Algorithmen auf dem Vormarsch Die Angst vor der Macht der Formeln

Gütersloh · Wer im Internet welchen Job angeboten bekommt oder wer als kreditwürdig eingestuft wird, das entscheiden immer häufiger Computerprogramme. Der Einfluss der Algorithmen, die diese steuern, ist vielen Menschen unheimlich.

 Algorithmen sollen sogar berechnen können, welcher Partner am besten zu uns passt. Das sagen zumindest die Betreiber von Dating-Portalen.

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Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Fast die Hälfte der Deutschen kann mit dem Begriff Algorithmus nichts anfangen. Das ist das Ergebnis einer von der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh vorgestellten Studie. Zwar haben demnach drei Viertel der Befragten das Wort schon einmal gehört, aber nur jeder Zehnte kann erklären, wie Algorithmen funktionieren. Fast die Hälfte weiß, dass im Internet mit der Hilfe von mathematischen Formeln zum Beispiel bei Facebook, Google und Twitter auf den Einzelnen passgenau zugeschnittene Werbung eingeblendet wird. Dass aber Algorithmen auch bei Bewerbungen oder Krankheitsdiagnosen eingesetzt werden, weiß nur etwa ein Drittel der Deutschen.

Der Begriff Algorithmus beschreibt eine Reihe von Anweisungen, die Schritt für Schritt ausgeführt werden, um ein Problem zu lösen oder eine Aufgabe zu bewältigen. Bei einer Suchmaschine bestimmt der Algorithmus beispielsweise, welche Webseite in den Suchergebnissen auf welcher Position angezeigt wird.

Über den Einsatz der Algorithmen wird seit geraumer Zeit auch politisch diskutiert. So hat sich die schwarz-rote Bundesregierung im Koalitionsvertrag darauf verpflichtet, zum Schutz der Verbraucher Algorithmen-basierte Entscheidungen, Dienstleistungen und Produkte transparenter zu machen, „insbesondere im Hinblick auf mögliche unzulässige Diskriminierungen, Benachteiligungen und Betrügereien“.

Ob Algorithmen gut oder schlecht sind – dazu haben laut der Bertelsmann-Studie 46 Prozent der Deutschen keine Meinung. Allerdings empfindet eine Mehrheit ein großes Unbehagen, wenn Maschinen losgelöst vom Menschen über Dinge entscheiden sollen. 73 Prozent der Befragten fordern ein Verbot von sogenannten vollautomatisierten Entscheidungen, die ohne menschliche Beteiligung getroffen werden.

„Algorithmen bestimmen zunehmend über unser Leben. In Deutschland fehlt es an grundsätzlichem Wissen über den digitalen Wandel“, sagt Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung. „Wir müssen dringend lernen, die Chancen und Risiken von Algorithmen richtig abzuwägen“,

Die Stiftung weist in der Untersuchung darauf hin, dass Fehler von Algorithmen nicht Einzelne treffen, sondern eine Vielzahl von Menschen. Beispielhaft nennen die Autoren reproduzierte Benachteiligungen und die Stärkung von sozialen Ungleichheiten. So wurden bei Google Stellenanzeigen für Führungspositionen nur Männern, nicht aber Frauen angezeigt. Oder Bewerber wurden wegen ihres Wohnortes oder einer psychischen Krankheit im Vorfeld automatisch aussortiert.

Nach den Erkenntnissen der Studienautoren befürchten viele der Befragten, dass Programmierer zu viel Macht über das Leben von Menschen erhalten und mit Algorithmen manipulieren. „Es besteht unabhängig vom Bildungsniveau oder Einkommen der Wunsch nach einer engmaschigeren Kontrolle“, so die Verantwortlichen. „Unterm Strich denken nur 13 Prozent der Menschen in Deutschland, dass Algorithmen gerechtere Entscheidungen treffen als Menschen.“

Mitte März war bekannt geworden, dass sich die Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica Zugang zu Daten von mehr als 50 Millionen Facebook-Nutzern verschafft hatte. Die mittlerweile insolvente Firma soll im US-Wahlkampf entscheidend dabei geholfen haben, mit als Werbung geschalteten gezielten Botschaften bei Facebook Anhänger des heutigen Präsidenten Donald Trump zu mobilisieren und zugleich potenzielle Wähler der Gegenkandidatin Hillary Clinton vom Urnengang abzubringen.

Bei der repräsentativen Umfrage für die aktuelle Bertelsmann-Studie spielte dieser Skandal noch keine Rolle. Die Menschen waren im Januar befragt worden. Die Skepsis der Deutschen wird in Brüssel geteilt. Die EU-Kommission kündigte im April an, darüber nachzudenken, Algorithmen als wichtigste Instrumente der Internetplattformen zu regulieren.

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