Neue Flirt-Funktion angekündigt Facebook will seine Nutzer künftig verkuppeln

San Jose · Nach einer wochenlangen Entschuldigungs-Tour im Datenskandal geht Facebook-Chef Zuckerberg in die Offensive. Facebook habe seine Lektion gelernt, jetzt müsse es weiter vorangehen – unter anderem mit einer neuen Flirt-Funktion.

 Nun bekommt das weltgrößte Online-Netzwerk auch noch eine Flirt-Funktion. Aktien der Konkurrenz sacken bei dieser Neuigkeit ab. Will Zuckerberg so auch den Nachwirkungen des Datenskandals trotzen?

Nun bekommt das weltgrößte Online-Netzwerk auch noch eine Flirt-Funktion. Aktien der Konkurrenz sacken bei dieser Neuigkeit ab. Will Zuckerberg so auch den Nachwirkungen des Datenskandals trotzen?

Foto: dpa/Sven Hoppe

Was macht man als weltgrößtes Online-Netzwerk, wenn alle Welt einem vorwirft, zu viele Daten zu sammeln und zu mächtig geworden zu sein? Facebooks Antwort: Man rückt noch tiefer in den sensibelsten Bereich menschlicher Beziehungen vor und sammelt nebenbei noch mehr Daten.

Der gerade angekündigte Einstieg der Firma ins Geschäft mit der Partnersuche ist mehr als nur eine neue Funktion. Gründer und Chef Mark Zuckerberg setzt damit ein symbolisches Zeichen: Facebook mag nach dem Datenskandal einiges geändert haben, aber es wird nicht stehenbleiben. Im Gegenteil: Facebook legt noch einen Zahn zu.

In den vergangenen Wochen und Monaten gab es von Zuckerberg in der Öffentlichkeit eher demütige Töne zu hören. Erst räumte er ein, dass Facebook nicht schnell genug die aus Russland geführte Propaganda-Kampagne im Zuge der US-Präsidentenwahl erkannt habe. Und im März wurde Facebook auch noch aus heiterem Himmel vom Jahre alten Datenskandal um den Abfluss von Nutzerdaten an die Firma Cambridge Analytica eingeholt.

Das Online-Netzwerk mit mehr als zwei Milliarden Nutzern schien in eine existenzielle Krise geschlittert zu sein. Aufrufe, Facebook zu verlassen, machten online die Runde. Zuckerberg entschuldigte sich oft und ausgiebig, überstand weitgehend glimpflich eine zehnstündige Fragerunde im US-Kongress, der Newsfeed wurde auf Kosten von Medieninhalten stärker auf Beiträge von Freunden und Familie ausgerichtet, der Zugang von Softwareentwicklern zu Nutzerdaten wurde eingeschränkt, die Nutzer bekommen neue Datenschutz-Werkzeuge. Es war nicht das erste Mal, dass Facebook sich für Fehler und Datenschutz-Fehltritte entschuldigen musste. Aber noch nie sagte Zuckerberg so weitreichenden Wandel zu.

Doch jetzt – auf der hauseigenen Entwicklerkonferenz F8 in San Jose – blies Zuckerberg wieder zur Offensive. „Wenn Sie wie ich glauben, dass es wichtig ist, Menschen eine Stimme zu geben, dass es wichtig ist, Beziehungen und das Gemeinschaftsgefühl aufzubauen, dass es wichtig ist, hart daran zu arbeiten, die Welt näher zusammenzubringen, dann sage ich: Wir werden weiterbauen“, verkündete der 33-Jährige ungewöhnlich kämpferisch. „Wir müssen diese Idee am Leben erhalten.“ Die Welt werde sich nicht von alleine in diese Richtung bewegen.

Facebook sei dazu da, jedem auf der Welt die Möglichkeit zu geben, alles was man will, jederzeit und überall mit anderen zu teilen, betonte Zuckerberg. Die Botschaft nach den vergangenen turbulenten Wochen: Die jüngsten Änderungen sollen dafür sorgen, dass das Netzwerk sicherer werde. Jetzt müsse es wieder vorangehen. Zum Beispiel mit der Partnersuche. Nach der Ankündigung am Mittwoch verlor die Aktie der Match Group – der Mutterfirma der Flirt-App Tinder – rund ein Fünftel ihres Werts.

Für die neue Facebook-Dating-Funktion werden Mitglieder gesonderte Profile anlegen müssen, die auch nur für andere Flirt-Interessierte sichtbar sein sollen. Details zur neuen Funktion gibt es nicht. Aber die Gedankenspiele, die man damit anstellen kann, sind faszinierend und erschreckend zugleich. Denn Facebook weiß sehr viel über seine Nutzer: Was ihnen gefällt, wofür sie sich interessieren, wo sie sind, wen sie kennen und wo sie arbeiten. Und noch vieles mehr. Facebook kennt diese Informationen aus tatsächlichen Verhaltensdaten, nicht geschönten Nutzer-Profilen.

Ob Facebook sein enormes Wissen über die Mitglieder nutzen will, um geeignete Partnervorschläge zu machen, ist bislang unklar. „Auf Facebook haben 200 Millionen Menschen ihren Status als Single angegeben, also gibt es hier eindeutig etwas zu tun“, sagt Zuckerburg auf der F8.

Die Kommunikation zwischen zwei Personen soll über einen eigenen Chatdienst laufen. Facebook-Nutzer der neuen Dating-Funktion sollen unter anderem an Events und Gruppen teilnehmen und dort ihre Profile sichtbar machen können. Weitere Informationen und den genauen Start der Flirt-Funktion würden in den kommenden Monaten folgen, kündigt Zuckerberg an.

Der wichtigste Teil von Facebook seien die Beziehungen, die man aufbaue, sagte Zuckerberg. Die F8 in San Jose zeigt: Der Facebook-Gründer wird immer noch von dem Drang angetrieben, alle miteinander zu vernetzen. Die Werbung scheint dabei nur ein Mittel zum Zweck, weil es sonst keinen kostenlosen Dienst für Milliarden Menschen geben könnte.

(dpa)
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