der Hochschule seit 2010 und verbindet Computerwissenschaft mit gestalterischen und wahrnehmungspsychologischen Fragen. „Das gibt es in Deutschland inzwischen öfter. In Saarbrücken ist der Informatikanteil besonders hoch“, so Gottwalles. Damit der kreative Aspekt nicht zu kurz kommt, kooperiert die Uni mit der Hochschule der Bildenden Künste in Saarbrücken. In Kursen und Projekten lernen die Studenten gestalterisches Denken kennen.

Diese ungewöhnliche interdisziplinäre Verbindung – Informatiker hier, Kunststudenten da – sei eine gute Vorbereitung auf das, was einen Medieninformatiker im Beruf erwartet, sagt Dominic Gottwalles. Denn dort gehe es besonders darum, sich mit Menschen auseinanderzusetzen, deren technisches Wissen sich auf einem überschaubaren Alltagsniveau bewegt. Sie sollen mit rechnerbasierten Anwendungen intuitiv und möglichst frustrationsfrei umgehen können, ohne dass man sie dafür aufwendig einarbeiten muss. Um Verständnis für die dabei möglichen Fallstricke zu entwickeln, müssen die Entwickler aus der Informatiker-Blase ausbrechen. „Man darf nicht kontaktscheu sein. Man sitzt später nicht isoliert am Rechner und schreibt Codezeilen, sondern hat viel Umgang mit unterschiedlichen Menschen“, erklärt Gottwalles.

Seit dem Siegeszug der Smartphones mit ihren berührungsempfindlichen Bildschirmen, die Programmbefehle etwa durch simple Wischgesten ermöglichen, hat sich der Umgang mit leistungsfähigen Computern in den vergangenen zehn Jahren deutlich vereinfacht. „Durch Apps ist heute jeder Smartphone-Nutzer verwöhnt. Die Menschen sind es gewohnt, digitale Arbeiten in kurzer Zeit ohne viel Lernen auszuführen“, sagt Gottwalles. Damit das funktioniert, muss komplizierte Software in eine leicht zu bedienende, „natürlich“ wirkende Oberfläche überführt werden. Und der nächste große Schritt dahin könnten eben Virtual und Augmented Reality sein – die den Bildschirm vielleicht überflüssig machen und durch Projektionen auf die alltäglich Umgebung ersetzen könnten.

 Durch die Brille wird ein Eingabefeld auf den Handteller projiziert, Kamera und Sensoren zeichnen die Bewegungen der Finger auf.

Durch die Brille wird ein Eingabefeld auf den Handteller projiziert, Kamera und Sensoren zeichnen die Bewegungen der Finger auf.

Foto: Uni/VDMA
 Dominic Gottwalles wurde für seine Entwicklung ausgezeichnet.

Dominic Gottwalles wurde für seine Entwicklung ausgezeichnet.

Foto: Uni/VDMA

Ob die Technik sich im Alltag tatsächlich bewährt, ist offen. Das Unternehmen, in dem Dominic Gottwalles den Prototyp für seine Masterarbeit entwickelte, hat ihn jedenfalls inzwischen fest eingestellt. Dies und die Anerkennung eines Industrieverbandes für sein Konzept sind dem Medieninformatiker Beweise für dessen Praxisrelevanz – und für die Praxisnähe seines Studiengangs.

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