Medizinische Ratschläge aus dem Netz Wenn das Internet krank macht

Berlin · Immer mehr Menschen suchen bei Gesundheitsfragen Rat im Netz. Das bringt so manches Risiko mit sich.

 Die Hälfte der deutschen Internetnutzer holen sich medizinischen Rat im Netz.

Die Hälfte der deutschen Internetnutzer holen sich medizinischen Rat im Netz.

Foto: dpa-tmn/Andrea Warnecke

Wer sich Sorgen um seine Gesundheit, geht meist zum Arzt. Doch immer mehr Menschen suchen auch im Internet nach Antworten auf medizinische Fragen. Laut einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung informiert sich die Hälfte der deutschen Internetnutzer mindestens einmal im Monat online über Gesundheitsthemen. 58 Prozent von ihnen vor dem Gang zum Arzt, 62 Prozent recherchieren die Diagnose nach dem Praxisbesuch im Internet.

Bei einer solchen Recherche sollten Nutzer äußerst vorsichtig vorgehen, raten die Verbraucherzentralen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Denn eine Information sei nur dann etwas wert, wenn sie aus einer kompetenten Quelle stammt. Oft sei aber nicht klar, wie vertrauenswürdig eine Internetseite sei und ob diejenigen, die dort einen Rat erteilten, überhaupt wüssten, wovon sie redeten. Daher sei es wichtig, alle Informationen mit Bedacht zu behandeln, erklären die Verbraucherzentralen. Letztendlich könne das Internet keinen Arztbesuch ersetzen.

Informationsseiten liefern einen schnellen Überblick und warten vielfach auch mit Hintergrundwissen zu bestimmten Krankheiten und Behandlungen auf. Dadurch könnten Nutzer sich zum Beispiel auf ein Arztgespräch vorbereiten. Es bestehe jedoch auch die Gefahr, auf falsche Information zu stoßen, warnen die Verbraucherzentralen. Das könne dazu führen, dass jemand seine eigene Erkrankung über- oder auch unterschätze.

Eine andere Möglichkeit, sich zu informieren, bieten Internetforen. Oft werden Nutzern dort Beiträge zu verschiedenen Themengebieten angeboten, zu denen sie Fragen stellen und ihre Meinung äußern. Die Teilnehmer tauschen sich in der Regel ohne redaktionelle Kontrolle aus. Die Qualität der Beiträge unterscheidet sich laut den Verbraucherzentralen stark. Nutzer sollten daher prüfen, wer der Betreiber ist. Foren von wissenschaftlichen Instituten, Selbsthilfegruppen, Krankenkassen oder Ärzteorganisationen böten meistens seriöse Informationen, sagen die Verbraucherschützer. Dennoch sollten Nutzer alle Informationen kritisch prüfen und sich nie nur auf eine Quelle verlassen. Auch raten die Verbraucherzentralen, in einem Forum so wenige persönliche Daten wie möglich anzugeben.

Andere Seiten bieten Internet-Preisvergleiche zu verschiedenen Produkten an. In der Regel führten Links direkt auf eine Internetseite, wo sie direkt bestellt werden könnten. Diese Angebote finanzierten sich teils aus den Einnahmen, welche die Händler für die Werbung zahlen, erklären die Verbraucherzentralen. Einige Anbieter räumten Kunden die Möglichkeit ein, Produkte zu bewerten und Erfahrungsberichte zu den Artikeln zu veröffentlichen. Diese Seiten wirkten auf den ersten Blick oft wie allgemein zugängliche Diskussionsforen. In Wirklichkeit gehe es jedoch meist um Werbung für bestimmte Produkte, so die Verbraucherschützer. Deshalb sei auf solchen Seiten besondere Vorsicht angebracht. Solche Internet-Preisvergleiche schließen nicht unbedingt alle Angebote auf dem Markt ein. Meistens sei unklar, nach welchen Kriterien Produkte ausgewählt würden und ob deren Bewertung unabhängig sei.

Zur Vorsicht mahnt auch die Stiftung Warentest. Sich im Internet über medizinische Fragen zu informieren, könne sinnvoll sein, etwa um sich auf einen Arztbesuch vorzubereiten, eine zweite Meinung einzuholen, komplizierte Zusammenhänge zu verstehen oder auch um peinliche Themen anzusprechen. Sicherheitshalber sollten Nutzer mehrere Anfragen ins Netz stellen und die Antworten vergleichen. Wer akute Beschwerden habe, solle zum Arzt gehen, so der Rat der Tester.

Doch auch die Internetsuche nach Symptomen kann krank machen. Der Fachbegriff für dieses Phänomen lautet Cyberchondrie. Der Begriff setzt sich zusammen aus den Worten Cyber, für den digitalen Raum des Internets, und Hypochondrie. Hypochonder machen sich bei jedem kleinen Kratzer, Heiserkeit oder einem Hustenanfall Sorgen. Oft besteht auch die Angst, an einer ernsthaften Erkrankung zu leiden. Suchmaschinen könnten diese Ängste verstärken. Für Ärzte werden solche Patienten zum Problem, da diese oft Dutzende verschiedene Mediziner aufsuchen, um ihre Internet-Diagnose bestätigt zu bekommen, sagt Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen. Laut Wenker hat die Zahl der Patienten, die mit einer fertigen Diagnose aus dem Internet in die Praxis kommen, deutlich zugenommen. Sie rät Ärzten, diese Patienten und ihre Symptome in jedem Fall ernst zu nehmen, aber wenn nötig auch psychologische Hilfe anzubieten. 

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