Online-Shopping Bestellen, anprobieren, zurückschicken

Rücksendungen belasten den Online-Handel. Und wenn es um Retouren geht, sind die Deutschen Europameister.

 Besonders der Online-Modehändler Zalando hat mit einer hohen Anzahl an Retouren zu kämpfen. 50 Prozent der Pakete legen den Rückwärtsgang ein.

Besonders der Online-Modehändler Zalando hat mit einer hohen Anzahl an Retouren zu kämpfen. 50 Prozent der Pakete legen den Rückwärtsgang ein.

Foto: dpa/Jìrg Carstensen

Saarbrücken „Schrei vor Glück oder schick‘s zurück“ – mit diesem Slogan begann im Jahr 2008 der Aufstieg von Deutschlands größtem Online-Modehändler Zalando. Für die Kunden konnte es nicht besser sein: Kleidungsstücke in allen Farben und Formen bestellen, zu Hause anprobieren und alles, was nicht passt oder schlicht nicht gefällt, einfach wieder bei der Postfiliale um die Ecke abgeben.

Vom Einkauf per Mausklick machen die Konsumenten in Deutschland auch gern Gebrauch. Sie bestellten im vergangenen Jahr Waren im Wert von 58,5 Milliarden Euro. Das sind elf Prozent mehr als 2016, wie der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh) berichtet. Jeder achte Euro im Einzelhandel entfiel demnach auf den immer schneller wachsenden Online-Marktplatz. Spitzenreiter unter den Anbietern ist der US-amerikanische Versandhändler Amazon. 45 Prozent der Deutschen kaufen laut einer Untersuchung des Instituts für Handelforschung (IHF) online ausschließlich bei dem Riesenkonzern ein, 58 Prozent informieren sich dort zu einem bestimmten Produkt, lesen Kundenbewertungen und vergleichen Preise.

Mittlerweile kaufen 41 Prozent der jungen Erwachsenen mindestens einmal in der Woche im Netz ein, erklärt der Digitalverband Bitkom, der eine Umfrage mit mehr als 1000 Teilnehmern durchgeführt hat. Ganz oben auf der digitalen Einkaufsliste stehen Unterhaltungsmedien wie DVDs und CDs (54 Prozent), dicht gefolgt von Büchern (50 Prozent). Ebenfalls beliebt sind elektronische Geräte (43 Prozent) sowie Kleidung, Schuhe und Accessoires (35 Prozent).

Dass Online-Shopping so beliebt ist wie nie, liegt nicht zuletzt daran, dass Kunden ihre direkt vor die Haustür gelieferten Artikel schnell, unkompliziert und in den meisten Fällen kostenlos wieder loswerden können. Genau das führt auf der anderen Seite auch zu Problemen. Denn Rücksendungen belasten nicht nur die Unternehmen. Auch die Umwelt trägt großen Schaden davon. Doch das scheint die Deutschen nicht sonderlich zu scheren. Von zehn Paketen landeten durchschnittlich vier wieder in den Lagerhallen der Versandhändler, erklärt das Handelsinstitut EHI in Köln. Nirgends in Europa sei die Zahl der Retouren so hoch wie hierzulande, ergänzt der Paketdienst Hermes und verweist auf Frankreich. Dort würden nur halb so viele Pakete die Reise zurück antreten.

Nicht alle Branchen leiden gleichermaßen darunter, andere dafür umso mehr. Wer zum Beispiel Kleidung, Schuhe und Accessoires im Netz vertreibt, muss sich auf eine Retourenquote von 40 bis 60 Prozent gefasst machen, berichtet das Handelsinstitut EHI aus Köln. Das bestätigt auch Nadine Przybilski von Zalando. So werde im Schnitt jede zweite Bestellung wieder zurück an das Mode-Unternehmen geschickt. Amazon sowie die Elektronik-Händler Media Markt und Saturn wollten auf Anfrage keine konkreten Zahlen nennen.

Gründe für den hohen Anteil an Retouren im Textilhandel liefert eine Studie des Forschungsinstituts Ibi Research, bei der Wissenschaftler der Universität Regensburg Online-Modehändlern auf den Zahn fühlten. Sie wollten von ihnen wissen, was ihrer Ansicht nach die häufigsten Ursachen für Retouren seien. Das Ergebnis: In 86 Prozent der Fälle würden Kunden Kleidungsstücke und Schuhe zurückschicken, weil sie nicht passten. 68 Prozent hatte der Artikel nach dem Auspacken nicht mehr gefallen und 62 Prozent bestellten sich gleich mehrere Varianten zur Auswahl. Sie wussten also schon im Vorfeld, dass mindestens ein Teil wieder den Rückwärtsgang einlegen würde, weil sie sich die Hose zum Beispiel nicht nur in Größe S, sondern sicherheitshalber auch gleich noch in M liefern ließen.

Erstaunlich hoch ist laut Ibi Research auch der Anteil jener Kunden, die überhaupt keine echte Kaufabsicht haben. 15 Prozent der Online-Händler beklagten sich demnach über Schnäppchenjäger, die sich einen schmucken Anzug oder ein teures Abendkleid im Internet bestellten, nur um zu einem besonderen Anlass in neuer Garderobe zu glänzen. Nach der Feierlichkeit werde die getragene Ware zurückgesandt und das Geld lande wieder auf dem Bankkonto des „Käufers“ – Mode zum Nulltarif.

In den USA hat dieses Phänomen sogar einen Namen: „Wardrobing“ („Wardrobe“ bedeutet auf Deutsch Kleiderschrank). Kein Wunder, macht die Ausleih-Praxis skrupelloser Kunden dort mittlerweile zahllosen Unternehmen in der Textilbranche zu schaffen, wie die National Retail Federation (NRF) in einer Untersuchung ermittelt hat: 73 Prozent der Händler in den USA gaben an, schon einmal von diesem Problem betroffen gewesen zu sein. Die Schäden, die jährlich durch Wardrobing entstehen, reichen laut NRF in Millionenhöhe.

Apropos Kosten. Retouren sind eine teure Angelegenheit für Online-Händler. Laut EHI wird für jede Rücksendung im Schnitt zehn Euro fällig – wenn alles glatt läuft und im Paket keine böse Überraschung wartet. Aufwendig und somit auch kostspielig seien vor allem die Prüfung, Sichtung und Qualitätskontrolle der aussortierten Waren. Hinzu kämen unter anderem die Porto- und Versandkosten, die 72 Prozent der Händler für ihre Kunden übernähmen. Diesen Service einfach zu streichen, scheinen die meisten Online-Händler aber nicht riskieren zu wollen. Und das mit gutem Grund. Denn die Käufer in Deutschland sind extrem verwöhnt, wie eine weitere Studie von Ibi Research mit etwas mehr als 900 Befragten zeigt. So haben 40 Prozent von ihnen schon einmal eine Bestellung abgebrochen, weil sie die Kosten für eine mögliche Rücksendung selbst hätten tragen müssen. 35 Prozent würden grundsätzlich davon absehen, in einem Online-Shop zu bestellen, der nicht gebührenlos liefert und die Versandkosten bei Retouren übernimmt.

Von jenen Artikeln, die den Weg zurück antreten müssen, schaffen es übrigens nur 70 Prozent wieder in den Verkauf. Für die restlichen 30 Prozent ist die Reise zu Ende. Sie seien in einem derart schlechten Zustand, dass sich die Aufbereitung nicht mehr lohnen würde, erklärt das Kölner Handelsinstitut EHI. Bei diesen Zahlen verwundert es nicht allzu sehr, dass Deutschlands größter Online-Modehändler  den zweiten Teil seines Werbespruchs längst wieder gestrichen hat.

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