Lern-Apps für Kinder Wenn das Smartphone Nachhilfe gibt

Bremen/Berlin · Kinder wachsen heute meist mit Mobilgeräten auf. Mit speziellen Apps lernen sie dabei nicht nur den Umgang mit digitalen Medien, sondern auch Lesen, Schreiben und Rechnen. Doch nicht jede App erfüllt pädagogische Standards.

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Foto: SZ

Bruchrechnen ist für viele Schüler ganz schön langweilig. Syrina Laubvogel, Lehrerin an einer Bremer Gesamtschule, hat ein Mittel dagegen: Sie stellt ihren Neuntklässlern auf Bremens Lernplattform „itslearning“ eine Spieleseite mit sieben Rechen-Übungs-Apps zur Verfügung. „Das Gute ist, dass ich so die Auswahl treffe und die Schüler erst gar nicht in Versuchung kommen, schlechte oder fehlerhafte Apps zu nutzen“, sagt Laubvogel.

Lehrer, die mit digitalen Lernhilfen arbeiten, sind jedoch in Deutschland noch die Ausnahme. „In der Schule sind Apps noch ganz weit weg, zu Hause bei den Kindern jedoch etabliert“, beobachtet Iren Schulz, Medienexpertin bei „Schau Hin! Was Dein Kind mit Medien macht“, einer unter anderem vom Bundesfamilienministerium getragenen Initiative. Ob Simpleclub, Vokabeltrainer oder Lernspiele für Jüngere – es gibt zahlreiche Lern-Apps für Smartphone und Tablet.

Kinder können aber häufig noch nicht abschätzen, welche Angebote sinnvoll sind. Dennoch haben bereits junge Kinder oft ungehinderten Zugang zum Internet. 37 Prozent der Sechs- bis Neunjährigen besitzen ein eigenes Smartphone, wie die Anfang August veröffentlichte Kinder-Medien-Studie ergab. Zwölf Prozent von ihnen dürfen eigenständig Apps herunterladen. Bei den Zehn- bis 13-Jährigen haben bereits 84 Prozent ein eigenes Mobilgerät.

Eltern sollten grundsätzlich ein Auge darauf haben, welche Apps ihre Kinder herunterladen, sagt Schulz. Aber auch für Erwachsene sei das Angebot an Kinder-Apps oft nur schwer überschaubar. „Viele Apps wirken kindgerecht und werben damit, dass sie von Pädagogen entwickelt seien“, sagt die Medienexpertin. Doch gerade bei kostenlosen Apps sei Vorsicht geboten. „Da bezahlt man in der Regel mit seinen Daten.“

Zudem lauerten auch bei vermeintlich gebührenfreien Lern-Apps oft versteckte Kosten, warnt Marc Urlen, Medienexperte beim Deutschen Jugendinstitut in München. Auf den ersten Blick werde oft nicht deutlich, dass es sich um ein kommerzielles Angebot handele. Das könne auch auf Apps zutreffen, die zunächst einen kindgerechten Eindruck machten, etwa Spiele, bei denen ein Ziel durch das Lösen von Rechenaufgaben erreicht werden kann. „Nach einiger Zeit aber, wenn das Kind sich an das Lern-Spiel gewöhnt hat, kommt es dann plötzlich nur mit In-App-Währungen weiter.“ Das sind Zahlungen, die im Laufe des Spiels fällig werden. Dann kann es teuer werden.

Schulz rät deshalb: „Eltern sollten bereit sein, für eine gute App ohne Werbung und In-App-Käufe zu zahlen.“ Um unvorhergesehene Kosten zu vermeiden, empfiehlt Urlen den Eltern, das Betriebssystem der Geräte ihrer Kinder für In-App-Käufe zu sperren. „Sinnvoll ist auch die Installation einer Kindersicherungssoftware.“

Bei der Auswahl der App sollten Eltern auf eine übersichtliche Navigation achten, sagt Schulz. Gute Lern-Apps zeichneten sich zudem dadurch aus, dass sie sich an das Alter der Kinder, die Schulform und auch an Themenschwerpunkte anpassen ließen. Sinnvoll sei es auch, wenn Apps Hilfefunktionen anböten, die die Kinder nach Misserfolgen motivieren sollen.

Orientierung bei der Auswahl können Datenbanken mit geprüften Kinder-Apps geben, wie sie etwa das Deutsche Jugendinstitut anbietet. Auch Auszeichnungen für Bildungsmedien wie Digita, Giga Maus, Tommi oder Comenius Edumedia sind hilfreich bei der Auswahl. Damit Kinder Spaß an einer App haben, empfehle es sich, sie zusammen auszuprobieren, schlägt Schulz vor.

Mathematik-Lehrerin Laubvogel beobachtet, dass sich der Einsatz von digitalen Anwendungen positiv auf das Arbeitsverhalten der Schüler auswirken kann, weil die App ihnen sofort eine Rückmeldung gibt. „Das motiviert die Schüler.“ Der Einsatz von Apps auf geschützten digitalen Plattformen in der Schule sei eine ideale Lösung, sagt Schulz. „Die Schulen müssen sich da mehr öffnen.“

Doch auch gute Lern-Apps sind kein Ersatz für traditionelle Lernformen. Apps seien lediglich eine Ergänzung und erleichterten das Üben, sagt Marc Urlen vom Deutschen Jugendinstitut. „Sie sind auch keine Patentlösung für Lernprobleme.“ Wenn richtige Lernschwächen aufträten, dann brauche es umfassendere Förderung. „Zwischenmenschliche Interaktion bleibt letztlich entscheidend für das Lernen.“

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