Medizinischer Rat aus dem Internet Beim Online-Doc ist Vorsicht geboten

Saarbrücken · Wer sich im Internet medizinischen Rat einholen möchte, muss laut Verbraucherschützern auf einige Dinge achten.

 Nicht alle Gesundheitsinformationen, die Verbraucher im Internet finden können, sind verlässlich.

Nicht alle Gesundheitsinformationen, die Verbraucher im Internet finden können, sind verlässlich.

Foto: dpa/Marijan Murat

Die Diagnose ist ein Schock. „Sie haben Krebs“ – drei Worte, die auf einmal alles in Frage stellen. Damit Patienten nach einer Krebsdiagnose nicht in eine Depression verfallen und lernen, mit ihrer Erkrankung umzugehen, ist eine psychologische Begleitung extrem wichtig. Dass dabei auch Angebote im Internet helfen können, zeigt eine Untersuchung der Universität Basel in Zusammenarbeit mit der dortigen Universitätsklinik.

Für seine Studie hatte das Team aus Psychologen ein Online-Programm entwickelt, das Krebspatienten beim Umgang mit ihrer Erkrankung unterstützte. Neben individuellen Übungen und Strategien zur Stressbewältigung konnten sie sich einmal in der Woche anonym per E-Mail mit einer Psychologin austauschen. Alle 129 Teilnehmer hatten die Diagnose zum ersten Mal erhalten und waren bereits drei Monate in Behandlung. Sie wurden in zwei Gruppen eingeteilt: eine betreute und eine Kontrollgruppe. Letztere durfte die psychologische Hilfe erst nach acht Wochen in Anspruch nehmen.

Die Forscher fanden heraus, dass die Krebspatienten, die das Online-Angebot bereits zwei Monate lang nutzten, ihre Lebensqualität deutlich besser einschätzten als die anderen. So habe es ihnen erheblich dabei geholfen, ihren Stress zu reduzieren und den Alltag mit der Krankheit leichter zu bewältigen. „Die Ergebnisse zeigen, dass eine webbasierte Selbsthilfe mit regelmäßigem E-Mail-Kontakt zum Psychologen das Potenzial hat, neu diagnostizierte Krebspatienten effizient zu unterstützen und somit ihre Behandlung entscheidend zu verbessern“, erklärt Viviane Hess, Professorin für Medizinische Onkologie und Leitende Ärztin in Basel.

Ob als Trostspender, Ratgeber oder als simple Informationsquelle: Das Interesse an Gesundheitsportalen und -apps wächst auch unter den Menschen in Deutschland, wie die jüngste repräsentative Bevölkerungsumfrage der Bertelsmann-Stiftung beweist. So zählt das Internet, nach Ärzten und Angehörigen oder Freunden, mittlerweile zum beliebtesten Ansprechpartner bei Gesundheitsfragen. Und mit den Ergebnissen, die „Dr. Google“ ausspuckt, seien 52 Prozent der Befragten „immer“ oder zumindest „meistens zufrieden“.

Dennoch gaben 65 Prozent der Befragten an, dass es ihnen schwerfalle, zwischen richtigen und falschen Gesundheitsinformationen im Internet zu unterscheiden. Und genau das habe zuweilen böse Folgen. Denn wer beim Recherchieren auf unseriöse Informationen stoße, könne seine Krankheit leicht unter- oder überschätzen und damit schweren Schaden anrichten, mahnt die Verbraucherzentrale (VZ) Nordrhein-Westfalen. Sie hat eine Checkliste mit zehn Bewertungskriterien zusammengestellt, anhand derer Internetnutzer vertrauenswürdige Online-Gesundheitsportale erkennen können.

Verbraucher müssten sich demnach immer fragen, wer der Anbieter einer Webseite sei. Das verrate der Blick ins Impressum. Ein gutes Zeichen sei, wenn dort ein vollständiger Name und mindestens eine Kontaktmöglichkeit angegeben seien. Handele es sich um eine gebührenpflichtige Telefonnummer und gebe es keinen anderen Weg, den Anbieter zu erreichen, müssten Nutzer Vorsicht walten lassen, erklären die Verbraucherschützer. In diesem Fall könnten Betrüger hinter der Plattform stecken. Darüber hinaus sei es wichtig, zu klären, welche Ziele der Anbieter verfolge. So versuchten etwa viele Pharmaunternehmen, Krankenkassen oder Arztpraxen auf ihren Seiten Produkte, Versicherungen oder Therapien zu verkaufen.

Ob eine Gesundheitsinformation aus dem Internet verlässlich ist oder nicht, hängt größtenteils davon ab, welche fachlichen Qualifikationen der Verfasser hat. Im besten Fall steckt ein Wissenschaftler oder Arzt dahinter, im schlimmsten ein Laie, der sich nur oberflächlich mit dem Thema auskennt oder persönliche Erfahrungen teilen möchte. Um das zu erkennen, kann laut der VZ die Faustregel helfen: Je weniger der Autor über sich preisgibt und je spezieller die Informationen sind, desto skeptischer müssen Nutzer sein. Grundsätzlich seien die Webseiten von Arztpraxen, medizinischen Fachgesellschaften, Krankenkassen, Universitäten und Behörden eher vertrauenswürdig, während Selbsthilfegruppen oder Foren kritisch hinterfragt werden müssten.

Wichtig sei auch, wie die entsprechenden Informationen aufbereitet seien. Werden die zentralen Aussagen durch Quellen belegt? Gibt es, etwa bei Forschungsergebnissen, einen Link zu der Untersuchung? Die VZ empfiehlt, einer Gesundheitsinformation aus dem Netz erst dann zu vertrauen, wenn sie bei mindestens zwei Anbietern mit unterschiedlichen Interessen auftaucht. Außerdem sollten Nutzer nach einem Gütesiegel Ausschau halten, das zeigt, dass die Angaben von Experten geprüft wurden. Dazu zähle beispielsweise das Qualitätslogo des deutschen Aktionsforums Gesundheitsinformationssystem.

Auch einige Formulierungen müssten Verbraucher aufhorchen lassen. Bei Sätzen wie „Absolut nebenwirkungsfrei“, „100-prozentige Wirkungsgarantie“, „Allheilmittel“ oder „nur für kurze Zeit verfügbar“ handele es sich in der Regel um Werbung. Misstrauen sei ebenfalls bei extrem überschwänglichen Erfahrungsberichten zu einer speziellen Behandlungsmethode angebracht, so die VZ. Denn hier versuchten die Anbieter, entweder etwas zu verkaufen oder Verschwörungstheorien zu verbreiten. Vielmehr müsse eine Gesundheitsinformation sachlich, neutral und mit einer kritischen Distanz verfasst worden sein. Darüber hinaus müsse der Leser über mögliche Risiken und Nebenwirkungen aufgeklärt werden. Da in der Medizin ständig neue Erkenntnisse gewonnen werden, müssen Gesundheitsportale zudem immer auf dem aktuellen Stand sein.

Bevor Internetnutzer ihre persönlichen Daten und ihre Krankheitsgeschichte auf einer Webseite oder in einem Forum teilten, müssten sie sich darüber informieren, was mit ihren Daten geschehe, um sich vor einem möglichen Missbrauch zu schützen, mahnt die VZ. Das könnten sie in den Datenschutzbestimmungen herausfinden.

Doch auch, wenn ein Gesundheitsportal im Internet alle Bewertungskriterien erfülle und als seriös und verlässlich gelte, einen Arztbesuch ersetze es nicht, betonen die Verbraucherschützer. Auf keinen Fall dürften sich Patienten anhand der im Netz gefunden Informationen selbst therapieren oder ihre Behandlung ändern, ohne Rücksprache mit ihrem Arzt zu halten. Das gelte auch für Seiten, auf denen ein vermeintlicher Mediziner per E-Mail-Austausch eine Diagnose stellt. Über die eigene Krankheitsgeschichte wisse Dr. med immer noch besser Bescheid als „Dr. Google“.

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