Elektronikmesse in Las Vegas Der flotte Mobilfunk lässt auf sich warten

Las Vegas · Auf der Technikmesse Consumer Electronics Show zeigten viele Aussteller Prototypen und Bauteile für die fünfte Generation des mobilen Internets. Marktreife Geräte präsentierten die Smartphone-Hersteller hingegen noch nicht.

Clayton Harris aus Houston in Texas hatte von seinem Internet-Anbieter die Nase voll. Der Dienst des Kabel-Providers Comcast lieferte nicht die gewünschte Geschwindigkeit, die er für seinen Heimarbeitsplatz als Ingenieur und sein vernetztes Zuhause benötigt. Durch einen Zufall bot sich Harris eine Alternative: Der US-Mobilfunkanbieter Verizon suchte für einen Feldversuch nach Kunden, die die fünfte Mobilfunkgeneration (5G) ausprobieren wollen. Vor drei Monaten nahm Harris den 5G-Router in seinem Haus in Betrieb. Der Ingenieur wurde damit der erste kommerzielle Kunde der Technologie in den USA.

Auf der Elektronikmesse CES (Consumer Electronics Shows) berichtete Harris nun beim Vortrag des Verizon-Chefs Hans Vestberg von seinen ersten Erfahrungen mit dem flotten Mobilfunk. „Mir ist vor allem die Zuverlässigkeit des Dienstes wichtig, weil ich von zu Hause aus arbeite“, sagte er über eine Videokonferenz-Schaltung sehr hoher Bildqualität. Um das Publikum auf der CES von der hohen Übertragungsrate zu überzeugen, führte Harris einen Geschwindigkeitstest durch. „690 Megabit pro Sekunde“, stand schließlich auf dem Monitor. „Ich erreiche manchmal auch Werte bis zu 1,3 Gigabit pro Sekunde“. Das ist zwar deutlich weniger als die mit der Technologie theoretisch möglichen zehn Gigabit/s (10 000 Megabit/s), aber viel schneller als die bisherige Kabelverbindung. Zum Einordnung: Ein durchschnittlicher Internet-Anschluss in Deutschland kommt laut Angaben des britischen Vergleichsportals „Cable“ auf 24 Megabits/s.

Die höhere Datenrate sei aber nur ein Aspekt von 5G: „Es geht um viel mehr als die Fähigkeit, einen neunzigminütigen Film künftig innerhalb von zehn Sekunden auf sein Handy herunterladen zu können“, sagte Vestberg. 5G sei etwa bei Massenevents wie großen Sportveranstaltungen nicht mehr an die bisherigen Restriktionen der dritten und vierten Mobilfunkgeneration gebunden, sondern biete einen Datendurchsatz von bis zu 10 Terabit pro Sekunde und Quadratkilometer. Das entspreche dem Tausenfachen dessen, was bisher möglich ist. Außerdem könne 5G auf so einer Fläche die Verbindung für rund eine Million Geräte herstellen. Das sei wichtig, wenn beispielsweise in einem großen Hafenterminal eine riesige Zahl einzelner Frachtgüter vernetzt seien. Vestberg verwies auch auf die ökologischen Vorteile von 5G, das nur zehn Prozent des Strombedarfs von 4G benötige.

Schließlich ging der Verizon-Chef auf die deutlich geringeren Laufzeiten der Daten ein. In den besten 4G-Netzwerken erziele man eine Latenz zwischen 50 und 100 Millisekunden. In 5G reduziere sich diese Zeitverzögerung auf 10 Millisekunden. „Jede Anwendung mit Virtual Reality oder Augmented Reality benötigt Latenzzeiten unter 20 Millisekunden.“ Das betreffe nicht nur Videospieler, die über die Mobilfunknetze spielen wollen, sondern auch Bereiche wie die Telemedizin.

Wer auf der CES allerdings eine Welle von 5G-tauglichen Geräten erwartet hatte, wurde enttäuscht. Zwar wurde auf dem Stand von Samsung ein erster Prototyp eines entsprechenden Smartphones gezeigt. Der südkoreanische Konzern schwieg sich aber darüber aus, wann ein solches Gerät auf den Markt kommen soll. Der kalifornische Chiphersteller Qualcomm pries auf seinem Stand seine 5G-Datenmodem-Chips als das Fundament für das „wahre 5G“ an, konnte aber auch keine marktreifen Handys zeigen. Immerhin konnte Qualcomm auf  Vorbestellungen verweisen: Seine Technologie – der Mikroprozessor Snapdragon 855 und das 5G-Modem X50 – werde in diesem Jahr in rund 30 Geräten auftauchen. Darunter seien Smartphones von quasi allen führenden Herstellern von Geräten mit Googles Betriebssystem Android.

Deutlich zurückhaltender agierte der Netzwerkausrüster und Smartphone-Hersteller Huawei auf der CES. Der chinesische Konzern, der unter anderen mit der Deutschen Telekom beim Aufbau der 5G-Infrastruktur zusammenarbeitet, wollte wohl im schwelenden Handelskonflikt zwischen den USA und China kein weiteres Öl ins Feuer gießen. Ein Huawei-Sprecher sagte der japanischen Wirtschaftszeitung „Nikkei Asian Review“, dass sein Unternehmen „bei der CES keine große Aufmerksamkeit erregen“ wolle.

Die Lücke von Huawei versuchten andere Unternehmen zu füllen. Der Chipriese Intel, der in der breiten Öffentlichkeit vor allem für seine PC-Bauteile bekannt ist, kündigte auf der CES an, mit seinen Prozessoren für Mobilfunk-Anlagen bis zum Jahr 2022 rund 40 Prozent des Marktes erobern zu wollen. Vor drei Jahren war Intel in diesem Segment noch gar nicht aktiv. Und auch beim Huawei-Konkurrenten Samsung wittert man die Chance, mit technischen Anlagen für die 5G-Infrastruktur punkten zu können. Aber auch hier blieben Details im Vagen.

So entsteht zumindest auf der CES der Eindruck, dass die 5G-Revolution nicht in dem Tempo kommen wird, wie es von vielen Fachleuten erwartet wird. Selbst das erste kommerzielle Angebot der Technologie von Verizon in Houston wird von manchen Experten in Frage gestellt. Schließlich sei das Haus von Clayton Harris über einen fest stationierten Router angeschlossen worden und nicht über ein Mobilgerät. Außerdem verwende der Telekommunikationskonzern in der texanischen Stadt eine eigene Variante der neuen Mobilfunktechnologie.

Viele Fragen zum Thema 5G, die auf der CES noch unbeantwortet blieben, werden schon in wenigen Wochen wieder auf der Agenda stehen. Vom 25. bis 28. Februar versammelt sich die Branche in Barcelona zur Smartphone-Messe Mobile World Congress. Dort dürften auch die ersten 5G-Geräte für Verbraucher angekündigt werden.

(dpa)
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