Schwere Vorwürfe aus den USA Ein Entwickler unter Generalverdacht

Berlin · Der chinesische Hersteller Huawei soll laut US-Behörden Spionage betreiben. Belege gibt es dafür aber bisher nicht.

 Produkte von Huawei spielen eine zentrale Rolle in der deutschen Mobilfunk-Infrastruktur.

Produkte von Huawei spielen eine zentrale Rolle in der deutschen Mobilfunk-Infrastruktur.

Foto: dpa/Robert Schlesinger

US-Präsident Donald Trump erhebt schwere Vorwürfe gegen Huawei: Der chinesische Elektronik-Konzern nutze seine Produkte, um Spionage im Ausland zu betreiben, so die Behauptung. Nachdem die USA, Australien und kürzlich auch Neuseeland den weltweit führenden Anbieter von Komponenten für den schnellen Mobilfunkstandard 5G als Handelspartner verbannt haben, wächst der Druck auch in Europa.

Deutschland agiere mit seinem bedenkenlosen Umgang „gefährlich naiv“, kritisiert beispielsweise Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen. Auch viele Vertreter der Bundesregierung können sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass wichtige Netz­infrastruktur in Deutschland mit Bausteinen aus der Volksrepublik China geschaffen wird. Nadine Schön, stellvertretende Vorsitzende der Unions-Fraktion im Bundestag kritisiert, dass Deutschland bei der 5G-Technologie „offensichtlich überwiegend auf den chinesischen Partner Huawei“ setzt.

„Das ist ein schon lange schwelender Brand“, sagt Christoph Fischer vom Karlsruher IT-Sicherheitsunternehmen BFK EDV-Consulting. Das Problem betreffe allerdings längst nicht nur Huawei. Im Prinzip sei kein Anbieter, ob nun aus China, Russland oder den USA, „absolut vertrauenswürdig“, so Fischer. Auch beim dem US-Netzwerkausrüster Cisco sei immer wieder vermutet worden, dass er bewusst Hintertüren in Hard- und Software einbaue – wie zuletzt bei einem Lauschangriff des britischen Geheimdienstes auf den belgischen Provider Belgacom vor rund fünf Jahren.

Das Unternehmen hatte sich selbst darüber empört, dass der US-Geheimdienst NSA Postsendungen von Cisco abgefangen und die enthaltenen Geräte manipuliert hatte. Das untergrabe das Vertrauen in die Industrie, beklagte Cisco im Mai 2014 nach den Veröffentlichungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden.

Huawei gehört zu den erfolgreichsten Anbietern von Netzinfrastruktur aus China. Auch als Smartphone-Hersteller hat sich das Unternehmen in einem hart umkämpften Markt einen Namen gemacht und rangiert inzwischen unter den Top drei neben Samsung und Apple. Die großen Netzbetreiber hierzulande schätzen vor allem das Know-how der Chinesen beim Mobilfunkausbau.

Alternativen sind rar gesät. Deutschland habe vor etwa 15 Jahren „eine epochale Chance vertan“, sagt Christoph Fischer. Damals habe es Bestrebungen gegeben, in einem europäischen Projekt auf Basis von Chips des Herstellers Infineon eigene Internet-Hardware zu entwickeln. Dem Projekt sei allerdings wegen Kompatibilitätsproblemen und mangelnder wirtschaftlicher Konkurrenzfähigkeit der Stecker gezogen worden. Heute fehlten Deutschland rund zehn bis 15 Jahre Entwicklungserfahrung. „Wir befinden uns in einer Lage, in der wir nur zwischen Teufel und Beelzebub wählen können“, so Fischer.

Die Deutsche Telekom hält die Spionage-Vorwürfe aus den USA aktuell für weitgehend unbegründet. Trotz intensiven Austauschs mit den zuständigen Behörden lägen „keine belastbaren Hinweise auf sicherheitskritische Eigenschaften von Komponenten einzelner Zulieferer vor“, sagt Telekom-Manager Thomas Tschersich. Auch beim geplanten Ausbau setze die Telekom wie üblich auf „eine gute Mischung an Herstellern“, zudem würden alle Komponenten intensiv geprüft und im laufenden Betrieb analysiert. Leistungsstarke Zulieferer auszuschließen, könne man sich gerade in Deutschland nur schwer leisten, sagt Tschersich.

Huawei genießt hierzulande das Vertrauen ausgewiesener Sicherheitsspezialisten. Erst Mitte November eröffnete das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik BSI gemeinsam mit dem Unternehmen ein „Security Lab“ in Bonn. Das Labor soll auch eng mit Regierungs- und Aufsichtsbehörden zusammenarbeiten. Ausdrücklich will das BSI auch beim Aufbau des 5G-Netzes mit dem chinesischen Hersteller kooperieren.

Vor diesem Hintergrund steht der Verdacht im Raum, dass die Vorwürfe von US-Präsident Donald Trump nur als Teil des Handeskriegs mit China lanciert wurden. Aus Sicht von Huawei sind die amerikanischen Anschuldigungen jedenfalls haltlos. Die von den USA auferlegten Handelsbeschränkungen sieht der Vorstandsvorsitzende von Huawei Technologies, Eric Xu, eindeutig als „politisch motiviert“ an – und warnt vor negativen Folgen für Wettbewerb und Verbraucher. Eine mögliche Einmischung der chinesischen Regierung schloss Xu aus.

Kritiker wie Konstantin von Notz verweisen auf das in China geltende Recht. Das im Sommer 2017 in Kraft getretene Geheimdienstgesetz sieht unter anderem eine Auskunftspflicht für Unternehmen und Bürger gegenüber den Geheimdiensten vor. Ähnliche Befugnisse hätten allerdings auch die Geheimdienste in den USA, wendet Sicherheitsexperte Fischer ein. Jetzt auf Router aus europäischer Produktion zu setzen, hält Fischer nicht für zielführend. Nachrichtendienste könnten sich ihre Informationen auch auf anderen Wegen besorgen, so seine Einschätzung.

(dpa)
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