Nach dem Datenskandal Die späte Reue des Mark Zuckerberg

Washington · Vage Zugeständnisse und demonstrative Bescheidenheit prägen die Aussagen des Facebook-Chefs vor dem US-Kongress.

 Mit selbstsicherem Blick stellt sich Mark Zuckerberg den Fragen der US-Senatoren.

Mit selbstsicherem Blick stellt sich Mark Zuckerberg den Fragen der US-Senatoren.

Foto: dpa/Andrew Harnik

Die Krawatte ist fliederfarben, der Anzug marineblau. Das graue T-Shirt, in dem er sich sonst so gern zeigt, hat Mark Zuckerberg gegen ein blütenweißes Hemd eingetauscht, wie man es im US-Kongress nun einmal trägt. Schon die Optik soll Kritiker beschwichtigen, zum Beispiel Donald Trumps neuen Wirtschaftsberater Larry Kudlow, einen Siebzigjährigen, der pikiert gefragt hatte, ob sich der Mann denn endlich wie ein Erwachsener zu kleiden verstehe oder etwa in Latzhosen erscheine. Offenbar um größer zu wirken, sitzt Zuckerberg in seinem Sessel auf einem ziemlich dicken Kissen, bereit, sich in einer gemeinsamen Marathonsitzung des Rechts- und des Handelsausschusses von 42 Senatoren befragen zu lassen.

Fünf Stunden wird die Anhörung dauern, es ist ein Ausflug auf fremdes Terrain, denn Zuckerberg fliegt nicht gern nach Washington. Waren dort die eigenen Interessen zu vertreten, überließ er das bisher gern seiner rechten Hand Sheryl Sandberg, die einmal Stabschefin beim früheren Finanzminister Larry Summers war. Er selbst dachte gar nicht daran, Kalifornien für einen Auftritt im Parlament zu verlassen.

Was ein Datenskandal doch für einen Unterschied macht. Reue zur Schau stellen, geduldig antworten, im Allgemeinen Besserung geloben und dabei allzu konkrete Zugeständnisse vermeiden, so ließe sich die Verteidigungsstrategie des Facebook-Chefs zusammenfassen. Zuckerberg hat für den Auftritt geübt, wie es Präsidentschaftsanwärter vor einer Kandidatendebatte tun, beraten durch hochkarätige Experten für Rhetorik und Stil. „Wir haben unsere Verantwortung nicht breit genug gesehen, und das war ein großer Fehler“, liest er zunächst aus einer vorbereiteten Erklärung. „Es war mein Fehler, und es tut mir leid. Ich habe Facebook gegründet, ich betreibe es, ich bin verantwortlich für das, was hier geschieht.“ Nur seien Pannen fast unvermeidlich, wenn man ein Unternehmen in einem Internatszimmer gründe und es dann bis zur heutigen Größe ausbaue, bittet er um Verständnis.

Das Mea culpa eines noch unlängst gefeierten Genies, manche stimmt die Pose tatsächlich milde, andere lassen den Milliardär ihre Skepsis spüren. Ausgelöst wurde die Krise durch den Skandal um das Abschöpfen der Daten von bis zu 87 Millionen Facebook-Nutzern durch die Politikberatungsfirma Cambridge Analytica, die im Anschluss für die Kampagne des damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump genutzt wurden. Im Kongress ist es denn auch die Opposition, die am schärfsten Kritik übt.

Man habe solche Kniefall-Tourneen schon früher erlebt, „aber ich sehe nicht, wie sie ihr Geschäftsmodell ändern, solange nicht andere Straßenverkehrsregeln gelten“, sagt Richard Blumenthal, ein Demokrat aus dem Ostküstenstaat Connecticut. „Ihr Geschäftsmodell besteht darin, den Profit über die Privatsphäre zu stellen.“ Er sei keineswegs sicher, schiebt der Senator hinterher, ob vage Zusicherungen konkretes Handeln zur Folge hätten. Später macht er in Interviews deutlich, dass er dem sozialen Netzwerk nicht zutraut, sich freiwillig strengeren Regeln zu unterwerfen. Nur ein Gesetz könne dies garantieren, ergo stehe der Kongress in der Pflicht.

Richard Durbin, Blumenthals Parteifreund aus Illinois, fragt Zuckerberg, ob er wohl verrate, in welchem Hotel er die letzte Nacht verbracht habe. Die Antwort ist – nach sekundenlangem Zögern – ein Nein, was Durbin die erhoffte Steilvorlage liefert. „Das ist es ja, worum es bei alledem geht. Es geht um ihr Recht auf Privates und darum, wie viel sie davon im heutigen Amerika abgeben wollen im Namen des, ich zitiere, Vernetzens von Menschen in aller Welt.“

Aber auch in den republikanischen Reihen mangelt es nicht an Politikern, die das Rampenlicht nutzen, um sich durch harte Töne zu profilieren. Lindsey Graham, ein Parlamentsveteran aus South Carolina, kommt mit einem Vergleich aus der Autowelt. Wer sich über seinen Ford ärgere, kaufe sich eben einen Chevy. Zu wem man wohl wechseln könne, wenn einem Facebook auf die Nerven gehe. „Glauben sie nicht, dass sie ein Monopol haben?“ Ted Cruz, vor zwei Jahren einer der Konservativsten unter den Bewerbern fürs Oval Office, beschwert sich über Internet-Zensoren, die rechtsgerichtete Inhalte löschten, während sie auf dem linken Auge blind seien.

Manche indes, vor allem ältere Jahrgänge, scheint das Phänomen Social Media noch immer vor Rätsel zu stellen. Einige stolpern über technische Begriffe, man merkt, dass sie Fragen verlesen, die ihnen Mitarbeiter aufgeschrieben haben, ohne im Dialog kritisch nachhaken zu können. Die Wissenslücken geben Zuckerberg Gelegenheit, bei aller demonstrativen Bescheidenheit ein wenig Nachhilfeunterricht zu geben. So nervös er anfangs wirkte, mit der Zeit entspannt er sich. Er spürt, dass er die meisten Klippen umschiffen kann, zumindest die Klippen auf Capitol Hill. Wann immer es eng wird, verweist er auf sein Team, das demnächst genauere Informationen liefern werde.

Was er am meisten bedauere, räumt er irgendwann ein, sei die Tatsache, dass er 2016 die russische „Informationsoperation“ im US-Wahlkampf zu spät erkannt habe. Solange in Russland Leute säßen, deren Job es sei, sich rund um den Globus in Wahlen einzumischen, sei dies ein andauernder Konflikt. Ohne hundertprozentige Erfolgsgarantie. „Es ist ein Wettrüsten“, sagt Mark Zuckerberg.

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