Alfas schöner Gipfelstürmer

Turin · Bello, bellissimo, Stelvio: Das neue SUV von Alfa Romeo sieht nicht nur blendend aus, es bietet auch richtig Fahrspaß – kleinere Macken inklusive.

Ein Verführer ist er. Ein Romeo. Ein Alfa Romeo. Und zählte bloß Schönheit, müsste der Stelvio, das erste SUV der italienischen Traditionsmarke, keine Konkurrenz unter den Alleskönner-Autos fürchten. Keinen pausbäckigen Audi, keinen kantigen BMW, auch den distinguierten Jaguar F-Pace nicht. Allenfalls der Maserati Levante macht noch so hinreißend bella figura. Doch ist der ein Schlitten für die mit der großen Brieftasche. Vom Stelvio aber, mit dem Alfa nun reichlich spät im immer noch boomenden SUV-Markt mitmischen will, dürfen auch die mit dem etwas schmaleren Geldbeutel träumen. Bei 47 500 Euro geht's los für den 2,0-Liter-Benziner.

Seit Alfa, Teil der italo-amerikanischen Autozweckehe FCA, voriges Jahr die Mittelklasse-Limousine Guilia auf den Markt brachte, träumen auch die Italiener wieder von rosigeren Zeiten. Der Stelvio, der zunächst mit zwei Motorvarianten startet, einem 280 PS starken Benziner und einem Diesel mit 210 PS, soll den Aufwärtstrend beflügeln. Doch was hatten die Turiner den Alfisti in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten auch nicht alles zugemutet! Eine Rostschüssel namens Alfasud, Klapperkisten wie den Alfa 33, die optische Ausnüchterungszelle 164 und die Kurzschlusskönigin Brera. Mit der Guilia aber stieg der Phönix Alfa einmal mehr aus der Asche. Wurden 2015 gerade mal 2800 Alfas in Deutschland neu zugelassen, waren es 2016 - dank der schönen Guilia - schon knapp 4300. Und nun ist es Alfa-Chefdesigner Scott Kruger tatsächlich geglückt, Guilias Dress auch auf den Stelvio zu übertragen. Die Front mit dem markanten Scudetto-Grill, die schlanken, doch muskulösen Linien und das nach hinten coupéhaft eingezogene Dach: alles ein einziger Augenschmaus. Und innen erst: Leder, mattes Holzdekor, das elegant eingepasste Infotainement-System mit großem 8,8-Zoll-Monitor, Alu-Pedale und Tüten-Tachos, die an selige Spider-Ausritte erinnern. Auch hier war die Guilia unverkennbar Patin. Ohnehin hat man den Stelvio, der im Werk Cassino südlich von Rom gebaut wird, aus der Rippe der Guilia geschnitzt. Denn auch die Plattform stammt von der BMW-Dreier-Konkurrentin. Die Kehrseite der Schönheit zeigt sich aber in einer schmalen Heckscheibe und breiten C-Säulen. Nach schräg links hinten ist man als Fahrer im Stelvio quasi blind.

Dennoch: Sitzt man erst mal hinterm Lenkrad, drückt den eigenwillig am Volant platzierten Startknopf, wird aus Vorfreude pure Lust. Just der 280-PS-Benziner erweist sich als perfekte Maschine für das SUV. Im dreistufigen Fahrprogramm "d" wie "dynamic" wählen, und schon jubelt der Turbo-Wonneproppen willig, aber auch vernehmlich hoch, packt kräftig zu. So könnte man, verspricht Alfa glaubhaft, in 5,7 Sekunden auf Tempo 100 sein.

Spaß aber macht was anderes. Im Stelvio lässt es sich nämlich auch wunderbar klettern. Selbst in engen Kehren kommt man dank des serienmäßigen Allradantriebs, der bei Bedarf bis zu 50 Prozent der Kraft auf die vorderen Räder lenkt, auch aus engen Kurven zügig raus. Selbst, wenn man Gras oder Kies statt Asphalt unterm Reifen hat. Der Achtgang-Automat von ZF gehört zum Feinsten, was aktuell in dieser Klasse zu haben ist.

Vor allem aber staunt man, wie leichtfüßig der Stelvio wedelt. Tatsächlich ist er trotz stattlicher 4,68 Meter Länge beinahe ein Leichtfuß. Bloß 1660 Kilogramm bringt er leer auf die Waage - und wirkt doch grundsolide. Viele Karosserieteile aus Aluminium und eine aus Kohlefaser gefertigte Antriebswelle machen es möglich. So wird der Alfa sogar am Berg zum Sprinter. Zu Recht taufte man ihn nach dem 2500 Meter hohen Stelvio-Pass, dem Stilfser Joch. Allein die etwas leichtgängige Lenkung und der mangelnde Seitenhalt der vorderen Fauteuils trüben das Sportvergnügen. In puncto Lehnenbreite nahm man wohl eher an Altherren-Fülle Maß. Alfa stellt allerdings Abhilfe schon in Aussicht - mit Sportsitzen.

Der Stelvio kann aber auch den Biedermann und Lastkarren spielen. Dafür ist der kraftvolle 2,2-Liter Selbstzünder mit 210 PS (ab 47 500 Euro) ideal. Und der Fahrer kann sich von Spurhalteassistent und Notbremsfunktion unterstützen lassen. Auf den drei hinteren Sitzen allerdings engt die Coupé-Linie etwas ein, ohne dass es aber gleich unbequem würde.

Zum Start gibt es die 280-PS-Version als "First edition" mit Ledersitzen, 20-Zoll-Felgen und großem Navigations- und Entertainment-System. Dafür werden aber auch 56 000 Euro fällig. Viel Geld, mit dem man auch einen potenten Audi Q5 kaufen könnte. Und obwohl Alfa in puncto Qualität Boden gut gemacht hat, ein Armaturenbrett, das links bündig und rechts mit merklich Luft zur A-Säule hin montiert ist, lässt ahnen, dass deutsche Premiumhersteller noch einiges an Vorsprung durch Technik und Qualität haben. Nur sind das eben keine solchen Verführer wie der Stelvio.

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