Offline-Tracking Beim Shoppen heimlich ausspioniert

Berlin · Über die WLAN- oder Bluetooth-Verbindung des Smartphones können Verbraucher beim Einkaufen identifiziert und verfolgt werden.

 Auch offline sammeln manche Firmen Kundendaten.

Auch offline sammeln manche Firmen Kundendaten.

Foto: dpa/Carsten Rehder

Wie wäre es mit neuen Kopfhörern? Die seien in dieser Woche besonders günstig zu haben. Laufen Verbraucher zufällig an einer Media-Markt-Filiale vorbei, könnte es sein, dass eine solche Nachricht auf ihrem Smartphone aufpoppt. Denn Media Markt nutzt die sogenannte Geofencing-Methode: Befindet sich ein Smartphone in der Nähe eines Ladens, werden seinem Nutzer und potenziellen Kunden per Push-Nachricht (Sofortbenachrichtigung) Angebote geschickt. Der Kunde muss dafür aber die Media-Markt-App installiert und die Push-Funktion auf seinem Smartphone aktiviert haben.

Das Smartphone wird für den Handel immer wichtiger. Zum einen kaufen immer mehr Kunden über das Smartphone ein: Der Anteil des Online-Umsatzes, der über mobile Endgeräte wie Tablets und Smartphones erzielt wurde, lag im vergangenen Jahr nach Angaben des Handelsverbandes bei rund 40 Prozent. Im Vergleich zu 2016 war das ein Plus von 15 Prozent. Zum anderen bietet das Gerät eine Schnittstelle, die sich der stationäre Handel zunutze macht. Denn die meisten Kunden haben ihr Gerät stets dabei – und sind damit theoretisch für personalisierte Werbung über das Smartphone ansprechbar.

Immer mehr Unternehmen wollten dieses Potenzial nutzen, sagt Ulrich Spaan vom Handelsforschungsinstitut EHI. Dabei beschränken sie sich nicht nur auf Push-Nachrichten. Händler können auch die Smartphone-Aktivitäten ihrer Kunden im Laden aufzeichnen. Spaan schätzt, dass etwa 20 Prozent der Einzelhändler in Deutschland derzeit mit sogenannten Offline-Tracking-Methoden in ihren Läden experimentieren. Unter dem Begriff wird eine Gruppe von Techniken zusammengefasst, die das Verhaltensmuster von Smartphone-Nutzern analysieren und auswerten können. Daraus stricken Unternehmen im Anschluss detaillierte Persönlichkeitsprofile. So können sie zum Beispiel die Interessen, Vorlieben und Abneigungen eines Kunden erfahren. Für die Werbeindustrie ist das Gold wert. Während im Online-Handel bereits mit speziellen Analyse-Werkzeugen Besuche, Klicks und Kaufraten genau gemessen würden und der Shop entlang dieser Kennzahlen kontinuierlich optimiert werde, seien stationäre Händler stärker auf ihr Bauchgefühl angewiesen, sagt Stephan Tromp, stellvertretender Hauptgeschäftsführer beim Handelsverband Deutschland.

Das wollen die Händler künftig ändern. Dafür greifen sie zum Beispiel auf das sogenannte WLAN-Tracking zurück, das selbst dann funktioniert, wenn Verbraucher die Ortung in ihrem Smartphone deaktiviert und auf Apps, die nach einer Standortfreigabe verlangen, verzichtet haben. Dabei erfassen Sensoren im Laden die WLAN-Seriennummer von Mobilfunkgeräten. Bei aktivierten WLAN sucht das Handy ständig nach Netzwerken in seiner Umgebung. Mit jeder dieser Suchanfragen sende es die sogenannte MAC-Adresse des Gerätes mit, sagt Ben Stock, Sicherheitsexperte beim Saarbrücker IT-Sicherheitsinstitut Cispa. Dies sei die Seriennummer des Netzwerkadapters des Geräts. Damit könnten das Smartphone, und somit auch der Besitzer, eindeutig identifiziert werden. „Moderne Router können ermitteln, in welcher Richtung und in welchem Abstand ein Smartphone zu finden ist“, sagt Miriam Ruhenstroth vom Fachportal „mobilsicher.de“.

So könnten problemlos alle Bewegungen von Kunden in einem Geschäft metergenau aufgezeichnet werden. Wer etwa länger vor einem Paar Schuhe stehenbleibt, bekommt dann künftig im Browser oder sogar per Post Werbung für Schuhe. „Nutzer haben absolut keine Möglichkeit, das herauszufinden, da die Tracking-Geräte nur passiv die Suchanfragen der Smartphones aufzeichnen“, sagt Stock. Zwar gibt es laut Ruhenstroth bei moderneren Smartphones Funktionen, die die MAC-Adresse verschleiern sollen. „Untersuchungen zeigen aber, dass sie sich relativ leicht umgehen lassen.“

Eine andere Möglichkeit sind sogenannte Beacons: Das sind kleine Bluetooth-Sender, die an den Wänden der Läden montiert oder unsichtbar in die Beleuchtung oder in elektronische Preisschilder integriert sind und ähnlich wie das WLAN-Tracking funktionieren. Auch Bluetooth verwende eine eindeutige Seriennummer, die sich nicht ohne Weiteres ändern ließe, sagt Ruhenstroth. „Technologien wie Beacons, die über eine App direkt mit dem Kunden kommunizieren, können Informationen über Bedürfnisse und Interessen des Kunden mit seiner Position im Geschäft kombinieren und daher passgenaue Angebote, Nachrichten und Empfehlungen unterbreiten“, erklärt Tromp vom Handelsverband.

Die Frage, ob diese Spionage-Methoden überhaupt legal sind, lässt sich pauschal nur schwer beantworten. „Es kommt darauf an, ob die Daten personenbezogen ausgewertet werden können“, sagt Christoph Sorge, Professor für Rechtsinformatik an der Universität des Saarlandes. „Beim Tracking in Einkaufszentren können wir davon ausgehen, dass die Daten einzelnen Personen zugeordnet werden können.“ Damit falle das Tracking derzeit noch unter das Bundesdatenschutzgesetz, das solche Methoden nur mit ausdrücklicher Einwilligung erlaube. Hat der Nutzer nicht eingewilligt, müssen Betreiber dann einen triftigen Grund haben, der die Erhebung und Speicherung der Daten rechtfertigt.

Laut einer Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverbands sind 54 Prozent der deutschen Internetnutzer dafür, dass Offline-Tracking generell verboten wird. 34 Prozent finden es akzeptabel, wenn die Daten mit ihrer Erlaubnis genutzt werden. Nur neun Prozent sind grundsätzlich damit einverstanden. Verbraucher können die Gefahr, zum Opfer von Offline-Tracking zu werden, allerdings minimieren. „Die WLAN- und Bluetooth-Funktionen des Mobilgeräts sollten nur solange aktiviert sein, wie sie auch gebraucht werden“, rät der IT-Experte Ben Stock.

( (dpa/SZ))
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