Anstrengender Spagat für junge Eltern Zwischen Hörsaal und Wickeltisch

Saarbrücken · Ein Kind macht das Studium nicht leichter. Doch die Hochschulen im Saarland haben spezielle Angebote in petto.

 Für die Uni zu lernen und gleichzeitig ein Kind zu erziehen, kann das Nervenkostüm auf die Probe stellen.

Für die Uni zu lernen und gleichzeitig ein Kind zu erziehen, kann das Nervenkostüm auf die Probe stellen.

Foto: picture-alliance/ dpa/Waltraud Grubitzsch

Welche Kurse belege ich in diesem Semester? Wann lerne ich für welche Klausur und wie lässt sich das alles mit dem Nebenjob kombinieren? Viele Studenten sehen sich mit solchen Fragen konfrontiert, denn ein effektives Zeitmanagement gilt heute als eine der zentralen Herausforderungen im Studium. Die eigene Zeit sinnvoll einzuteilen, ist dabei für Studenten mit Kindern noch ungleich schwieriger. Wenn der Nachwuchs die ersten Zähne bekommt oder nachts partout nicht durchschlafen will und es an Betreuungshilfe im Familien- oder Bekanntenkreis mangelt, kann es mit dem Lernen für die Klausur schnell eng werden.

Es handelt sich keineswegs nur um Einzelfälle: Laut dem Deutschen Studentenwerk (DSW) hatten in Deutschland im Jahr 2016 rund 131 000 Studenten mindestens ein Kind. Das entspreche einem Anteil von sechs Prozent an der Gesamtstudierendenzahl. Davon seien 71 000 Frauen und 60 000 Männer, so das DSW. Mehr als die Hälfte der studentischen Eltern hätte demnach ein Kind, ein knap­pes Drittel zwei und zwölf Prozent drei oder mehr Kinder. Fast jeder zehnte Studierende mit Kind sei alleinerziehend.

An den saarländischen Universitäten ergibt sich ein ähnliches Bild, auch wenn die hiesigen Hochschulen keine genauen Zahlen erheben. „Wir erfassen zwar nicht, wie viele Studenten Kinder haben, aber wir dürften da meiner Erfahrung nach im Bundesdurchschnitt liegen“, sagt Sandra Wiegand, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Familienbüro der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (HTW Saar). „In Studiengängen wie der Sozialen Arbeit sieht man auf jeden Fall mehr Kinder als in anderen Fachbereichen“, so Wiegand. „Wir beobachten auch deutlich mehr Frauen mit Kind auf dem Campus.“  Thorsten Mohr, Mitarbeiter der Pressestelle der Saar-Uni, berichtet Ähnliches: „Von 73 Beurlaubungen aufgrund von Kindererziehung/Mutterschutz fallen 66 auf Frauen und sieben auf Männer. Von 43 Teilzeit-Studien aufgrund von Kindererziehung/Mutterschutz fallen 35 auf Frauen und acht auf Männer“, so Mohr.

An der Universität des Saarlandes bietet das Studentenwerk auf dem Campus eine eigene Kita für die Kinder der Studenten an. Diese beherbergt aktuell 63 Kinder im Alter von acht Wochen bis zum Schuleintritt. Ein weiteres Angebot von Saar-Uni und HTW: Die Babysitting-Börse. Dort können sich Studenten mit Kind und studentische Babysitter anmelden, die Universitäten vermitteln dann die Kinderbetreuung. An der Saar-Uni können Studenten außerdem eine spezielle Kurzzeitbetreuung wahrnehmen, deren Inanspruchnahme allerdings durch das Studium oder die Arbeit begründet sein muss.

Im Gegensatz zur Universität des Saarlandes verfüge die HTW zwar nicht über eine eigene Kita auf dem Campus, „wir kooperieren aber eng mit der Kita in der Hohenzollernstraße in Saarbrücken“, erklärt Katja Jung, Pressesprecherin der HTW. Die Plätze seien allerdings häufig knapp, sagt Sandra Wiegand. „Momentan gibt es ja in ganz Saarbrücken keine Kita-Plätze.“ Wenn Studenten keinen Platz mehr bekämen, bemühe man sich aber um andere Lösungen. „Wir vermitteln dann etwa Tagespflegeplätze“, so Wiegand. „In der Regel findet man auch schon einen Kita-Platz, nur vielleicht nicht auf Anhieb und nicht direkt in Campusnähe.“ Ihre Empfehlung lautet daher, sich möglichst früh um einen Platz zu kümmern. Im Rahmen des Projektes „familiengerechte Hochschule“ sei man außerdem momentan dabei, die Angebote und Maßnahmen zu erweitern und zu optimieren. Auch die Saar-Uni will nachbessern. So sollen laut Thorsten Mohr „die E-Learning-Angebote für Studierende zur Unterstützung der Vereinbarkeit von Familie und Studium“ ausgebaut werden.

Speziell für Studenten mit Kind bieten beide Hochschulen viele Studiengänge in Teilzeit an, studentische Eltern können sich zudem leichter beurlauben lassen. Diese Angebote werden aber eher selten wahrgenommen. „Das liegt vor allem daran, dass ein Studium in Teilzeit auch doppelt so lange dauert und dann zahlt das Bafög-Amt nicht mehr“, erläutert Sandra Wiegand.

Daneben berücksichtigen die Prüfungsordnungen beider Unis die Situation von Studenten mit Kindern: So können Studierende semesterweise einen „Antrag auf Befreiung der Pflichtanmeldung von Prüfungsleistungen“ stellen. Sie können dann etwa ohne Vorlage eines ärztlichen Attests bei Prüfungen fehlen.

Trotz aller Widrigkeiten wagen sich aber immer wieder Menschen mit Kind an ein Studium: „Für mich war das eine der der besten Entscheidungen im Leben“, sagt die alleinerziehende Mutter Verena Comperl, die an der HTW Saar Internationales Tourismus-Management studiert. Sie habe das Studium vom ersten Moment an genossen. „Nach über einem Jahr 24 Stunden pro Tag mit Baby waren das die ersten Freiräume, die ich mir geschaffen habe“, sagt die 30-Jährige über ihr erstes Semester an der HTW. Von den Dozenten hätte sie sich dennoch teilweise mehr Verständnis erhofft: „Manchmal schafft man es einfach nicht, eine Hausarbeit rechtzeitig abzugeben“, so Comperl.  „Und das nicht, weil man am Wochenende einen trinken war, sondern weil Kinderkrankheiten dazwischen kommen.“ Sie habe aber auch andere Erfahrungen gemacht. Wenn sie etwa morgens zu spät komme, reagierten viele Dozenten darauf verständnisvoll.

Für die Zukunft wünscht sie sich dennoch mehr Flexibilität von der HTW. So gingen Einrichtungen wie das Eltern-Kind-Zimmer, das Studenten ermöglichen soll, ihre Kinder in Notfällen und bei Betreuungsengpässen mit an die Hochschule zu bringen, weitgehend an den Problemen vorbei. „Davon hängt mein Studium nicht ab“, sagt Comperl. „Aber ob ich mir meine Vorlesungen online nochmal anhören kann oder ob ich Dozenten habe, die Rücksicht bei der Anwesenheit nehmen, davon hängt das Studium ab.“  Die alleinerziehende Mutter zieht dennoch ein positives Fazit: „Ich würde heute jeden dazu ermutigen, mit Kind zu studieren.“

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