Aktien Warum viele Anleger die Börse meiden

Mannheim · Viele Verbraucher glauben, dass sie mit Aktien nur verlieren werden. Zu undurchsichtig erscheint ihnen der Handel an den Börsen. Doch sein Geld in Aktien anzulegen, ist in der Regel aussichtsreicher als Lotto zu spielen.

 In Deutschland investieren nur knapp neun Millionen Bürger ihr Geld auch in Aktien. Dabei sind die Gewinne bei der richtigen Mischung seit Jahren  ordentlich. Im vergangenen Jahr lag die Gesamtrendite bei 6,9 Prozent.

In Deutschland investieren nur knapp neun Millionen Bürger ihr Geld auch in Aktien. Dabei sind die Gewinne bei der richtigen Mischung seit Jahren  ordentlich. Im vergangenen Jahr lag die Gesamtrendite bei 6,9 Prozent.

Foto: dpa/Boris Roessler

(dpa) Was ist riskanter: Lotto zu spielen oder in Aktien zu investieren? Für die meisten wäre die Antwort vermutlich klar: in Aktien zu investieren. Denn die Kurse an den Börsen schwanken. Viele Anleger haben daher Angst, dass sie ihr investiertes Geld nicht zurückbekommen. „Schlechte Ereignisse wie zum Beispiel der Zusammenbruch des Neuen Marktes sind in den Köpfen vieler Anleger hängen geblieben“, erklärt Professor Martin Weber vom Institut für Investmentbanking an der Universität Mannheim.

Dabei liegt die Chance, beim Lotto den Jackpot zu knacken, bei etwa 1 zu 140 Millionen. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, das eingesetzte Geld zu verlieren, ist sehr hoch. Dennoch kreuzen in der Hoffnung auf den großen Gewinn jede Woche viele Menschen ihre Glückszahlen an. „Beim Lottospielen sind wir eigentlich risikofreudig“, sagt Weber.

Ganz anders bei Aktien. Trotz Mini-Zinsen meiden Anleger die Börse. Nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts (DAI) lag die Zahl der Aktionäre im Jahr 2016 mit knapp 8,98 Millionen sogar leicht unter dem Niveau von 2015. Nur jeder siebte Bundesbürger steckt derzeit direkt oder indirekt Geld in Aktien. Zu groß ist bei vielen offenbar die Furcht, Verluste zu erleiden. „Viele Leute schätzen das Risiko aber nicht richtig ein“, sagt Martin Weber.

Die Verlustgefahr ist bei Aktien vergleichsweise überschaubar. An der Börse werden grundsätzlich positive Ergebnisse erwartet. Experten sprechen von einem „positiven Erwartungswert“. Im Schnitt kommt über einen längeren Zeitraum eine gute Rendite heraus. Das bestätigen Berechnungen des DAI. Allein beim Deutschen Aktienindex Dax konnten sich Anleger 2016 über eine Gesamtrendite von 6,9 Prozent freuen. Bei einer Anlagezeit von 20 bis 30 Jahren lagen die jährlichen Renditen in der Vergangenheit zwischen sechs und neun Prozent, trotz der zwischenzeitlichen Einbrüche.

Dennoch haben Privatanleger hierzulande nur wenig Vertrauen in den Aktienmarkt. „Die Börse ist für viele Menschen eher neutral bis negativ besetzt“, sagt die Finanzpsychologin Monika Müller aus Wiesbaden. „Aber vor allem ist es etwas Fremdes. Es ist kein Alltagsgeschehen.“ Daher nehmen Menschen das Risiko bei Aktien anders wahr als beim bekannten und vertrauten Lotto.

Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass Lotto durchschaubar ist. „Die Ziehung kann ich verfolgen und ganz genau nachvollziehen, wie das Ergebnis zustande kommt“, erklärt Weber. Das schaffe Vertrauen. Anders an der Börse: Bei Aktien kann ein Anleger kaum nachvollziehen, wie der Kurs zustande kommt. Daher sind Anleger eher skeptisch. Die Angst vor Manipulationen ist aus Sicht von Weber allerdings eher unbegründet: „Der Aktienmarkt ist durch die Regulierung im Prinzip genauso vertrauenswürdig wie eine Lottoziehung.“

Verstärkt wird die Risikowahrnehmung möglicherweise auch durch das Gefühl, keine Kontrolle über das Geschehen an der Börse zu haben. Weber erklärt das Phänomen an einem Beispiel: „Ich finde Autofahren deswegen weniger riskant als Fliegen, weil ich selber am Steuer sitze.“ Dabei ist die Wahrscheinlichkeit eines Autounfalls größer als die Gefahr, ein Flugzeugunglück zu erleben. Für Anleger kann es sich aus Sicht von Experten durchaus lohnen, ihre Angst zu überwinden. „Dass Sie am Ende wie beim Lotto Ihren Einsatz verlieren, ist am Aktienmarkt nicht zu erwarten“, sagt Martin Weber. Im Gegenteil, je breiter ein Anleger sein Geld am Aktienmarkt investiere und je länger er dabei bleiben könne, desto größer sei die Chance, dass er Rendite erziele.

Dazu ein Beispiel aus dem Dax, dem Deutschen Aktienindex, der die Entwicklung der 30 größten und umsatzstärksten Unternehmen anzeigt. Unter dem Strich hat sich der Index seit Ende 1987, als er mit 1000 Indexpunkten startete, bis heute verzwölffacht. Wer damals umgerechnet 10 000 Euro einsetzte, könnte heute über gut 120 000 Euro verfügen, rechnet der Bundesverband deutscher Banken vor. Allerdings gilt auch, dass ein solcher Rückblick keine Gewähr für künftige Entwicklungen bietet.

Wer sich dem Thema nähern will, sollte sich zunächst an vertraute Personen im Freundes- oder Familienkreis wenden. „Schauen Sie sich einfach mal um, ob Sie jemanden kennen, der in Aktien investiert ist“, rät Müller. „Lassen Sie sich erklären, wie das Ganze funktioniert.“ Daraus könne sich Schritt für Schritt ein Fundament für eine eigene Anlagestrategie ergeben. „Fragen Sie aber nicht nach dem vermeintlich sicheren Tipp. Denn einen solchen Tipp gibt es nicht.“ Müller empfiehlt, stattdessen zu fragen, was der Aktionär aus Fehlern gelernt hat.

Müller warnt davor, gleich alles auf eine Karte zu setzen: „Menschen sollten ihre Vermögensstruktur ausgewogen aufbauen.“ Neben einer breiten Streuung auf verschiedene Wertpapiere verschiedener Branchen gehört auch eine laufende Kontrolle des Depots dazu, um die Zusammensetzung der wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen. Wem das zu aufwendig ist, der kann sein Geld in einen Aktienfonds investieren. Manche Fondsmanager, zum Beispiel Banken, kassieren für die Verwaltung jedoch kräftig ab. Daher sind Indexfonds, sogenannte ETFs (Exchange Traded Funds), eine Alternative. Sie werden nicht von Investmentgesellschaften verwaltet, sondern direkt an der Börse gehandelt. Sie bilden einen kompletten Aktienindex nach, beispielsweise den Dax. Sie haben keine Manager, sondern entwickeln sich immer so wie der Aktienindex, den sie kopieren, abzüglich der meist niedrigen Verwaltungskosten.

Ihr Risiko haben Anleger aber auch selbst in der Hand. Ein ausreichendes Liquiditätspolster kann sie davor bewahren, bei finanziellen Engpässen verkaufen zu müssen. Sollten die Kurse dann nämlich im Keller sein, kann das am Ende doch Verlust bedeuten.

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