Software für Juristen Das können die digitalen Anwaltsgehilfen

Frankfurt/berlin · Software kann inzwischen auch Rechtsprobleme lösen. Das soll Juristen und Verbrauchern das Leben leichter machen.

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Foto: SZ

Die Digitalisierung hat im deutschen Recht viel später Einzug gehalten als in anderen Bereichen. Doch das ändert sich rapide. Es entstehen immer mehr Unternehmen, die die Arbeit von Anwälten revolutionieren wollen. Michael Grupp gehört zu denen, die frischen Wind in die deutsche Justiz bringen wollen. Im Frankfurter Büro des Mittdreißigers hängt ein riesiger Flachbildschirm an der Wand, auf seinem Schreibtisch steht ein Laptop. Aktenberge finden sich am Arbeitsplatz des Unternehmers keine.

Grupp ist Anwalt und einer der Gründer von Bryter, einem jungen Unternehmen mit Sitz in Frankfurt und Berlin. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz entwickelt die Firma Computerprogramme, die die Arbeit von Anwälten erleichtern sollen. Die Software solle denken wie ein Jurist, sagt Grupp. „Wenn man einen Juristen fragt, ob man das Arbeitszimmer von der Steuer absetzen dürfe, dann sagt er, es komme darauf an, und prüft in einer festgelegten Reihenfolge die genauen rechtlichen Umstände, bis er zu einem Ergebnis kommt“, erklärt Grupp. Die Software des Unternehmens solle die jeweilige Rechtslage deutlich schneller prüfen, aber genauso zuverlässig zu einem Ergebnis kommen.

Bislang nutzen unter anderem eine Großkanzlei und der Deutsche Anwaltverein das Angebot von Bryter. „Rechtsabteilungen werden in vielen Fällen immer wieder das Gleiche gefragt. Solche Fälle können automatisiert werden“, sagt Grupp. Als „Lego für Juristen“ bezeichnet der Frankfurter Unternehmer die Software. Ebenso wie das weltbekannte Plastikspielzeug soll auch das Programm funktionieren. Legobausteine lassen sich immer wieder neu zusammensetzen, und auch Grupp will bestehende juristische Denkmuster immer wieder neu zusammenfügen.

Solche Anwendungen werden Legal Tech genannt. Dieser Begriff kam Anfang der 2000er-Jahre aus Amerika nach Deutschland. Damit bezeichne man Technologien und Anwendungen, die juristische Tätigkeiten übernehmen oder unterstützen, erklärt Hans-Peter ­Schwintowski. Er ist Professor an der Berliner Humboldt-Universität und Leiter der dortigen Forschungsstelle Legal Tech. Die Forschung in diesem Bereich sei jedoch noch ganz am Anfang, erklärt er.

Auch die Branche ist noch jung. Dennoch gibt es bereits viele verschiedene Angebote. Firmen wie Lexemo, Evana, Bryter oder Streamlaw bieten ihre Technologien Großkanzleien oder anderen Unternehmen an. Andere wiederum haben das Verbraucherrecht für sich entdeckt. Auf der Seite hartz4widerspruch.de können Nutzer etwa überprüfen, ob bei ihrem Hartz-4-Bescheid ein Fehler passiert ist. Das Portal flightright.de verspricht, Entschädigungen für verspätete oder ausgefallene Flüge durchzusetzen. Solche Geschäftsmodelle seien durch juristische Software überhaupt erst möglich geworden, erläutert Schwintowski. Das Verbraucherrecht lasse sich dank der neuen Technologie viel leichter durchsetzen, sagt der Berliner Forscher. Denn obwohl sie sich ungerecht behandelt fühlen, schrecken viele Menschen vor dem Gang zum Anwalt zurück. Sie fürchten, bei einer Niederlage vor Gericht alle Kosten des Rechtsstreits tragen zu müssen. Dank der neuen Software können Unternehmen und Kanzleien die Kosten für Klienten gering halten. Manche Programme können innerhalb weniger Minuten feststellen, ob etwa ein Verbraucher Anspruch auf Schadenersatz hat. So können sie sich die Anwaltskosten sparen. Geht ein Fall dennoch vor Gericht, versprechen Portale wie Flightright, dem Nutzer nichts zu berechnen, falls eine Klage scheitert. Siegt der Kläger vor Gericht, erhält das Unternehmen eine Provision.

Die Universitäten reagieren nur langsam auf die digitalen Veränderungen im deutschen Recht, sagt der Jurastudent Jan-Henrik Busch. Er setzt sich daher dafür ein, dass Studenten sich selbst auf den technologischen Wandel in ihrem zukünftigen Berufsumfeld vorbereiten. Deshalb hat der 23-Jährige vor rund anderthalb Jahren das Frankfurter Legal Tech Lab gegründet. Ziel der studentischen Initiative ist es, neueste Entwicklungen in Sachen juristischer Software bei den Studenten der Frankfurter Goethe-Universität bekannt zu machen. Dazu organisieren die Studenten kostenlose Vorträge, Diskussionen und Exkursionen zu Unternehmen und Kanzleien. Außerdem sollen die Studenten neue Kontakte knüpfen könne. Daher treffen sich wöchentlich knapp 40 Frankfurter Studenten, um Ideen auszutauschen.

Die Informationstechnik werde das Recht maßgeblich beeinflussen und verändern, sagt der Berliner Forscher Schwintowski. Dass es deswegen künftig keine Anwälte mehr geben werde, glaubt er jedoch nicht. Computertechnik und Software würden Juristen auch in Zukunft nicht ersetzen, sondern unterstützen. Das sieht Michael Grupp genauso. Nicht alle juristischen Prozesse sollen einem Computer anvertraut werden, sagt er. Daher sei es mit die wichtigste Aufgabe seines Unternehmens, Kunden zu erklären, welche Technologien funktionieren und welche nicht, erläutert der Frankfurter Unternehmer.

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